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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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dürfte allerdings verloren gehn; Manches von dem,
was der Adel darunter versteht, der aber nur eine
Frucht mit schöner Schaale will, die ihren Zweck durch
ihr Aussehen erreicht habe, nimmer aber geöffnet zu
werden brauche -- die eigentlichen feinen Manieren
sind ein Ergebniß der höchsten Kultur, und die meisten
feinen Leute kennen sie nicht, weil sie eben nicht culti¬
virt genug sind. Es handelt sich dabei natürlich nicht
um ein Kompliment oder diese und jene Floskel, das
ist nichts als Tournüre, die durch einige Uebung wie
das Tanzen von Jedem erlernt werden kann, und er¬
lernt werden soll, denn sie ist die Bedingung des Er¬
scheinens, und das Erscheinen soll schön sein. Es han¬
delt sich aber um das höchste geistige Verständniß und
um die schönste und gewandteste und geeignetste Erschei¬
nung des Geistigen, es handelt sich darum, wie die
wissenschaftliche Bildung schön und sauber gekleidet in
Gesellschaft geht, und in passendem harmonischem Kostüm
und Ton auftritt -- das ist die Blüthe der Kultur,
das ist die feinste Manier. Es ist Sache des Kunst¬
sinns und einer durchaus nicht verwerflichen Aesthetik,
der auch ich huldige, daß auch die äußere Erscheinung
angenehm gerundet etc. sei; der Tölpel verletzt mein

dürfte allerdings verloren gehn; Manches von dem,
was der Adel darunter verſteht, der aber nur eine
Frucht mit ſchöner Schaale will, die ihren Zweck durch
ihr Ausſehen erreicht habe, nimmer aber geöffnet zu
werden brauche — die eigentlichen feinen Manieren
ſind ein Ergebniß der höchſten Kultur, und die meiſten
feinen Leute kennen ſie nicht, weil ſie eben nicht culti¬
virt genug ſind. Es handelt ſich dabei natürlich nicht
um ein Kompliment oder dieſe und jene Floskel, das
iſt nichts als Tournüre, die durch einige Uebung wie
das Tanzen von Jedem erlernt werden kann, und er¬
lernt werden ſoll, denn ſie iſt die Bedingung des Er¬
ſcheinens, und das Erſcheinen ſoll ſchön ſein. Es han¬
delt ſich aber um das höchſte geiſtige Verſtändniß und
um die ſchönſte und gewandteſte und geeignetſte Erſchei¬
nung des Geiſtigen, es handelt ſich darum, wie die
wiſſenſchaftliche Bildung ſchön und ſauber gekleidet in
Geſellſchaft geht, und in paſſendem harmoniſchem Koſtüm
und Ton auftritt — das iſt die Blüthe der Kultur,
das iſt die feinſte Manier. Es iſt Sache des Kunſt¬
ſinns und einer durchaus nicht verwerflichen Aeſthetik,
der auch ich huldige, daß auch die äußere Erſcheinung
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[32/0044] dürfte allerdings verloren gehn; Manches von dem, was der Adel darunter verſteht, der aber nur eine Frucht mit ſchöner Schaale will, die ihren Zweck durch ihr Ausſehen erreicht habe, nimmer aber geöffnet zu werden brauche — die eigentlichen feinen Manieren ſind ein Ergebniß der höchſten Kultur, und die meiſten feinen Leute kennen ſie nicht, weil ſie eben nicht culti¬ virt genug ſind. Es handelt ſich dabei natürlich nicht um ein Kompliment oder dieſe und jene Floskel, das iſt nichts als Tournüre, die durch einige Uebung wie das Tanzen von Jedem erlernt werden kann, und er¬ lernt werden ſoll, denn ſie iſt die Bedingung des Er¬ ſcheinens, und das Erſcheinen ſoll ſchön ſein. Es han¬ delt ſich aber um das höchſte geiſtige Verſtändniß und um die ſchönſte und gewandteſte und geeignetſte Erſchei¬ nung des Geiſtigen, es handelt ſich darum, wie die wiſſenſchaftliche Bildung ſchön und ſauber gekleidet in Geſellſchaft geht, und in paſſendem harmoniſchem Koſtüm und Ton auftritt — das iſt die Blüthe der Kultur, das iſt die feinſte Manier. Es iſt Sache des Kunſt¬ ſinns und einer durchaus nicht verwerflichen Aeſthetik, der auch ich huldige, daß auch die äußere Erſcheinung angenehm gerundet ꝛc. ſei; der Tölpel verletzt mein

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/44>, abgerufen am 16.04.2024.