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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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besser zu sein, als sie ohne selbiges sein würden. Er
sei nicht eben für den Adel, aber wenn man solches
Verhöhnen alles Herkommens und historischen Rechtes
zugäbe, so bräche das jakobinische Vernunftrecht unheil¬
voll über alles herein und nichts stünde mehr sicher.
Ich erwiderte ihm, daß nichts bestehen solle, was nicht
vernünftig sei, daß darüber kein Zweifel mehr obwalte,
und man nur über die Art und den Weg, alten Schutt
wegzuräumen uneins wäre. Die gemäßigten Reformer
wollten kein Privatrecht verletzen, um allgemeines Recht
zu erzeugen. Der Adel selbst aber sei nicht einmal
ein Privatrecht, sondern nur ein usurpirter Titel einer
alten Gewalt, die Gewalt sei aber gestürzt und ein
König ohne Land sei ein Narr, wenn er sich noch
König nennen und von Hofceremonien umräuchern lasse.
Der Adel sei für wahnsinnig zu erklären -- fuhr Hyp¬
polit fort -- wenn er noch in Generalsuniform ein¬
hergehen wolle, während er längst mit der großen Men¬
ge in Reih' und Glied marschiren müßte. "Wollen
Sie nicht "schwach" sagen?" schaltete Graf Topf ein.

Du siehst, wie gereizt das Gespräch wurde. Ich
versuchte einzulenken, und mich auf den Anfangspunkt
der Unterhaltung, den Mangel des bequemen warmen

beſſer zu ſein, als ſie ohne ſelbiges ſein würden. Er
ſei nicht eben für den Adel, aber wenn man ſolches
Verhöhnen alles Herkommens und hiſtoriſchen Rechtes
zugäbe, ſo bräche das jakobiniſche Vernunftrecht unheil¬
voll über alles herein und nichts ſtünde mehr ſicher.
Ich erwiderte ihm, daß nichts beſtehen ſolle, was nicht
vernünftig ſei, daß darüber kein Zweifel mehr obwalte,
und man nur über die Art und den Weg, alten Schutt
wegzuräumen uneins wäre. Die gemäßigten Reformer
wollten kein Privatrecht verletzen, um allgemeines Recht
zu erzeugen. Der Adel ſelbſt aber ſei nicht einmal
ein Privatrecht, ſondern nur ein uſurpirter Titel einer
alten Gewalt, die Gewalt ſei aber geſtürzt und ein
König ohne Land ſei ein Narr, wenn er ſich noch
König nennen und von Hofceremonien umräuchern laſſe.
Der Adel ſei für wahnſinnig zu erklären — fuhr Hyp¬
polit fort — wenn er noch in Generalsuniform ein¬
hergehen wolle, während er längſt mit der großen Men¬
ge in Reih' und Glied marſchiren müßte. „Wollen
Sie nicht „ſchwach“ ſagen?“ ſchaltete Graf Topf ein.

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verſuchte einzulenken, und mich auf den Anfangspunkt
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[28/0040] beſſer zu ſein, als ſie ohne ſelbiges ſein würden. Er ſei nicht eben für den Adel, aber wenn man ſolches Verhöhnen alles Herkommens und hiſtoriſchen Rechtes zugäbe, ſo bräche das jakobiniſche Vernunftrecht unheil¬ voll über alles herein und nichts ſtünde mehr ſicher. Ich erwiderte ihm, daß nichts beſtehen ſolle, was nicht vernünftig ſei, daß darüber kein Zweifel mehr obwalte, und man nur über die Art und den Weg, alten Schutt wegzuräumen uneins wäre. Die gemäßigten Reformer wollten kein Privatrecht verletzen, um allgemeines Recht zu erzeugen. Der Adel ſelbſt aber ſei nicht einmal ein Privatrecht, ſondern nur ein uſurpirter Titel einer alten Gewalt, die Gewalt ſei aber geſtürzt und ein König ohne Land ſei ein Narr, wenn er ſich noch König nennen und von Hofceremonien umräuchern laſſe. Der Adel ſei für wahnſinnig zu erklären — fuhr Hyp¬ polit fort — wenn er noch in Generalsuniform ein¬ hergehen wolle, während er längſt mit der großen Men¬ ge in Reih' und Glied marſchiren müßte. „Wollen Sie nicht „ſchwach“ ſagen?“ ſchaltete Graf Topf ein. Du ſiehſt, wie gereizt das Geſpräch wurde. Ich verſuchte einzulenken, und mich auf den Anfangspunkt der Unterhaltung, den Mangel des bequemen warmen

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/40>, abgerufen am 18.04.2024.