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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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neue Testament: und da liest sichs nicht so leicht über
griechische Skribenten.

In der Geschichte gings nicht viel besser. Herr
Köster erbot sich zwar immer, über alle Theile der
Geschichte zu lesen; aber selten konnte er einige Kol-
legia zu Stande bringen. Der Geschmack war ein-
mal verdorben: wer seine Brodlectionen gehört hatte,
fragte viel nach derlei Nebensachen. Köster mußte
sogar die Kirchengeschichte in einem halben Jahre
endigen, wenn er Zuhörer haben wollte.

Das mag hinlänglich seyn, um meine Leser in
den Stand zu setzen, ein richtiges Urtheil über die
damalige zweckwidrige Einrichtung der ganzen Gießer
Universität zu fällen. Daß sie auch noch zu jetziger
Zeit nicht viel besser ist, habe ich erst 1787 er-
fahren.

Manche Eltern glauben noch immer, man könne
auf jeder Universität das Seine lernen, -- welches
freilich in Ansehung einiger guter Köpfe wahr ist --
man müsse daher den wohlfeilsten Ort aussuchen, und
den Herrn Sohn da studiren lassen. Aber diese gu-
ten Eltern verrechnen sich häßlich: vielmehr sollten
sie eine Universität wählen, auf welcher die größte
Anzahl der berühmtesten Männer das Fach lehren,
für dessen Erlernung ihr Sohn entschieden ist, es
sey nun Medicin, Jurisprudenz, Theologie oder ein
anderes -- und wo bei angemessenen Besoldungen,

neue Teſtament: und da lieſt ſichs nicht ſo leicht uͤber
griechiſche Skribenten.

In der Geſchichte gings nicht viel beſſer. Herr
Koͤſter erbot ſich zwar immer, uͤber alle Theile der
Geſchichte zu leſen; aber ſelten konnte er einige Kol-
legia zu Stande bringen. Der Geſchmack war ein-
mal verdorben: wer ſeine Brodlectionen gehoͤrt hatte,
fragte viel nach derlei Nebenſachen. Koͤſter mußte
ſogar die Kirchengeſchichte in einem halben Jahre
endigen, wenn er Zuhoͤrer haben wollte.

Das mag hinlaͤnglich ſeyn, um meine Leſer in
den Stand zu ſetzen, ein richtiges Urtheil uͤber die
damalige zweckwidrige Einrichtung der ganzen Gießer
Univerſitaͤt zu faͤllen. Daß ſie auch noch zu jetziger
Zeit nicht viel beſſer iſt, habe ich erſt 1787 er-
fahren.

Manche Eltern glauben noch immer, man koͤnne
auf jeder Univerſitaͤt das Seine lernen, — welches
freilich in Anſehung einiger guter Koͤpfe wahr iſt —
man muͤſſe daher den wohlfeilſten Ort ausſuchen, und
den Herrn Sohn da ſtudiren laſſen. Aber dieſe gu-
ten Eltern verrechnen ſich haͤßlich: vielmehr ſollten
ſie eine Univerſitaͤt waͤhlen, auf welcher die groͤßte
Anzahl der beruͤhmteſten Maͤnner das Fach lehren,
fuͤr deſſen Erlernung ihr Sohn entſchieden iſt, es
ſey nun Medicin, Jurisprudenz, Theologie oder ein
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[92/0106] neue Teſtament: und da lieſt ſichs nicht ſo leicht uͤber griechiſche Skribenten. In der Geſchichte gings nicht viel beſſer. Herr Koͤſter erbot ſich zwar immer, uͤber alle Theile der Geſchichte zu leſen; aber ſelten konnte er einige Kol- legia zu Stande bringen. Der Geſchmack war ein- mal verdorben: wer ſeine Brodlectionen gehoͤrt hatte, fragte viel nach derlei Nebenſachen. Koͤſter mußte ſogar die Kirchengeſchichte in einem halben Jahre endigen, wenn er Zuhoͤrer haben wollte. Das mag hinlaͤnglich ſeyn, um meine Leſer in den Stand zu ſetzen, ein richtiges Urtheil uͤber die damalige zweckwidrige Einrichtung der ganzen Gießer Univerſitaͤt zu faͤllen. Daß ſie auch noch zu jetziger Zeit nicht viel beſſer iſt, habe ich erſt 1787 er- fahren. Manche Eltern glauben noch immer, man koͤnne auf jeder Univerſitaͤt das Seine lernen, — welches freilich in Anſehung einiger guter Koͤpfe wahr iſt — man muͤſſe daher den wohlfeilſten Ort ausſuchen, und den Herrn Sohn da ſtudiren laſſen. Aber dieſe gu- ten Eltern verrechnen ſich haͤßlich: vielmehr ſollten ſie eine Univerſitaͤt waͤhlen, auf welcher die groͤßte Anzahl der beruͤhmteſten Maͤnner das Fach lehren, fuͤr deſſen Erlernung ihr Sohn entſchieden iſt, es ſey nun Medicin, Jurisprudenz, Theologie oder ein anderes — und wo bei angemeſſenen Beſoldungen,

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/106>, abgerufen am 25.04.2024.