Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Er erschrack aber nicht wenig, als er hörte, daß ich
den Lehren, welche ich sonst für gewiß zu halten
schien, jetzt geradezu widersprach, und mit Grün-
den dawider disputirte. Ich hatte nämlich nach dem
Manuale controversiarum Becani auch das Buch
von dem verstorbenen Gießer Kanzler Pfaffen:
Reponse aux douze lettres du R. P. Scheffma-
cher
gelesen, und war dadurch in den Stand gesetzt
worden, den Katholischen Kirchenplunder etwas
richtiger zu beurtheilen.

Ich fand damals Wohlgefallen an dergleichen
Kontroversen, und disputirte gern: hernach aber,
als ich in Absicht der ganzen heiligen Religion andere
Gedanken bekam, verlohr ich auch die Lust, dogma-
tische Kontroversbücher zu lesen: doch haben mir die
Histörchen dieser Katzbalgereien immer gefallen, und
gefallen mir noch.

Mein Pastor Neuner richtete also nichts bei mir
aus, und gab schon die Hoffnung halb auf, daß ich
mich jemals bekehren würde. Freilich stellte er mir
vor, daß ich nun ein haereticus formalis wäre,
und wenn ich stürbe, schlechterdins, ohne allen Par-
don schibes d. i. verloren gehen müßte.


Erster Theil. M

Er erſchrack aber nicht wenig, als er hoͤrte, daß ich
den Lehren, welche ich ſonſt fuͤr gewiß zu halten
ſchien, jetzt geradezu widerſprach, und mit Gruͤn-
den dawider diſputirte. Ich hatte naͤmlich nach dem
Manuale controverſiarum Becani auch das Buch
von dem verſtorbenen Gießer Kanzler Pfaffen:
Réponſe aux douze lettres du R. P. Scheffma-
cher
geleſen, und war dadurch in den Stand geſetzt
worden, den Katholiſchen Kirchenplunder etwas
richtiger zu beurtheilen.

Ich fand damals Wohlgefallen an dergleichen
Kontroverſen, und disputirte gern: hernach aber,
als ich in Abſicht der ganzen heiligen Religion andere
Gedanken bekam, verlohr ich auch die Luſt, dogma-
tiſche Kontroversbuͤcher zu leſen: doch haben mir die
Hiſtoͤrchen dieſer Katzbalgereien immer gefallen, und
gefallen mir noch.

Mein Paſtor Neuner richtete alſo nichts bei mir
aus, und gab ſchon die Hoffnung halb auf, daß ich
mich jemals bekehren wuͤrde. Freilich ſtellte er mir
vor, daß ich nun ein haereticus formalis waͤre,
und wenn ich ſtuͤrbe, ſchlechterdins, ohne allen Par-
don ſchibes d. i. verloren gehen muͤßte.


Erſter Theil. M
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0191" n="177"/>
Er er&#x017F;chrack aber nicht wenig, als er ho&#x0364;rte, daß ich<lb/>
den Lehren, welche ich &#x017F;on&#x017F;t fu&#x0364;r gewiß zu halten<lb/>
&#x017F;chien, jetzt geradezu wider&#x017F;prach, und mit Gru&#x0364;n-<lb/>
den dawider di&#x017F;putirte. Ich hatte na&#x0364;mlich nach dem<lb/><hi rendition="#aq">Manuale controver&#x017F;iarum Becani</hi> auch das Buch<lb/>
von dem ver&#x017F;torbenen Gießer Kanzler <hi rendition="#g">Pfaffen</hi>:<lb/><hi rendition="#aq">Répon&#x017F;e aux douze lettres du R. P. Scheffma-<lb/>
cher</hi> gele&#x017F;en, und war dadurch in den Stand ge&#x017F;etzt<lb/>
worden, den Katholi&#x017F;chen Kirchenplunder etwas<lb/>
richtiger zu beurtheilen.</p><lb/>
        <p>Ich fand damals Wohlgefallen an dergleichen<lb/>
Kontrover&#x017F;en, und disputirte gern: hernach aber,<lb/>
als ich in Ab&#x017F;icht der ganzen heiligen Religion andere<lb/>
Gedanken bekam, verlohr ich auch die Lu&#x017F;t, dogma-<lb/>
ti&#x017F;che Kontroversbu&#x0364;cher zu le&#x017F;en: doch haben mir die<lb/>
Hi&#x017F;to&#x0364;rchen die&#x017F;er Katzbalgereien immer gefallen, und<lb/>
gefallen mir noch.</p><lb/>
        <p>Mein Pa&#x017F;tor Neuner richtete al&#x017F;o nichts bei mir<lb/>
aus, und gab &#x017F;chon die Hoffnung halb auf, daß ich<lb/>
mich jemals bekehren wu&#x0364;rde. Freilich &#x017F;tellte er mir<lb/>
vor, daß ich nun ein <hi rendition="#aq">haereticus formalis</hi> wa&#x0364;re,<lb/>
und wenn ich &#x017F;tu&#x0364;rbe, &#x017F;chlechterdins, ohne allen Par-<lb/>
don &#x017F;chibes d. i. verloren gehen mu&#x0364;ßte.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. M</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[177/0191] Er erſchrack aber nicht wenig, als er hoͤrte, daß ich den Lehren, welche ich ſonſt fuͤr gewiß zu halten ſchien, jetzt geradezu widerſprach, und mit Gruͤn- den dawider diſputirte. Ich hatte naͤmlich nach dem Manuale controverſiarum Becani auch das Buch von dem verſtorbenen Gießer Kanzler Pfaffen: Réponſe aux douze lettres du R. P. Scheffma- cher geleſen, und war dadurch in den Stand geſetzt worden, den Katholiſchen Kirchenplunder etwas richtiger zu beurtheilen. Ich fand damals Wohlgefallen an dergleichen Kontroverſen, und disputirte gern: hernach aber, als ich in Abſicht der ganzen heiligen Religion andere Gedanken bekam, verlohr ich auch die Luſt, dogma- tiſche Kontroversbuͤcher zu leſen: doch haben mir die Hiſtoͤrchen dieſer Katzbalgereien immer gefallen, und gefallen mir noch. Mein Paſtor Neuner richtete alſo nichts bei mir aus, und gab ſchon die Hoffnung halb auf, daß ich mich jemals bekehren wuͤrde. Freilich ſtellte er mir vor, daß ich nun ein haereticus formalis waͤre, und wenn ich ſtuͤrbe, ſchlechterdins, ohne allen Par- don ſchibes d. i. verloren gehen muͤßte. Erſter Theil. M

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/191
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/191>, abgerufen am 25.04.2024.