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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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thers von Herrn von Göthe vor, und sangen
alle die lieblichen Arien und Gesänge, welche dieser
Fall den Dichterleins entpreßt hat. Nachdem dies
geschehen war, und man tapfer geweint und geheult
hatte, gieng der Zug nach dem Kirchhof. Jeder
Begleiter trug ein Wachslicht, jeder war schwarz ge-
kleidet, und hatte einen schwarzen Flor vor dem Ge-
sicht. Es war um Mitternacht. Diejenigen Leute,
welchen dieser Zug auf der Straße begegnete, hiel-
ten ihn für eine Procession des höllischen Satans,
und schlugen Kreutze. Als der Zug endlich auf den
Kirchhof ankam, schloß er einen Kreis um das
Grab des theuren Märtyrers, und sang das Liedchen
"Ausgelitten hast du, ausgerungen." Nach
Endigung desselben trat ein Redner auf, und hielt
eine Lobrede auf den Verblichnen, und bewies beiher,
daß der Selbstmord -- versteht sich aus Liebe, --
erlaubt sey. Hierauf wurden Blümchen aufs Grab
geworfen, tiefe Seufzer herausgekünstelt, und nach
Hause gewandert mit einem Schnupfen -- im Her-
zen.

Die Thorheit wurde nach einigen Tagen wieder-
holt; als aber der Magistrat es ziemlich deutlich
merken ließ, daß er im abermaligen Wiederholungs-
fall thätlich gegen den Unfug zu Werke gehen würde;
so unterblieb die Fortsetzung. Hätten lauter junge
Laffen, verschossene Hasen und andere Firlefanze, wie

thers von Herrn von Goͤthe vor, und ſangen
alle die lieblichen Arien und Geſaͤnge, welche dieſer
Fall den Dichterleins entpreßt hat. Nachdem dies
geſchehen war, und man tapfer geweint und geheult
hatte, gieng der Zug nach dem Kirchhof. Jeder
Begleiter trug ein Wachslicht, jeder war ſchwarz ge-
kleidet, und hatte einen ſchwarzen Flor vor dem Ge-
ſicht. Es war um Mitternacht. Diejenigen Leute,
welchen dieſer Zug auf der Straße begegnete, hiel-
ten ihn fuͤr eine Proceſſion des hoͤlliſchen Satans,
und ſchlugen Kreutze. Als der Zug endlich auf den
Kirchhof ankam, ſchloß er einen Kreis um das
Grab des theuren Maͤrtyrers, und ſang das Liedchen
Ausgelitten haſt du, ausgerungen.“ Nach
Endigung deſſelben trat ein Redner auf, und hielt
eine Lobrede auf den Verblichnen, und bewies beiher,
daß der Selbſtmord — verſteht ſich aus Liebe, —
erlaubt ſey. Hierauf wurden Bluͤmchen aufs Grab
geworfen, tiefe Seufzer herausgekuͤnſtelt, und nach
Hauſe gewandert mit einem Schnupfen — im Her-
zen.

Die Thorheit wurde nach einigen Tagen wieder-
holt; als aber der Magiſtrat es ziemlich deutlich
merken ließ, daß er im abermaligen Wiederholungs-
fall thaͤtlich gegen den Unfug zu Werke gehen wuͤrde;
ſo unterblieb die Fortſetzung. Haͤtten lauter junge
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[142/0156] thers von Herrn von Goͤthe vor, und ſangen alle die lieblichen Arien und Geſaͤnge, welche dieſer Fall den Dichterleins entpreßt hat. Nachdem dies geſchehen war, und man tapfer geweint und geheult hatte, gieng der Zug nach dem Kirchhof. Jeder Begleiter trug ein Wachslicht, jeder war ſchwarz ge- kleidet, und hatte einen ſchwarzen Flor vor dem Ge- ſicht. Es war um Mitternacht. Diejenigen Leute, welchen dieſer Zug auf der Straße begegnete, hiel- ten ihn fuͤr eine Proceſſion des hoͤlliſchen Satans, und ſchlugen Kreutze. Als der Zug endlich auf den Kirchhof ankam, ſchloß er einen Kreis um das Grab des theuren Maͤrtyrers, und ſang das Liedchen „Ausgelitten haſt du, ausgerungen.“ Nach Endigung deſſelben trat ein Redner auf, und hielt eine Lobrede auf den Verblichnen, und bewies beiher, daß der Selbſtmord — verſteht ſich aus Liebe, — erlaubt ſey. Hierauf wurden Bluͤmchen aufs Grab geworfen, tiefe Seufzer herausgekuͤnſtelt, und nach Hauſe gewandert mit einem Schnupfen — im Her- zen. Die Thorheit wurde nach einigen Tagen wieder- holt; als aber der Magiſtrat es ziemlich deutlich merken ließ, daß er im abermaligen Wiederholungs- fall thaͤtlich gegen den Unfug zu Werke gehen wuͤrde; ſo unterblieb die Fortſetzung. Haͤtten lauter junge Laffen, verſchoſſene Haſen und andere Firlefanze, wie

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/156>, abgerufen am 28.03.2024.