Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

auch vom Waisenhause geschaßt wurde: denn
vom Waisenhaus schaßt man, wahrscheinlich
wegen der großen Schnelligkeit, womit der Ver-
wiesene sich entfernen muß. Nun gings ihm trüb-
selig in seiner Oekonomie, und er war oft gezwun-
gen, Gesellschaften zu suchen, welche ihn frey hiel-
ten. Die Studenten hatten endlich ihren vollkom-
menen Spott mit ihm, und wo er sich blicken ließ,
schallte es aus allen Fenstern und das in den lä-
cherlichsten Tonarten: Herr von Briesen, Herr
von Briesen! Kam er mit Studenten zusammen,
so wurde er unbarmherzig geneckt, allerley Ver-
brechen beschuldigt und nach einer komischen Un-
tersuchung zu den lächerlichsten Strafen verdammt,
die dann auch oftmals exequirt worden. *) Nach-
dem er sich nicht mehr fortzubringen wußte, ver-
ließ er Halle, und bald hernach kam das Gerücht,
Briesen sey, ich weiß nicht, wo, ins Wasser ge-

*) Einst wurde er im Hirsch zu einer Strafe condemnirt, wel-
che doch nicht wohl hatte ausgeübt werden können. Er sollte
nämlich kombabusirt werden. Ein lustiger Bruder machte
auf diese Posse folgendes Distichon:
Pendent de furca Brisi genitalia: namque
Fecerat, infandum! stupra nefanda Brisus.
Ich tadelte diese Verse, weil die erste Sylbe in Brisus
lang und kurz gebraucht sey; aber Herr von Brisen nahm sich
der Verse selbst an und vertheidigte sie.

auch vom Waiſenhauſe geſchaßt wurde: denn
vom Waiſenhaus ſchaßt man, wahrſcheinlich
wegen der großen Schnelligkeit, womit der Ver-
wieſene ſich entfernen muß. Nun gings ihm truͤb-
ſelig in ſeiner Oekonomie, und er war oft gezwun-
gen, Geſellſchaften zu ſuchen, welche ihn frey hiel-
ten. Die Studenten hatten endlich ihren vollkom-
menen Spott mit ihm, und wo er ſich blicken ließ,
ſchallte es aus allen Fenſtern und das in den laͤ-
cherlichſten Tonarten: Herr von Brieſen, Herr
von Brieſen! Kam er mit Studenten zuſammen,
ſo wurde er unbarmherzig geneckt, allerley Ver-
brechen beſchuldigt und nach einer komiſchen Un-
terſuchung zu den laͤcherlichſten Strafen verdammt,
die dann auch oftmals exequirt worden. *) Nach-
dem er ſich nicht mehr fortzubringen wußte, ver-
ließ er Halle, und bald hernach kam das Geruͤcht,
Brieſen ſey, ich weiß nicht, wo, ins Waſſer ge-

