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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833.

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-- und kann der Zeit nicht mehr voraus, sie übereilt
und mordet mich und mein armes Kind."

Eben erhalte ich eine Ausforderung von unbekannter
Hand. Es werden da so viel Nichtswürdigkeiten auf
mich gehäuft, daß ich ein entsetzlicher Verbrecher sein
muß. Es ist doch unangenehm, auch nur für einen ein¬
zigen Menschen ein solcher Gegenstand des Abscheus zu
sein. Ich sinne hin und her, weil mir der Gedanke
aufsteigt, die Handschrift schon irgendwo gesehn zu haben.
Ich kann's nicht aussinnen. Alle Anschuldigungen sind
indeß so unklar, unbestimmt ausgedrückt, daß ich durch¬
aus nicht genau weiß, welcher Uebelthat ich angeklagt
werde. Weiber scheinen dabei betheiligt zu sein; es ist
also wohl ein eifersüchtiger oder Ritterdienst thuender
Mann. Und somit ist die Sache vielleicht ein Mißver¬
ständniß, denn ich wüßte doch wahrlich nicht, wem ich
der Weiber halber etwas gethan haben sollte. Der gute
Mann verlangt keine Antwort, sondern wird sich in Kur¬
zem selbst melden. Soll ich offenherzig sein? Die Sache
ist mir unangenehm, ich habe es neuerdings immer ge¬
fürchtet, in eine Duellangelegenheit verwickelt zu werden,
weil ich den fatalen Kampf meiner gesunden Ansicht

— und kann der Zeit nicht mehr voraus, ſie übereilt
und mordet mich und mein armes Kind.“

Eben erhalte ich eine Ausforderung von unbekannter
Hand. Es werden da ſo viel Nichtswürdigkeiten auf
mich gehäuft, daß ich ein entſetzlicher Verbrecher ſein
muß. Es iſt doch unangenehm, auch nur für einen ein¬
zigen Menſchen ein ſolcher Gegenſtand des Abſcheus zu
ſein. Ich ſinne hin und her, weil mir der Gedanke
aufſteigt, die Handſchrift ſchon irgendwo geſehn zu haben.
Ich kann's nicht ausſinnen. Alle Anſchuldigungen ſind
indeß ſo unklar, unbeſtimmt ausgedrückt, daß ich durch¬
aus nicht genau weiß, welcher Uebelthat ich angeklagt
werde. Weiber ſcheinen dabei betheiligt zu ſein; es iſt
alſo wohl ein eiferſüchtiger oder Ritterdienſt thuender
Mann. Und ſomit iſt die Sache vielleicht ein Mißver¬
ſtändniß, denn ich wüßte doch wahrlich nicht, wem ich
der Weiber halber etwas gethan haben ſollte. Der gute
Mann verlangt keine Antwort, ſondern wird ſich in Kur¬
zem ſelbſt melden. Soll ich offenherzig ſein? Die Sache
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weil ich den fatalen Kampf meiner geſunden Anſicht

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[42/0054] — und kann der Zeit nicht mehr voraus, ſie übereilt und mordet mich und mein armes Kind.“ Später. Eben erhalte ich eine Ausforderung von unbekannter Hand. Es werden da ſo viel Nichtswürdigkeiten auf mich gehäuft, daß ich ein entſetzlicher Verbrecher ſein muß. Es iſt doch unangenehm, auch nur für einen ein¬ zigen Menſchen ein ſolcher Gegenſtand des Abſcheus zu ſein. Ich ſinne hin und her, weil mir der Gedanke aufſteigt, die Handſchrift ſchon irgendwo geſehn zu haben. Ich kann's nicht ausſinnen. Alle Anſchuldigungen ſind indeß ſo unklar, unbeſtimmt ausgedrückt, daß ich durch¬ aus nicht genau weiß, welcher Uebelthat ich angeklagt werde. Weiber ſcheinen dabei betheiligt zu ſein; es iſt alſo wohl ein eiferſüchtiger oder Ritterdienſt thuender Mann. Und ſomit iſt die Sache vielleicht ein Mißver¬ ſtändniß, denn ich wüßte doch wahrlich nicht, wem ich der Weiber halber etwas gethan haben ſollte. Der gute Mann verlangt keine Antwort, ſondern wird ſich in Kur¬ zem ſelbſt melden. Soll ich offenherzig ſein? Die Sache iſt mir unangenehm, ich habe es neuerdings immer ge¬ fürchtet, in eine Duellangelegenheit verwickelt zu werden, weil ich den fatalen Kampf meiner geſunden Anſicht

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/54>, abgerufen am 16.04.2024.