Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

des Herrn Kästners q) sehr gründlich lehrte. Dann
besuchte ich das Grammatikale Hebräum des Herrn
Link, welches aber so traurig war, daß ich es schon
mit der sechsten Stunde aufgab. Die allgemeine
Geschichte hörte ich bei Herrn Köster, und die Dog-
matik bei Hrn. Schulz. Letzterem gab ich nun auch
den Abschied, weil ich seit meiner Conferenz mit der
Base meines Thereschens fest entschlossen war, blos
schöne Wissenschaften, Mathematik und Geschichte
zu treiben, um meinen großen Zweck desto eher zu
erreichen.

Ich war ziemlich fleißig, schwänzte r) nie, und
ließ es an guter Repetition nur selten fehlen. Herr
Köster borgte mir manches gute Buch, aus dem ich
viel lernen konnte. So las ich damals schon die
treffliche Theodicee des unsterblichen Leibnitz, und ge-
rieth oft in gewaltigen Enthusiasmus, wenn ich eins
seiner Argumente gefaßt zu haben glaubte. Beiher
habe ich auch im ersten Sommer meines Aufenthalts
zu Gießen den ganzen Ovidius und den ganzen Taci-
tus gelesen. Beim Tacitus hatte ich eine französische

q) Seit Kästners Lehrbuch hätte billig kein anderes über
diese Wissenschaft sollen geschrieben werden. Alle an-
dere, das Karsteusche selbst nicht ausgenommen, blei-
ben weit hinter ihm.
r) Schwänzen heißt, nach der Studenten-Sprache,
die Vorlesungen versäumen.

des Herrn Kaͤſtners q) ſehr gruͤndlich lehrte. Dann
beſuchte ich das Grammatikale Hebraͤum des Herrn
Link, welches aber ſo traurig war, daß ich es ſchon
mit der ſechſten Stunde aufgab. Die allgemeine
Geſchichte hoͤrte ich bei Herrn Koͤſter, und die Dog-
matik bei Hrn. Schulz. Letzterem gab ich nun auch
den Abſchied, weil ich ſeit meiner Conferenz mit der
Baſe meines Thereschens feſt entſchloſſen war, blos
ſchoͤne Wiſſenſchaften, Mathematik und Geſchichte
zu treiben, um meinen großen Zweck deſto eher zu
erreichen.

Ich war ziemlich fleißig, ſchwaͤnzte r) nie, und
ließ es an guter Repetition nur ſelten fehlen. Herr
Koͤſter borgte mir manches gute Buch, aus dem ich
viel lernen konnte. So las ich damals ſchon die
treffliche Theodicee des unſterblichen Leibnitz, und ge-
rieth oft in gewaltigen Enthuſiasmus, wenn ich eins
ſeiner Argumente gefaßt zu haben glaubte. Beiher
habe ich auch im erſten Sommer meines Aufenthalts
zu Gießen den ganzen Ovidius und den ganzen Taci-
tus geleſen. Beim Tacitus hatte ich eine franzoͤſiſche

