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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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praktisch und nicht mysteriös, nicht hyperphysisch:
und wer würde es verschmähen -- hoch oder nie-
drig, gelehrt oder ungelehrt -- sich von einem gesez-
ten, sachkundigen Mann über moralische Angelegen-
heiten ein stündchenlang gemeinschaftlich unterhalten
zu lassen? -- So machte es größtentheils Herr
Tiede, jezt Inspector zu Liegnitz. Dieser ehrwür-
dige Mann verband mit einem gemeinnützigen und
leicht faßlichen Vortrag den schönsten Ausdruck in
Worten und Gebährden: und seine Kirche war im-
mer voll. Allein mancher Herr würde keine oder doch
nur wenige Zuhörer haben, wenn ihm nicht ein Hau-
fen gezwungener Menschen zuhören müßte. Freilich
stiften dieser Art Herren heilige Reden von der Erge-
bung in den Willen Gottes -- von den Aussichten
in die Ewigkeit und andern dergleichen Siebensachen
blutwenig Nutzen; aber sie haben doch ein zahlreiches
Auditorium, und daran haben sie genug. --

Zwei und dreißigstes Kapitel.

Herr Bispink. Kryptokatholizismus. Proselyterei. Almä-
lige Besserung von meiner Seite. Verlust meines
Stadt-Urlaubs.



Im Jahre 1787 kam ich in nähere Bekanntschaft
mit einem Mann, der hernach mein beßter Freund

praktiſch und nicht myſterioͤs, nicht hyperphyſiſch:
und wer wuͤrde es verſchmaͤhen — hoch oder nie-
drig, gelehrt oder ungelehrt — ſich von einem geſez-
ten, ſachkundigen Mann uͤber moraliſche Angelegen-
heiten ein ſtuͤndchenlang gemeinſchaftlich unterhalten
zu laſſen? — So machte es groͤßtentheils Herr
Tiede, jezt Inſpector zu Liegnitz. Dieſer ehrwuͤr-
dige Mann verband mit einem gemeinnuͤtzigen und
leicht faßlichen Vortrag den ſchoͤnſten Ausdruck in
Worten und Gebaͤhrden: und ſeine Kirche war im-
mer voll. Allein mancher Herr wuͤrde keine oder doch
nur wenige Zuhoͤrer haben, wenn ihm nicht ein Hau-
fen gezwungener Menſchen zuhoͤren muͤßte. Freilich
ſtiften dieſer Art Herren heilige Reden von der Erge-
bung in den Willen Gottes — von den Ausſichten
in die Ewigkeit und andern dergleichen Siebenſachen
blutwenig Nutzen; aber ſie haben doch ein zahlreiches
Auditorium, und daran haben ſie genug. —

Zwei und dreißigſtes Kapitel.

Herr Bispink. Kryptokatholizismus. Proſelyterei. Almaͤ-
lige Beſſerung von meiner Seite. Verluſt meines
Stadt-Urlaubs.



Im Jahre 1787 kam ich in naͤhere Bekanntſchaft
mit einem Mann, der hernach mein beßter Freund

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[370[372]/0374] praktiſch und nicht myſterioͤs, nicht hyperphyſiſch: und wer wuͤrde es verſchmaͤhen — hoch oder nie- drig, gelehrt oder ungelehrt — ſich von einem geſez- ten, ſachkundigen Mann uͤber moraliſche Angelegen- heiten ein ſtuͤndchenlang gemeinſchaftlich unterhalten zu laſſen? — So machte es groͤßtentheils Herr Tiede, jezt Inſpector zu Liegnitz. Dieſer ehrwuͤr- dige Mann verband mit einem gemeinnuͤtzigen und leicht faßlichen Vortrag den ſchoͤnſten Ausdruck in Worten und Gebaͤhrden: und ſeine Kirche war im- mer voll. Allein mancher Herr wuͤrde keine oder doch nur wenige Zuhoͤrer haben, wenn ihm nicht ein Hau- fen gezwungener Menſchen zuhoͤren muͤßte. Freilich ſtiften dieſer Art Herren heilige Reden von der Erge- bung in den Willen Gottes — von den Ausſichten in die Ewigkeit und andern dergleichen Siebenſachen blutwenig Nutzen; aber ſie haben doch ein zahlreiches Auditorium, und daran haben ſie genug. — Zwei und dreißigſtes Kapitel. Herr Bispink. Kryptokatholizismus. Proſelyterei. Almaͤ- lige Beſſerung von meiner Seite. Verluſt meines Stadt-Urlaubs. Im Jahre 1787 kam ich in naͤhere Bekanntſchaft mit einem Mann, der hernach mein beßter Freund

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 370[372]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/374>, abgerufen am 28.03.2024.