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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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etwas vorzunehmen, um sich zu erheben. Nebenher
sind die Professores, wie unter dem Zuchtmeister.
Sagt einer etwas auf dem Katheder, das vielleicht
dem oder jenem geistlichen Herrn misfällt; wie ein
Blitz, ist die Sache beim Vikariat, und der Pro-
fessor hat Spectakel. Die Geschichte des ehrlichen
Isenbiehls, der sich an einer Stelle des Jesaias
vergriff, d. i. sie anders auslegte, als sie Cornelius
a Lapide oder sonst ein kontrackter Ausleger ausge-
legt hatte, ist davon, nebst dem ehrlichen Molitor,
ein derber Beweis. Der verstorbene Kurfürst schützte
die Männer gegen die Kabalen der Pfaffen; aber
der jetzige fand für gut, den Isenbiehl den 13. Dec.
1777 einzustecken, und sein Buch zu Rom von Pius
den Sechsten verdammen zu lassen. Das ist erst in
der That nur so genannte Aufklärung! Mit der
Mainzer Toleranz sieht es nicht besser aus.

In Niederolm, wo Herr Dorsch Amtsver-
walter ist, wurde vor zehn Jahren eine neue Kirche
für die dortigen Katholiken gebauet. Der Maurer,
der den Bau im Verding hatte, nahm protestantische
Gesellen dabei an. Das verdroß den Herrn Jacobi
und er forderte vom Maurer, daß er die ketzerischen
Gesellen fortjagen sollte. Der Meister that das nicht,
und Herr Dorsch, ein gescheuter Kopf, wollte sich
auch vom Pfaffen nicht bewegen lassen, den
Maurer zu einer solchen Abgeschmacktheit zu zwingen.

etwas vorzunehmen, um ſich zu erheben. Nebenher
ſind die Profeſſores, wie unter dem Zuchtmeiſter.
Sagt einer etwas auf dem Katheder, das vielleicht
dem oder jenem geiſtlichen Herrn misfaͤllt; wie ein
Blitz, iſt die Sache beim Vikariat, und der Pro-
feſſor hat Spectakel. Die Geſchichte des ehrlichen
Iſenbiehls, der ſich an einer Stelle des Jeſaias
vergriff, d. i. ſie anders auslegte, als ſie Cornelius
a Lapide oder ſonſt ein kontrackter Ausleger ausge-
legt hatte, iſt davon, nebſt dem ehrlichen Molitor,
ein derber Beweis. Der verſtorbene Kurfuͤrſt ſchuͤtzte
die Maͤnner gegen die Kabalen der Pfaffen; aber
der jetzige fand fuͤr gut, den Iſenbiehl den 13. Dec.
1777 einzuſtecken, und ſein Buch zu Rom von Pius
den Sechſten verdammen zu laſſen. Das iſt erſt in
der That nur ſo genannte Aufklaͤrung! Mit der
Mainzer Toleranz ſieht es nicht beſſer aus.

In Niederolm, wo Herr Dorſch Amtsver-
walter iſt, wurde vor zehn Jahren eine neue Kirche
fuͤr die dortigen Katholiken gebauet. Der Maurer,
der den Bau im Verding hatte, nahm proteſtantiſche
Geſellen dabei an. Das verdroß den Herrn Jacobi
und er forderte vom Maurer, daß er die ketzeriſchen
Geſellen fortjagen ſollte. Der Meiſter that das nicht,
und Herr Dorſch, ein geſcheuter Kopf, wollte ſich
auch vom Pfaffen nicht bewegen laſſen, den
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[229/0243] etwas vorzunehmen, um ſich zu erheben. Nebenher ſind die Profeſſores, wie unter dem Zuchtmeiſter. Sagt einer etwas auf dem Katheder, das vielleicht dem oder jenem geiſtlichen Herrn misfaͤllt; wie ein Blitz, iſt die Sache beim Vikariat, und der Pro- feſſor hat Spectakel. Die Geſchichte des ehrlichen Iſenbiehls, der ſich an einer Stelle des Jeſaias vergriff, d. i. ſie anders auslegte, als ſie Cornelius a Lapide oder ſonſt ein kontrackter Ausleger ausge- legt hatte, iſt davon, nebſt dem ehrlichen Molitor, ein derber Beweis. Der verſtorbene Kurfuͤrſt ſchuͤtzte die Maͤnner gegen die Kabalen der Pfaffen; aber der jetzige fand fuͤr gut, den Iſenbiehl den 13. Dec. 1777 einzuſtecken, und ſein Buch zu Rom von Pius den Sechſten verdammen zu laſſen. Das iſt erſt in der That nur ſo genannte Aufklaͤrung! Mit der Mainzer Toleranz ſieht es nicht beſſer aus. In Niederolm, wo Herr Dorſch Amtsver- walter iſt, wurde vor zehn Jahren eine neue Kirche fuͤr die dortigen Katholiken gebauet. Der Maurer, der den Bau im Verding hatte, nahm proteſtantiſche Geſellen dabei an. Das verdroß den Herrn Jacobi und er forderte vom Maurer, daß er die ketzeriſchen Geſellen fortjagen ſollte. Der Meiſter that das nicht, und Herr Dorſch, ein geſcheuter Kopf, wollte ſich auch vom Pfaffen nicht bewegen laſſen, den Maurer zu einer ſolchen Abgeſchmacktheit zu zwingen.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/243>, abgerufen am 29.03.2024.