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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792.

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selbst übernehmen; nur mein Bruder blieb unter der
Disciplin des theuren Pädagogen.

Bald bemerkten wir die größten Fehler des Lehr-
meisters: beinahe täglich war er berauscht, und
machte auf den benachbarten Dörfern in den Schen-
ken allerhand Excesse: er prügelte sich mit den Bau-
ern, und lief den Menschern in den Kuhställen u.s.w.
nach. Da Signor Weichselfelder viel Neigung zu
dergleichen bei mir wahrnahm; so machte er mich zu
seinem Vertrauten. Seine und meine Streiche blie-
ben durch die Vermittelung meiner Tante, welcher
er doch den Unnamen Kobold gegeben hatte, eine
Zeitlang verborgen. Allein in der Länge wollte es
doch nicht gehen: mein Vater erfuhr alles, filzte ihn
derb aus, und da dies bei dem im Grunde verderb-
ten Menschen nicht fruchten wollte; so gab er ihm
den Laufzettel, und schickte mich von neuem zur
Schule.

Weichselfelder ist hernach Schullehrer in Gla-
denbach ohnweit Gießen geworden. Ob er noch lebe,
und wo er sich jetzt herumtreibe, weiß ich nicht. Er
hat zu Frankfurt am Main einen elenden Wisch ge-
gen den berühmten Abt Schubert über die Wirk-
samkeit der heil. Schrift herausgegeben, der aber
gleich nach seiner Erscheinung auf die heimlichen Ge-
mächer wandern mußte.



ſelbſt uͤbernehmen; nur mein Bruder blieb unter der
Diſciplin des theuren Paͤdagogen.

Bald bemerkten wir die groͤßten Fehler des Lehr-
meiſters: beinahe taͤglich war er berauſcht, und
machte auf den benachbarten Doͤrfern in den Schen-
ken allerhand Exceſſe: er pruͤgelte ſich mit den Bau-
ern, und lief den Menſchern in den Kuhſtaͤllen u.ſ.w.
nach. Da Signor Weichſelfelder viel Neigung zu
dergleichen bei mir wahrnahm; ſo machte er mich zu
ſeinem Vertrauten. Seine und meine Streiche blie-
ben durch die Vermittelung meiner Tante, welcher
er doch den Unnamen Kobold gegeben hatte, eine
Zeitlang verborgen. Allein in der Laͤnge wollte es
doch nicht gehen: mein Vater erfuhr alles, filzte ihn
derb aus, und da dies bei dem im Grunde verderb-
ten Menſchen nicht fruchten wollte; ſo gab er ihm
den Laufzettel, und ſchickte mich von neuem zur
Schule.

Weichſelfelder iſt hernach Schullehrer in Gla-
denbach ohnweit Gießen geworden. Ob er noch lebe,
und wo er ſich jetzt herumtreibe, weiß ich nicht. Er
hat zu Frankfurt am Main einen elenden Wiſch ge-
gen den beruͤhmten Abt Schubert uͤber die Wirk-
ſamkeit der heil. Schrift herausgegeben, der aber
gleich nach ſeiner Erſcheinung auf die heimlichen Ge-
maͤcher wandern mußte.



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[44/0058] ſelbſt uͤbernehmen; nur mein Bruder blieb unter der Diſciplin des theuren Paͤdagogen. Bald bemerkten wir die groͤßten Fehler des Lehr- meiſters: beinahe taͤglich war er berauſcht, und machte auf den benachbarten Doͤrfern in den Schen- ken allerhand Exceſſe: er pruͤgelte ſich mit den Bau- ern, und lief den Menſchern in den Kuhſtaͤllen u.ſ.w. nach. Da Signor Weichſelfelder viel Neigung zu dergleichen bei mir wahrnahm; ſo machte er mich zu ſeinem Vertrauten. Seine und meine Streiche blie- ben durch die Vermittelung meiner Tante, welcher er doch den Unnamen Kobold gegeben hatte, eine Zeitlang verborgen. Allein in der Laͤnge wollte es doch nicht gehen: mein Vater erfuhr alles, filzte ihn derb aus, und da dies bei dem im Grunde verderb- ten Menſchen nicht fruchten wollte; ſo gab er ihm den Laufzettel, und ſchickte mich von neuem zur Schule. Weichſelfelder iſt hernach Schullehrer in Gla- denbach ohnweit Gießen geworden. Ob er noch lebe, und wo er ſich jetzt herumtreibe, weiß ich nicht. Er hat zu Frankfurt am Main einen elenden Wiſch ge- gen den beruͤhmten Abt Schubert uͤber die Wirk- ſamkeit der heil. Schrift herausgegeben, der aber gleich nach ſeiner Erſcheinung auf die heimlichen Ge- maͤcher wandern mußte.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 1. Halle, 1792, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben01_1792/58>, abgerufen am 19.04.2024.