Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite
Drey und vierzigstes Kapitel.

Von der Freyheit und Gleichheit der Franzosen.



Da ich abermals auf den Patriotismus in Frank-
reich gefallen bin, so denke ich, daß man es zu
gute halten wird, wenn ich meine Gedanken, oder
vielmehr die Vorstellungen aller vernünftigen
Franzosen von Freyheit und Gleichheit hier
koncentrirt mittheile. Ich habe mich über diesen
überaus wichtigen Gegenstand mit einsichtigen
Franzosen sehr oft unterhalten, und glaube, ihr
System darüber so ziemlich gefaßt zu haben. Eben
darum ist es mir sehr sonderbar vorgekommen, als
ich hernach, bey meiner Zurückkunft nach Deutsch-
land, das elende Gesudel so manches politischen
Kanngießers über Freyheit und besonders über
Gleichheit der Franzosen zu Gesichte bekam.

Es giebt durchaus keine natürliche Freyheit:
denn der Mensch ist im Stande der Natur ein Bar-
bar, ein Ding, das mehr dem Viehe, als einem
vernünftigen Wesen ähnlich sieht; und seine Spon-
taneität verdient den Namen Freyheit gar nicht.

Drey und vierzigſtes Kapitel.

Von der Freyheit und Gleichheit der Franzoſen.



Da ich abermals auf den Patriotismus in Frank-
reich gefallen bin, ſo denke ich, daß man es zu
gute halten wird, wenn ich meine Gedanken, oder
vielmehr die Vorſtellungen aller vernuͤnftigen
Franzoſen von Freyheit und Gleichheit hier
koncentrirt mittheile. Ich habe mich uͤber dieſen
uͤberaus wichtigen Gegenſtand mit einſichtigen
Franzoſen ſehr oft unterhalten, und glaube, ihr
Syſtem daruͤber ſo ziemlich gefaßt zu haben. Eben
darum iſt es mir ſehr ſonderbar vorgekommen, als
ich hernach, bey meiner Zuruͤckkunft nach Deutſch-
land, das elende Geſudel ſo manches politiſchen
Kanngießers uͤber Freyheit und beſonders uͤber
Gleichheit der Franzoſen zu Geſichte bekam.

Es giebt durchaus keine natuͤrliche Freyheit:
denn der Menſch iſt im Stande der Natur ein Bar-
bar, ein Ding, das mehr dem Viehe, als einem
vernuͤnftigen Weſen aͤhnlich ſieht; und ſeine Spon-
taneitaͤt verdient den Namen Freyheit gar nicht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0087" n="83"/>
      <div n="1">
        <head>Drey und vierzig&#x017F;tes Kapitel.</head><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Von der Freyheit und Gleichheit der Franzo&#x017F;en</hi>.</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>a ich abermals auf den Patriotismus in Frank-<lb/>
reich gefallen bin, &#x017F;o denke ich, daß man es zu<lb/>
gute halten wird, wenn ich meine Gedanken, oder<lb/>
vielmehr die Vor&#x017F;tellungen aller vernu&#x0364;nftigen<lb/>
Franzo&#x017F;en von <hi rendition="#g">Freyheit</hi> und <hi rendition="#g">Gleichheit</hi> hier<lb/>
koncentrirt mittheile. Ich habe mich u&#x0364;ber die&#x017F;en<lb/>
u&#x0364;beraus wichtigen Gegen&#x017F;tand mit ein&#x017F;ichtigen<lb/>
Franzo&#x017F;en &#x017F;ehr oft unterhalten, und glaube, ihr<lb/>
Sy&#x017F;tem daru&#x0364;ber &#x017F;o ziemlich gefaßt zu haben. Eben<lb/>
darum i&#x017F;t es mir &#x017F;ehr &#x017F;onderbar vorgekommen, als<lb/>
ich hernach, bey meiner Zuru&#x0364;ckkunft nach Deut&#x017F;ch-<lb/>
land, das elende Ge&#x017F;udel &#x017F;o manches politi&#x017F;chen<lb/>
Kanngießers u&#x0364;ber Freyheit und be&#x017F;onders u&#x0364;ber<lb/>
Gleichheit der Franzo&#x017F;en zu Ge&#x017F;ichte bekam.</p><lb/>
        <p>Es giebt durchaus keine natu&#x0364;rliche Freyheit:<lb/>
denn der Men&#x017F;ch i&#x017F;t im Stande der Natur ein Bar-<lb/>
bar, ein Ding, das mehr dem Viehe, als einem<lb/>
vernu&#x0364;nftigen We&#x017F;en a&#x0364;hnlich &#x017F;ieht; und &#x017F;eine Spon-<lb/>
taneita&#x0364;t verdient den Namen Freyheit gar nicht.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0087] Drey und vierzigſtes Kapitel. Von der Freyheit und Gleichheit der Franzoſen. Da ich abermals auf den Patriotismus in Frank- reich gefallen bin, ſo denke ich, daß man es zu gute halten wird, wenn ich meine Gedanken, oder vielmehr die Vorſtellungen aller vernuͤnftigen Franzoſen von Freyheit und Gleichheit hier koncentrirt mittheile. Ich habe mich uͤber dieſen uͤberaus wichtigen Gegenſtand mit einſichtigen Franzoſen ſehr oft unterhalten, und glaube, ihr Syſtem daruͤber ſo ziemlich gefaßt zu haben. Eben darum iſt es mir ſehr ſonderbar vorgekommen, als ich hernach, bey meiner Zuruͤckkunft nach Deutſch- land, das elende Geſudel ſo manches politiſchen Kanngießers uͤber Freyheit und beſonders uͤber Gleichheit der Franzoſen zu Geſichte bekam. Es giebt durchaus keine natuͤrliche Freyheit: denn der Menſch iſt im Stande der Natur ein Bar- bar, ein Ding, das mehr dem Viehe, als einem vernuͤnftigen Weſen aͤhnlich ſieht; und ſeine Spon- taneitaͤt verdient den Namen Freyheit gar nicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/87
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/87>, abgerufen am 29.03.2024.