selbst übernehmen; nur mein Bruder blieb unter der Disciplin des theuren Pädagogen.
Bald bemerkten wir die größten Fehler des Lehr- meisters: beinahe täglich war er berauscht, und machte auf den benachbarten Dörfern in den Schen- ken allerhand Excesse: er prügelte sich mit den Bau- ern, und lief den Menschern in den Kuhställen u.s.w. nach. Da Signor Weichselfelder viel Neigung zu dergleichen bei mir wahrnahm; so machte er mich zu seinem Vertrauten. Seine und meine Streiche blie- ben durch die Vermittelung meiner Tante, welcher er doch den Unnamen Kobold gegeben hatte, eine Zeitlang verborgen. Allein in der Länge wollte es doch nicht gehen: mein Vater erfuhr alles, filzte ihn derb aus, und da dies bei dem im Grunde verderb- ten Menschen nicht fruchten wollte; so gab er ihm den Laufzettel, und schickte mich von neuem zur Schule.
Weichselfelder ist hernach Schullehrer in Gla- denbach ohnweit Gießen geworden. Ob er noch lebe, und wo er sich jetzt herumtreibe, weiß ich nicht. Er hat zu Frankfurt am Main einen elenden Wisch ge- gen den berühmten Abt Schubert über die Wirk- samkeit der heil. Schrift herausgegeben, der aber gleich nach seiner Erscheinung auf die heimlichen Ge- mächer wandern mußte.
ſelbſt uͤbernehmen; nur mein Bruder blieb unter der Diſciplin des theuren Paͤdagogen.
Bald bemerkten wir die groͤßten Fehler des Lehr- meiſters: beinahe taͤglich war er berauſcht, und machte auf den benachbarten Doͤrfern in den Schen- ken allerhand Exceſſe: er pruͤgelte ſich mit den Bau- ern, und lief den Menſchern in den Kuhſtaͤllen u.ſ.w. nach. Da Signor Weichſelfelder viel Neigung zu dergleichen bei mir wahrnahm; ſo machte er mich zu ſeinem Vertrauten. Seine und meine Streiche blie- ben durch die Vermittelung meiner Tante, welcher er doch den Unnamen Kobold gegeben hatte, eine Zeitlang verborgen. Allein in der Laͤnge wollte es doch nicht gehen: mein Vater erfuhr alles, filzte ihn derb aus, und da dies bei dem im Grunde verderb- ten Menſchen nicht fruchten wollte; ſo gab er ihm den Laufzettel, und ſchickte mich von neuem zur Schule.
Weichſelfelder iſt hernach Schullehrer in Gla- denbach ohnweit Gießen geworden. Ob er noch lebe, und wo er ſich jetzt herumtreibe, weiß ich nicht. Er hat zu Frankfurt am Main einen elenden Wiſch ge- gen den beruͤhmten Abt Schubert uͤber die Wirk- ſamkeit der heil. Schrift herausgegeben, der aber gleich nach ſeiner Erſcheinung auf die heimlichen Ge- maͤcher wandern mußte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0058"n="44"/>ſelbſt uͤbernehmen; nur mein Bruder blieb unter der<lb/>
Diſciplin des theuren Paͤdagogen.</p><lb/><p>Bald bemerkten wir die groͤßten Fehler des Lehr-<lb/>
meiſters: beinahe taͤglich war er berauſcht, und<lb/>
machte auf den benachbarten Doͤrfern in den Schen-<lb/>
ken allerhand Exceſſe: er pruͤgelte ſich mit den Bau-<lb/>
ern, und lief den Menſchern in den Kuhſtaͤllen u.ſ.w.<lb/>
nach. Da Signor Weichſelfelder viel Neigung zu<lb/>
dergleichen bei mir wahrnahm; ſo machte er mich zu<lb/>ſeinem Vertrauten. Seine und meine Streiche blie-<lb/>
ben durch die Vermittelung meiner Tante, welcher<lb/>
er doch den Unnamen <hirendition="#g">Kobold</hi> gegeben hatte, eine<lb/>
Zeitlang verborgen. Allein in der Laͤnge wollte es<lb/>
doch nicht gehen: mein Vater erfuhr alles, filzte ihn<lb/>
derb aus, und da dies bei dem im Grunde verderb-<lb/>
ten Menſchen nicht fruchten wollte; ſo gab er ihm<lb/>
den Laufzettel, und ſchickte mich von neuem zur<lb/>
Schule.</p><lb/><p>Weichſelfelder iſt hernach Schullehrer in Gla-<lb/>
denbach ohnweit Gießen geworden. Ob er noch lebe,<lb/>
und wo er ſich jetzt herumtreibe, weiß ich nicht. Er<lb/>
hat zu Frankfurt am Main einen elenden Wiſch ge-<lb/>
gen den beruͤhmten Abt <hirendition="#g">Schubert</hi> uͤber die Wirk-<lb/>ſamkeit der heil. Schrift herausgegeben, der aber<lb/>
gleich nach ſeiner Erſcheinung auf die heimlichen Ge-<lb/>
maͤcher wandern mußte.</p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[44/0058]
ſelbſt uͤbernehmen; nur mein Bruder blieb unter der
Diſciplin des theuren Paͤdagogen.
Bald bemerkten wir die groͤßten Fehler des Lehr-
meiſters: beinahe taͤglich war er berauſcht, und
machte auf den benachbarten Doͤrfern in den Schen-
ken allerhand Exceſſe: er pruͤgelte ſich mit den Bau-
ern, und lief den Menſchern in den Kuhſtaͤllen u.ſ.w.
nach. Da Signor Weichſelfelder viel Neigung zu
dergleichen bei mir wahrnahm; ſo machte er mich zu
ſeinem Vertrauten. Seine und meine Streiche blie-
ben durch die Vermittelung meiner Tante, welcher
er doch den Unnamen Kobold gegeben hatte, eine
Zeitlang verborgen. Allein in der Laͤnge wollte es
doch nicht gehen: mein Vater erfuhr alles, filzte ihn
derb aus, und da dies bei dem im Grunde verderb-
ten Menſchen nicht fruchten wollte; ſo gab er ihm
den Laufzettel, und ſchickte mich von neuem zur
Schule.
Weichſelfelder iſt hernach Schullehrer in Gla-
denbach ohnweit Gießen geworden. Ob er noch lebe,
und wo er ſich jetzt herumtreibe, weiß ich nicht. Er
hat zu Frankfurt am Main einen elenden Wiſch ge-
gen den beruͤhmten Abt Schubert uͤber die Wirk-
ſamkeit der heil. Schrift herausgegeben, der aber
gleich nach ſeiner Erſcheinung auf die heimlichen Ge-
maͤcher wandern mußte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/58>, abgerufen am 19.04.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.