Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich ließ mich frisiren, und lief sodann sporen-
streichs zur Christmette um 6 Uhr: aus der Christ-
mette lief ich, ohne zu wissen wohin, zum Thor
hinaus, zu dem Wirthe in den Pulverweiden. Ich
forderte Breuhan; und die guten Leute wunderten
sich, daß ich schon so früh Breuhan trinken wollte.
Hier saß ich nun fast drei Stunden, ehe ich recht
zu mir kam, und untersuchte meine Empfindungen.
Die gestrige Lustigkeit der Gnoten und der Soldaten
kam mir zuerst wieder in den Sinn, und da hob sich
denn der Gedanke aus dem Gewühl der verwirrten
Vorstellungen heraus: es wäre doch hübsch für dich,
wenn du Soldat würdest m)!

Dieser Gedanke schüttelte mich anfänglich frei-
lich gewaltig zusammen, kam aber immer wieder,
und wieder, und ich ward endlich mit ihm vertrau-
ter. Das war alles noch bloße Vorstellung; aber
von nun an kam auch Ueberlegung dazu. Wenn du
Soldat wirst, dachte ich, so bist du auf einmal von
den hallischen Manichäern los: dann bist du auch an

m) Daß ich den Soldatenstand jenem der Gnoten vor-
zog, war, unter andern mit, wohl eine Folge von
den Schimpfnamen- womit der Herr Student den
Bürgerstand zu bezeichnen pflegt. Bürgerlich intole-
rant; ist dies doch, beim Lichte betrachtet, immer: aber
wer achtet auf Kinderei! Und doch hat ein Minimum
von der Art Kinderei oft Folgen, wie hier. --

Ich ließ mich friſiren, und lief ſodann ſporen-
ſtreichs zur Chriſtmette um 6 Uhr: aus der Chriſt-
mette lief ich, ohne zu wiſſen wohin, zum Thor
hinaus, zu dem Wirthe in den Pulverweiden. Ich
forderte Breuhan; und die guten Leute wunderten
ſich, daß ich ſchon ſo fruͤh Breuhan trinken wollte.
Hier ſaß ich nun faſt drei Stunden, ehe ich recht
zu mir kam, und unterſuchte meine Empfindungen.
Die geſtrige Luſtigkeit der Gnoten und der Soldaten
kam mir zuerſt wieder in den Sinn, und da hob ſich
denn der Gedanke aus dem Gewuͤhl der verwirrten
Vorſtellungen heraus: es waͤre doch huͤbſch fuͤr dich,
wenn du Soldat wuͤrdeſt m)!

Dieſer Gedanke ſchuͤttelte mich anfaͤnglich frei-
lich gewaltig zuſammen, kam aber immer wieder,
und wieder, und ich ward endlich mit ihm vertrau-
ter. Das war alles noch bloße Vorſtellung; aber
von nun an kam auch Ueberlegung dazu. Wenn du
Soldat wirſt, dachte ich, ſo biſt du auf einmal von
den halliſchen Manichaͤern los: dann biſt du auch an