q) Seit Kaͤſtners Lehrbuch haͤtte billig kein anderes uͤber
dieſe Wiſſenſchaft ſollen geſchrieben werden. Alle an-
dere, das Karſteuſche ſelbſt nicht ausgenommen, blei-
ben weit hinter ihm.
r) Schwaͤnzen heißt, nach der Studenten-Sprache,
die Vorleſungen verſaͤumen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="125"/>
des Herrn Ka&#x0364;&#x017F;tners <note place="foot" n="q)">Seit Ka&#x0364;&#x017F;tners Lehrbuch ha&#x0364;tte billig kein anderes u&#x0364;ber<lb/>
die&#x017F;e Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft &#x017F;ollen ge&#x017F;chrieben werden. Alle an-<lb/>
dere, das Kar&#x017F;teu&#x017F;che &#x017F;elb&#x017F;t nicht ausgenommen, blei-<lb/>
ben weit hinter ihm.</note> &#x017F;ehr gru&#x0364;ndlich lehrte. Dann<lb/>
be&#x017F;uchte ich das Grammatikale Hebra&#x0364;um des Herrn<lb/><hi rendition="#g">Link</hi>, welches aber &#x017F;o traurig war, daß ich es &#x017F;chon<lb/>
mit der &#x017F;ech&#x017F;ten Stunde aufgab. Die allgemeine<lb/>
Ge&#x017F;chichte ho&#x0364;rte ich bei Herrn Ko&#x0364;&#x017F;ter, und die Dog-<lb/>
matik bei Hrn. Schulz. Letzterem gab ich nun auch<lb/>
den Ab&#x017F;chied, weil ich &#x017F;eit meiner Conferenz mit der<lb/>
Ba&#x017F;e meines Thereschens fe&#x017F;t ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en war, blos<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, Mathematik und Ge&#x017F;chichte<lb/>
zu treiben, um meinen großen Zweck de&#x017F;to eher zu<lb/>
erreichen.</p><lb/>
        <p>Ich war ziemlich fleißig, &#x017F;chwa&#x0364;nzte <note place="foot" n="r)"><hi rendition="#g">Schwa&#x0364;nzen</hi> heißt, nach der Studenten-Sprache,<lb/>
die Vorle&#x017F;ungen ver&#x017F;a&#x0364;umen.</note> nie, und<lb/>
ließ es an guter Repetition nur &#x017F;elten fehlen. Herr<lb/>
Ko&#x0364;&#x017F;ter borgte mir manches gute Buch, aus dem ich<lb/>
viel lernen konnte. So las ich damals &#x017F;chon die<lb/>
treffliche Theodicee des un&#x017F;terblichen Leibnitz, und ge-<lb/>
rieth oft in gewaltigen Enthu&#x017F;iasmus, wenn ich eins<lb/>
&#x017F;einer Argumente gefaßt zu haben glaubte. Beiher<lb/>
habe ich auch im er&#x017F;ten Sommer meines Aufenthalts<lb/>
zu Gießen den ganzen Ovidius und den ganzen Taci-<lb/>
tus gele&#x017F;en. Beim Tacitus hatte ich eine franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;che<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[125/0139] des Herrn Kaͤſtners q) ſehr gruͤndlich lehrte. Dann beſuchte ich das Grammatikale Hebraͤum des Herrn Link, welches aber ſo traurig war, daß ich es ſchon mit der ſechſten Stunde aufgab. Die allgemeine Geſchichte hoͤrte ich bei Herrn Koͤſter, und die Dog- matik bei Hrn. Schulz. Letzterem gab ich nun auch den Abſchied, weil ich ſeit meiner Conferenz mit der Baſe meines Thereschens feſt entſchloſſen war, blos ſchoͤne Wiſſenſchaften, Mathematik und Geſchichte zu treiben, um meinen großen Zweck deſto eher zu erreichen. Ich war ziemlich fleißig, ſchwaͤnzte r) nie, und ließ es an guter Repetition nur ſelten fehlen. Herr Koͤſter borgte mir manches gute Buch, aus dem ich viel lernen konnte. So las ich damals ſchon die treffliche Theodicee des unſterblichen Leibnitz, und ge- rieth oft in gewaltigen Enthuſiasmus, wenn ich eins ſeiner Argumente gefaßt zu haben glaubte. Beiher habe ich auch im erſten Sommer meines Aufenthalts zu Gießen den ganzen Ovidius und den ganzen Taci- tus geleſen. Beim Tacitus hatte ich eine franzoͤſiſche q) Seit Kaͤſtners Lehrbuch haͤtte billig kein anderes uͤber dieſe Wiſſenſchaft ſollen geſchrieben werden. Alle an- dere, das Karſteuſche ſelbſt nicht ausgenommen, blei- ben weit hinter ihm. r) Schwaͤnzen heißt, nach der Studenten-Sprache, die Vorleſungen verſaͤumen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/139
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/139>, abgerufen am 28.03.2024.