*) Einſt wurde er im Hirſch zu einer Strafe condemnirt, wel-
che doch nicht wohl hatte ausgeuͤbt werden koͤnnen. Er ſollte
naͤmlich kombabuſirt werden. Ein luſtiger Bruder machte
auf dieſe Poſſe folgendes Diſtichon:
Pendent de furca Briſi genitalia: namque
Fecerat, infandum! ſtupra nefanda Briſus.
Ich tadelte dieſe Verſe, weil die erſte Sylbe in Briſus
lang und kurz gebraucht ſey; aber Herr von Briſen nahm ſich
der Verſe ſelbſt an und vertheidigte ſie.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0102" n="94"/>
auch vom Wai&#x017F;enhau&#x017F;e <hi rendition="#g">ge&#x017F;chaßt</hi> wurde: denn<lb/>
vom Wai&#x017F;enhaus <hi rendition="#g">&#x017F;chaßt</hi> man, wahr&#x017F;cheinlich<lb/>
wegen der großen Schnelligkeit, womit der Ver-<lb/>
wie&#x017F;ene &#x017F;ich entfernen muß. Nun gings ihm tru&#x0364;b-<lb/>
&#x017F;elig in &#x017F;einer Oekonomie, und er war oft gezwun-<lb/>
gen, Ge&#x017F;ell&#x017F;chaften zu &#x017F;uchen, welche ihn frey hiel-<lb/>
ten. Die Studenten hatten endlich ihren vollkom-<lb/>
menen Spott mit ihm, und wo er &#x017F;ich blicken ließ,<lb/>
&#x017F;challte es aus allen Fen&#x017F;tern und das in den la&#x0364;-<lb/>
cherlich&#x017F;ten Tonarten: Herr von Brie&#x017F;en, Herr<lb/>
von Brie&#x017F;en! Kam er mit Studenten zu&#x017F;ammen,<lb/>
&#x017F;o wurde er unbarmherzig geneckt, allerley Ver-<lb/>
brechen be&#x017F;chuldigt und nach einer komi&#x017F;chen Un-<lb/>
ter&#x017F;uchung zu den la&#x0364;cherlich&#x017F;ten Strafen verdammt,<lb/>
die dann auch oftmals exequirt worden. <note place="foot" n="*)">Ein&#x017F;t wurde er im Hir&#x017F;ch zu einer Strafe condemnirt, wel-<lb/>
che doch nicht wohl hatte ausgeu&#x0364;bt werden ko&#x0364;nnen. Er &#x017F;ollte<lb/>
na&#x0364;mlich kombabu&#x017F;irt werden. Ein lu&#x017F;tiger Bruder machte<lb/>
auf die&#x017F;e Po&#x017F;&#x017F;e folgendes Di&#x017F;tichon:<lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Pendent de furca Bri&#x017F;i genitalia: namque</hi></hi></l><lb/><l><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Fecerat, infandum! &#x017F;tupra nefanda Bri&#x017F;us.</hi></hi></l></lg><lb/>
Ich tadelte die&#x017F;e Ver&#x017F;e, weil die er&#x017F;te Sylbe in Bri&#x017F;us<lb/>
lang und kurz gebraucht &#x017F;ey; aber Herr von Bri&#x017F;en nahm &#x017F;ich<lb/>
der Ver&#x017F;e &#x017F;elb&#x017F;t an und vertheidigte &#x017F;ie.</note> Nach-<lb/>
dem er &#x017F;ich nicht mehr fortzubringen wußte, ver-<lb/>
ließ er Halle, und bald hernach kam das Geru&#x0364;cht,<lb/>
Brie&#x017F;en &#x017F;ey, ich weiß nicht, wo, ins Wa&#x017F;&#x017F;er ge-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0102] auch vom Waiſenhauſe geſchaßt wurde: denn vom Waiſenhaus ſchaßt man, wahrſcheinlich wegen der großen Schnelligkeit, womit der Ver- wieſene ſich entfernen muß. Nun gings ihm truͤb- ſelig in ſeiner Oekonomie, und er war oft gezwun- gen, Geſellſchaften zu ſuchen, welche ihn frey hiel- ten. Die Studenten hatten endlich ihren vollkom- menen Spott mit ihm, und wo er ſich blicken ließ, ſchallte es aus allen Fenſtern und das in den laͤ- cherlichſten Tonarten: Herr von Brieſen, Herr von Brieſen! Kam er mit Studenten zuſammen, ſo wurde er unbarmherzig geneckt, allerley Ver- brechen beſchuldigt und nach einer komiſchen Un- terſuchung zu den laͤcherlichſten Strafen verdammt, die dann auch oftmals exequirt worden. *) Nach- dem er ſich nicht mehr fortzubringen wußte, ver- ließ er Halle, und bald hernach kam das Geruͤcht, Brieſen ſey, ich weiß nicht, wo, ins Waſſer ge- *) Einſt wurde er im Hirſch zu einer Strafe condemnirt, wel- che doch nicht wohl hatte ausgeuͤbt werden koͤnnen. Er ſollte naͤmlich kombabuſirt werden. Ein luſtiger Bruder machte auf dieſe Poſſe folgendes Diſtichon: Pendent de furca Briſi genitalia: namque Fecerat, infandum! ſtupra nefanda Briſus. Ich tadelte dieſe Verſe, weil die erſte Sylbe in Briſus lang und kurz gebraucht ſey; aber Herr von Briſen nahm ſich der Verſe ſelbſt an und vertheidigte ſie.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/102
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/102>, abgerufen am 24.04.2024.