Ich hatte bisher bei einem gewissen Schneider Klein gewohnt; nun aber quartirte ich mich zum Eberhard Busch, berühmten Bierschenken zu Gie- ßen, ein. Dies Logis war in der ganzen Stadt bekannt, und das Bier war da wenigstens so gut, als man es in Gießen haben konnte. Mein Haus- wirth war ein lustiger braver Mann, bei dem ich ausgehalten habe, bis ich von Gießen abzog.
Ohngefähr zwei Jahre vor meiner Universitäts- zeit, waren die Orden auch zu Gießen eingeführt. Diese unsinnigen Verbindungen sind eigentlich in Jena entstanden. Die Mosellaner Landmannsschaft hat zuerst dergleichen ausgebrütet. Nach und nach haben sie sich an mehreren Orten eingeschlichen, so daß schon 1778. viele deutsche Universitäten von ihnen inficiret waren, besonders Jena, Göttingen, Halle, Erlangen, Frankfurt, Gießen, Marburg, u. a. Einige Jenenser hatten den Orden der sogenanten Amicisten w), nach Gießen gebracht. Anfänglich blieb das Ding geheim: nachdem aber die Ritter, ich wollte sagen, die Herren Ordensbrüder inne wur- den, daß man in Gießen alles thun durfte; so machten sie ihre Sache publik. Sie trugen auszeich-
w)L'ordre de l'amitie auf französisch genannt: denn die Devise war: Amitie, welche durch dieses Zeichen XX (vivat Amicitia!) angezeigt wurde.
Ich hatte bisher bei einem gewiſſen Schneider Klein gewohnt; nun aber quartirte ich mich zum Eberhard Buſch, beruͤhmten Bierſchenken zu Gie- ßen, ein. Dies Logis war in der ganzen Stadt bekannt, und das Bier war da wenigſtens ſo gut, als man es in Gießen haben konnte. Mein Haus- wirth war ein luſtiger braver Mann, bei dem ich ausgehalten habe, bis ich von Gießen abzog.
Ohngefaͤhr zwei Jahre vor meiner Univerſitaͤts- zeit, waren die Orden auch zu Gießen eingefuͤhrt. Dieſe unſinnigen Verbindungen ſind eigentlich in Jena entſtanden. Die Moſellaner Landmannsſchaft hat zuerſt dergleichen ausgebruͤtet. Nach und nach haben ſie ſich an mehreren Orten eingeſchlichen, ſo daß ſchon 1778. viele deutſche Univerſitaͤten von ihnen inficiret waren, beſonders Jena, Goͤttingen, Halle, Erlangen, Frankfurt, Gießen, Marburg, u. a. Einige Jenenſer hatten den Orden der ſogenanten Amiciſten w), nach Gießen gebracht. Anfaͤnglich blieb das Ding geheim: nachdem aber die Ritter, ich wollte ſagen, die Herren Ordensbruͤder inne wur- den, daß man in Gießen alles thun durfte; ſo machten ſie ihre Sache publik. Sie trugen auszeich-
w)L'ordre de l'amitiè auf franzoͤſiſch genannt: denn die Deviſe war: Amitiè, welche durch dieſes Zeichen XX (vivat Amicitia!) angezeigt wurde.
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Ich hatte bisher bei einem gewiſſen Schneider
Klein gewohnt; nun aber quartirte ich mich zum
Eberhard Buſch, beruͤhmten Bierſchenken zu Gie-
ßen, ein. Dies Logis war in der ganzen Stadt
bekannt, und das Bier war da wenigſtens ſo gut,
als man es in Gießen haben konnte. Mein Haus-
wirth war ein luſtiger braver Mann, bei dem ich
ausgehalten habe, bis ich von Gießen abzog.
Ohngefaͤhr zwei Jahre vor meiner Univerſitaͤts-
zeit, waren die Orden auch zu Gießen eingefuͤhrt.
Dieſe unſinnigen Verbindungen ſind eigentlich in
Jena entſtanden. Die Moſellaner Landmannsſchaft
hat zuerſt dergleichen ausgebruͤtet. Nach und nach
haben ſie ſich an mehreren Orten eingeſchlichen, ſo daß
ſchon 1778. viele deutſche Univerſitaͤten von ihnen
inficiret waren, beſonders Jena, Goͤttingen, Halle,
Erlangen, Frankfurt, Gießen, Marburg, u. a.
Einige Jenenſer hatten den Orden der ſogenanten
Amiciſten w), nach Gießen gebracht. Anfaͤnglich
blieb das Ding geheim: nachdem aber die Ritter,
ich wollte ſagen, die Herren Ordensbruͤder inne wur-
den, daß man in Gießen alles thun durfte; ſo
machten ſie ihre Sache publik. Sie trugen auszeich-
w) L'ordre de l'amitiè auf franzoͤſiſch genannt: denn
die Deviſe war: Amitiè, welche durch dieſes Zeichen
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/171>, abgerufen am 25.04.2024.
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