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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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die Gelehrsamkeit, das Wissen bringen -- keine Ewig¬
keit, kein Gott kann mir eine Vergangenheit, lächerliche
Ahnen geben, wie sie der Adel verlangt. Und darin
liegt das Fundament zukünftiger Zeit, die vielleicht jetzt
in Frankreich beginnt. Alle Wege müssen offen sein zu
Allem -- nicht unbedingte Gleichheit, aber unbedingt
gleiche Befugniß zu Allem, das ist die Loosung des
neuen Jahrhunderts.

Erbt nicht der Sohn des Millionärs auch die
Million? warf abgehend von meinem Schlußsatze der
Graf ein. Hyppolit antwortete für mich: Er kann sie
morgen ganz oder zum Theil verlieren, und sein Nach¬
bar kann sie gewonnen haben. Sie können Ihre Ah¬
nen nicht verlieren, kein Nachbar kann sie gewinnen,
darin ruht der Widerspruch mit der neuen Theorie: Al¬
les muß für Alle erreichbar sein.

Graf Fips meinte, ich hätte der feinen Manieren
mit erwähnt, die würden nach diesen barbarischen An¬
sichten ganz zu Grunde gehn. Ich erwiderte ihm, daß
ich die feinen Manieren allerdings für ein Produkt der
Civilisation ansähe, daß ich aber keinesweges an ihren
Untergang ohne den Adel glaubte. Manches von dem,
fuhr ich fort, was Sie, Herr Graf v. Fips, so nennen,

die Gelehrſamkeit, das Wiſſen bringen — keine Ewig¬
keit, kein Gott kann mir eine Vergangenheit, lächerliche
Ahnen geben, wie ſie der Adel verlangt. Und darin
liegt das Fundament zukünftiger Zeit, die vielleicht jetzt
in Frankreich beginnt. Alle Wege müſſen offen ſein zu
Allem — nicht unbedingte Gleichheit, aber unbedingt
gleiche Befugniß zu Allem, das iſt die Looſung des
neuen Jahrhunderts.

Erbt nicht der Sohn des Millionärs auch die
Million? warf abgehend von meinem Schlußſatze der
Graf ein. Hyppolit antwortete für mich: Er kann ſie
morgen ganz oder zum Theil verlieren, und ſein Nach¬
bar kann ſie gewonnen haben. Sie können Ihre Ah¬
nen nicht verlieren, kein Nachbar kann ſie gewinnen,
darin ruht der Widerſpruch mit der neuen Theorie: Al¬
les muß für Alle erreichbar ſein.

Graf Fips meinte, ich hätte der feinen Manieren
mit erwähnt, die würden nach dieſen barbariſchen An¬
ſichten ganz zu Grunde gehn. Ich erwiderte ihm, daß
ich die feinen Manieren allerdings für ein Produkt der
Civiliſation anſähe, daß ich aber keinesweges an ihren
Untergang ohne den Adel glaubte. Manches von dem,
fuhr ich fort, was Sie, Herr Graf v. Fips, ſo nennen,

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[31/0043] die Gelehrſamkeit, das Wiſſen bringen — keine Ewig¬ keit, kein Gott kann mir eine Vergangenheit, lächerliche Ahnen geben, wie ſie der Adel verlangt. Und darin liegt das Fundament zukünftiger Zeit, die vielleicht jetzt in Frankreich beginnt. Alle Wege müſſen offen ſein zu Allem — nicht unbedingte Gleichheit, aber unbedingt gleiche Befugniß zu Allem, das iſt die Looſung des neuen Jahrhunderts. Erbt nicht der Sohn des Millionärs auch die Million? warf abgehend von meinem Schlußſatze der Graf ein. Hyppolit antwortete für mich: Er kann ſie morgen ganz oder zum Theil verlieren, und ſein Nach¬ bar kann ſie gewonnen haben. Sie können Ihre Ah¬ nen nicht verlieren, kein Nachbar kann ſie gewinnen, darin ruht der Widerſpruch mit der neuen Theorie: Al¬ les muß für Alle erreichbar ſein. Graf Fips meinte, ich hätte der feinen Manieren mit erwähnt, die würden nach dieſen barbariſchen An¬ ſichten ganz zu Grunde gehn. Ich erwiderte ihm, daß ich die feinen Manieren allerdings für ein Produkt der Civiliſation anſähe, daß ich aber keinesweges an ihren Untergang ohne den Adel glaubte. Manches von dem, fuhr ich fort, was Sie, Herr Graf v. Fips, ſo nennen,

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/43>, abgerufen am 29.03.2024.