m) Daß ich den Soldatenſtand jenem der Gnoten vor-
zog, war, unter andern mit, wohl eine Folge von
den Schimpfnamen- womit der Herr Student den
Buͤrgerſtand zu bezeichnen pflegt. Buͤrgerlich intole-
rant; iſt dies doch, beim Lichte betrachtet, immer: aber
wer achtet auf Kinderei! Und doch hat ein Minimum
von der Art Kinderei oft Folgen, wie hier. —
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0244" n="232[242]"/>
        <p>Ich ließ mich fri&#x017F;iren, und lief &#x017F;odann &#x017F;poren-<lb/>
&#x017F;treichs zur Chri&#x017F;tmette um 6 Uhr: aus der Chri&#x017F;t-<lb/>
mette lief ich, ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en wohin, zum Thor<lb/>
hinaus, zu dem Wirthe in den Pulverweiden. Ich<lb/>
forderte Breuhan; und die guten Leute wunderten<lb/>
&#x017F;ich, daß ich &#x017F;chon &#x017F;o fru&#x0364;h Breuhan trinken wollte.<lb/>
Hier &#x017F;aß ich nun fa&#x017F;t drei Stunden, ehe ich recht<lb/>
zu mir kam, und unter&#x017F;uchte meine Empfindungen.<lb/>
Die ge&#x017F;trige Lu&#x017F;tigkeit der Gnoten und der Soldaten<lb/>
kam mir zuer&#x017F;t wieder in den Sinn, und da hob &#x017F;ich<lb/>
denn der Gedanke aus dem Gewu&#x0364;hl der verwirrten<lb/>
Vor&#x017F;tellungen heraus: es wa&#x0364;re doch hu&#x0364;b&#x017F;ch fu&#x0364;r dich,<lb/>
wenn du Soldat wu&#x0364;rde&#x017F;t <note place="foot" n="m)">Daß ich den Soldaten&#x017F;tand jenem der <hi rendition="#g">Gnoten</hi> vor-<lb/>
zog, war, unter andern mit, wohl eine Folge von<lb/>
den Schimpfnamen- womit der Herr Student den<lb/>
Bu&#x0364;rger&#x017F;tand zu bezeichnen pflegt. Bu&#x0364;rgerlich intole-<lb/>
rant; i&#x017F;t dies doch, beim Lichte betrachtet, immer: aber<lb/>
wer achtet auf Kinderei! Und doch hat ein Minimum<lb/>
von der Art Kinderei oft Folgen, wie hier. &#x2014;</note>!</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er Gedanke &#x017F;chu&#x0364;ttelte mich anfa&#x0364;nglich frei-<lb/>
lich gewaltig zu&#x017F;ammen, kam aber immer wieder,<lb/>
und wieder, und ich ward endlich mit ihm vertrau-<lb/>
ter. Das war alles noch bloße Vor&#x017F;tellung; aber<lb/>
von nun an kam auch Ueberlegung dazu. Wenn du<lb/>
Soldat wir&#x017F;t, dachte ich, &#x017F;o bi&#x017F;t du auf einmal von<lb/>
den halli&#x017F;chen Manicha&#x0364;ern los: dann bi&#x017F;t du auch an<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232[242]/0244] Ich ließ mich friſiren, und lief ſodann ſporen- ſtreichs zur Chriſtmette um 6 Uhr: aus der Chriſt- mette lief ich, ohne zu wiſſen wohin, zum Thor hinaus, zu dem Wirthe in den Pulverweiden. Ich forderte Breuhan; und die guten Leute wunderten ſich, daß ich ſchon ſo fruͤh Breuhan trinken wollte. Hier ſaß ich nun faſt drei Stunden, ehe ich recht zu mir kam, und unterſuchte meine Empfindungen. Die geſtrige Luſtigkeit der Gnoten und der Soldaten kam mir zuerſt wieder in den Sinn, und da hob ſich denn der Gedanke aus dem Gewuͤhl der verwirrten Vorſtellungen heraus: es waͤre doch huͤbſch fuͤr dich, wenn du Soldat wuͤrdeſt m)! Dieſer Gedanke ſchuͤttelte mich anfaͤnglich frei- lich gewaltig zuſammen, kam aber immer wieder, und wieder, und ich ward endlich mit ihm vertrau- ter. Das war alles noch bloße Vorſtellung; aber von nun an kam auch Ueberlegung dazu. Wenn du Soldat wirſt, dachte ich, ſo biſt du auf einmal von den halliſchen Manichaͤern los: dann biſt du auch an m) Daß ich den Soldatenſtand jenem der Gnoten vor- zog, war, unter andern mit, wohl eine Folge von den Schimpfnamen- womit der Herr Student den Buͤrgerſtand zu bezeichnen pflegt. Buͤrgerlich intole- rant; iſt dies doch, beim Lichte betrachtet, immer: aber wer achtet auf Kinderei! Und doch hat ein Minimum von der Art Kinderei oft Folgen, wie hier. —

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/244
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 232[242]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/244>, abgerufen am 29.03.2024.