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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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Meine Tante nahm mich nun noch mehr, als
vorhin in Schutz: ihre Neigung zu mir hatte durch
meine lange Abwesenheit viel leiden müssen. Sie
bewies mir ihre Affenliebe bei jeder Gelegenheit jezt
dergestalt, daß ich weiter keine Rücksicht auf sie nahm,
wenn ich einen Streich vorhatte: vielmehr muste sie
oft die Hände dazu bieten. So muste sie z. B. die
Jüdin Brendel unterhalten, indeß ich in deren
Stube schlich, und Schweinsgedärme um die Scha-
bes-Ampel oder Sabbatslampe wand, worüber ein
entsetzlicher Spektakel ausbrach. Sie war es auch,
die mich lehrte, auf dem Eise glandern, und Schritt-
schuhe laufen. Diese Kunst hatte sie als Mädchen
getrieben, und suchte sie wieder hervor, um ihren
lieben Neffen darin zu unterrichten. Mein Vater
sah wohl, daß die Tante mir zu gut war; aber da
er nichts Böses, oder doch nicht viel Böses, von
mir hörte; so schwieg er, und ließ es gut seyn. Die
Mutter war vollends froh, daß ich nicht viel um sie
war, und ihre Geschäfte nicht stöhrte.

Die gute Tante war abscheulich abergläubig.
Ueberhaupt ist das Volk in der Pfalz diesem Fehler
ausserordentlich ergeben. Es giebt zwar aller Orten
Spuren von dieser Seuche; aber nirgends auffallen-
der, als in der Pfalz. Daß es dort viele tausend
Schock Teufel, Hexen, Gespenster, feurige Män-
ner -- u. s. f. giebt: daß es sich anzeigt, daß das

Meine Tante nahm mich nun noch mehr, als
vorhin in Schutz: ihre Neigung zu mir hatte durch
meine lange Abweſenheit viel leiden muͤſſen. Sie
bewies mir ihre Affenliebe bei jeder Gelegenheit jezt
dergeſtalt, daß ich weiter keine Ruͤckſicht auf ſie nahm,
wenn ich einen Streich vorhatte: vielmehr muſte ſie
oft die Haͤnde dazu bieten. So muſte ſie z. B. die
Juͤdin Brendel unterhalten, indeß ich in deren
Stube ſchlich, und Schweinsgedaͤrme um die Scha-
bes-Ampel oder Sabbatslampe wand, woruͤber ein
entſetzlicher Spektakel ausbrach. Sie war es auch,
die mich lehrte, auf dem Eiſe glandern, und Schritt-
ſchuhe laufen. Dieſe Kunſt hatte ſie als Maͤdchen
getrieben, und ſuchte ſie wieder hervor, um ihren
lieben Neffen darin zu unterrichten. Mein Vater
ſah wohl, daß die Tante mir zu gut war; aber da
er nichts Boͤſes, oder doch nicht viel Boͤſes, von
mir hoͤrte; ſo ſchwieg er, und ließ es gut ſeyn. Die
Mutter war vollends froh, daß ich nicht viel um ſie
war, und ihre Geſchaͤfte nicht ſtoͤhrte.

Die gute Tante war abſcheulich aberglaͤubig.
Ueberhaupt iſt das Volk in der Pfalz dieſem Fehler
auſſerordentlich ergeben. Es giebt zwar aller Orten
Spuren von dieſer Seuche; aber nirgends auffallen-
der, als in der Pfalz. Daß es dort viele tauſend
Schock Teufel, Hexen, Geſpenſter, feurige Maͤn-
ner — u. ſ. f. giebt: daß es ſich anzeigt, daß das

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[36/0050] Meine Tante nahm mich nun noch mehr, als vorhin in Schutz: ihre Neigung zu mir hatte durch meine lange Abweſenheit viel leiden muͤſſen. Sie bewies mir ihre Affenliebe bei jeder Gelegenheit jezt dergeſtalt, daß ich weiter keine Ruͤckſicht auf ſie nahm, wenn ich einen Streich vorhatte: vielmehr muſte ſie oft die Haͤnde dazu bieten. So muſte ſie z. B. die Juͤdin Brendel unterhalten, indeß ich in deren Stube ſchlich, und Schweinsgedaͤrme um die Scha- bes-Ampel oder Sabbatslampe wand, woruͤber ein entſetzlicher Spektakel ausbrach. Sie war es auch, die mich lehrte, auf dem Eiſe glandern, und Schritt- ſchuhe laufen. Dieſe Kunſt hatte ſie als Maͤdchen getrieben, und ſuchte ſie wieder hervor, um ihren lieben Neffen darin zu unterrichten. Mein Vater ſah wohl, daß die Tante mir zu gut war; aber da er nichts Boͤſes, oder doch nicht viel Boͤſes, von mir hoͤrte; ſo ſchwieg er, und ließ es gut ſeyn. Die Mutter war vollends froh, daß ich nicht viel um ſie war, und ihre Geſchaͤfte nicht ſtoͤhrte. Die gute Tante war abſcheulich aberglaͤubig. Ueberhaupt iſt das Volk in der Pfalz dieſem Fehler auſſerordentlich ergeben. Es giebt zwar aller Orten Spuren von dieſer Seuche; aber nirgends auffallen- der, als in der Pfalz. Daß es dort viele tauſend Schock Teufel, Hexen, Geſpenſter, feurige Maͤn- ner — u. ſ. f. giebt: daß es ſich anzeigt, daß das

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/50>, abgerufen am 16.04.2024.