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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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dem 6, dem 8, dem 12 Gulden schuldig, und die
Leute liessen das gern geschehen, da ich sie die drei
Jahre hindurch immer ehrlich befriedigt hatte.

Es war ohngefähr acht Tage vor Ostern, als
ich von Gießen abgieng. Da ich auf die erwähnte
Art mit Gelde versehen war, so machte ich mich in
Frankfurt ausschweifend lustig: und meine Baar-
schaft nahm zusehends ab, so daß nach Verlauf
von vier Tagen, die ich da zubrachte, nicht viel
über einen Louisd'or übrig war. Ich hatte vorher
vor lauter Lustbarkeit nicht Zeit, meine Kasse zu un-
tersuchen: denn ich war -- zu meiner Schande muß
ich dergleichen bekennen -- wenig nüchtern gewor-
den, und noch weniger von der Madam Agrikola weg-
gekommen. Ich dachte: Jetzt ists mit dem Studen-
tenleben alle -- bist nun Philister -- nach Göttin-
gen kommst du nicht: weil dein Vater dir befohlen
hat, geradesweges nach Hause zu kommen -- mußt
nun pauken (predigen), mußt dich also, da du's noch
haben kannst, noch einmal zu guter lezt recht lustig
machen. Dieser schönen Reflexion folgte ich denn
treulich nach, und lebte in Frankfurt einige Tage
das wüsteste, roheste Leben. Gott! wenn mein gu-
ter Vater mich da gesehen hätte!

Um wieder Geld zu bekommen, wendete ich
mich an einen gewissen Hrn. Gebhard, der meine
Familie kannte, und bath ihn, mich mit 18 Gul-

dem 6, dem 8, dem 12 Gulden ſchuldig, und die
Leute lieſſen das gern geſchehen, da ich ſie die drei
Jahre hindurch immer ehrlich befriedigt hatte.

Es war ohngefaͤhr acht Tage vor Oſtern, als
ich von Gießen abgieng. Da ich auf die erwaͤhnte
Art mit Gelde verſehen war, ſo machte ich mich in
Frankfurt ausſchweifend luſtig: und meine Baar-
ſchaft nahm zuſehends ab, ſo daß nach Verlauf
von vier Tagen, die ich da zubrachte, nicht viel
uͤber einen Louisd'or uͤbrig war. Ich hatte vorher
vor lauter Luſtbarkeit nicht Zeit, meine Kaſſe zu un-
terſuchen: denn ich war — zu meiner Schande muß
ich dergleichen bekennen — wenig nuͤchtern gewor-
den, und noch weniger von der Madam Agrikola weg-
gekommen. Ich dachte: Jetzt iſts mit dem Studen-
tenleben alle — biſt nun Philiſter — nach Goͤttin-
gen kommſt du nicht: weil dein Vater dir befohlen
hat, geradesweges nach Hauſe zu kommen — mußt
nun pauken (predigen), mußt dich alſo, da du's noch
haben kannſt, noch einmal zu guter lezt recht luſtig
machen. Dieſer ſchoͤnen Reflexion folgte ich denn
treulich nach, und lebte in Frankfurt einige Tage
das wuͤſteſte, roheſte Leben. Gott! wenn mein gu-
ter Vater mich da geſehen haͤtte!

Um wieder Geld zu bekommen, wendete ich
mich an einen gewiſſen Hrn. Gebhard, der meine
Familie kannte, und bath ihn, mich mit 18 Gul-

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[236/0250] dem 6, dem 8, dem 12 Gulden ſchuldig, und die Leute lieſſen das gern geſchehen, da ich ſie die drei Jahre hindurch immer ehrlich befriedigt hatte. Es war ohngefaͤhr acht Tage vor Oſtern, als ich von Gießen abgieng. Da ich auf die erwaͤhnte Art mit Gelde verſehen war, ſo machte ich mich in Frankfurt ausſchweifend luſtig: und meine Baar- ſchaft nahm zuſehends ab, ſo daß nach Verlauf von vier Tagen, die ich da zubrachte, nicht viel uͤber einen Louisd'or uͤbrig war. Ich hatte vorher vor lauter Luſtbarkeit nicht Zeit, meine Kaſſe zu un- terſuchen: denn ich war — zu meiner Schande muß ich dergleichen bekennen — wenig nuͤchtern gewor- den, und noch weniger von der Madam Agrikola weg- gekommen. Ich dachte: Jetzt iſts mit dem Studen- tenleben alle — biſt nun Philiſter — nach Goͤttin- gen kommſt du nicht: weil dein Vater dir befohlen hat, geradesweges nach Hauſe zu kommen — mußt nun pauken (predigen), mußt dich alſo, da du's noch haben kannſt, noch einmal zu guter lezt recht luſtig machen. Dieſer ſchoͤnen Reflexion folgte ich denn treulich nach, und lebte in Frankfurt einige Tage das wuͤſteſte, roheſte Leben. Gott! wenn mein gu- ter Vater mich da geſehen haͤtte! Um wieder Geld zu bekommen, wendete ich mich an einen gewiſſen Hrn. Gebhard, der meine Familie kannte, und bath ihn, mich mit 18 Gul-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/250>, abgerufen am 24.04.2024.