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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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logische Studium sezte er auch in Halle fort: al-
lein aus guten Gründen verließ er es, und diese wa-
ren, wie er mir selbst gestand, folgende. Er hatte bey
dem sehr bornirten Unterricht auf der Schule zu
Fulda keine Gelegenheit gehabt, die morgenländi-
schen Sprachen zu lernen, und war selbst im Grie-
chischen eben kein Hexenmeister geworden. Nun
hätte ihn zwar der Mangel an diesen Kenntnissen
nicht hindern können, Theologie zu studieren, wenn
er den gewöhnlichen Gang hätte mitmachen wollen:
denn viele unsrer Herren werden ja auch Theolo-
gen, ohne Hebräisch lesen oder Time dekliniren zu
können. Aber Herr Stemmert dachte anders, und
war überzeugt, daß ohne eine gründliche Kennt-
niß der Bibelsprachen das ganze theologische Stu-
dium ein bodenloses Ding sey: er hatte nicht Lust,
sich mit dem Kametz Chatubh abzugeben, und ließ
daher auch die Theologie. Dann bewog ihn hier-
zu auch noch die eigentliche Beschaffenheit die-
ses Studiums. Er meynte, die ganze Theologie
sey eine bloß menschliche Erfindung, welche bloß
ihres erdichteten höhern Ursprungs wegen ehrwür-
dig aussähe, aber bey jeder nähern Untersuchung
und Beleuchtung dahin stürzte. Dieß sey die Na-
tur jeder Theologie, der heidnischen, jüdischen und
christlichen, und in der christlichen sey die prote-
stantische der katholischen so ähnlich wie ein Ey dem

logiſche Studium ſezte er auch in Halle fort: al-
lein aus guten Gruͤnden verließ er es, und dieſe wa-
ren, wie er mir ſelbſt geſtand, folgende. Er hatte bey
dem ſehr bornirten Unterricht auf der Schule zu
Fulda keine Gelegenheit gehabt, die morgenlaͤndi-
ſchen Sprachen zu lernen, und war ſelbſt im Grie-
chiſchen eben kein Hexenmeiſter geworden. Nun
haͤtte ihn zwar der Mangel an dieſen Kenntniſſen
nicht hindern koͤnnen, Theologie zu ſtudieren, wenn
er den gewoͤhnlichen Gang haͤtte mitmachen wollen:
denn viele unſrer Herren werden ja auch Theolo-
gen, ohne Hebraͤiſch leſen oder Time dekliniren zu
koͤnnen. Aber Herr Stemmert dachte anders, und
war uͤberzeugt, daß ohne eine gruͤndliche Kennt-
niß der Bibelſprachen das ganze theologiſche Stu-
dium ein bodenloſes Ding ſey: er hatte nicht Luſt,
ſich mit dem Kametz Chatubh abzugeben, und ließ
daher auch die Theologie. Dann bewog ihn hier-
zu auch noch die eigentliche Beſchaffenheit die-
ſes Studiums. Er meynte, die ganze Theologie
ſey eine bloß menſchliche Erfindung, welche bloß
ihres erdichteten hoͤhern Urſprungs wegen ehrwuͤr-
dig ausſaͤhe, aber bey jeder naͤhern Unterſuchung
und Beleuchtung dahin ſtuͤrzte. Dieß ſey die Na-
tur jeder Theologie, der heidniſchen, juͤdiſchen und
chriſtlichen, und in der chriſtlichen ſey die prote-
ſtantiſche der katholiſchen ſo aͤhnlich wie ein Ey dem

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[88/0096] logiſche Studium ſezte er auch in Halle fort: al- lein aus guten Gruͤnden verließ er es, und dieſe wa- ren, wie er mir ſelbſt geſtand, folgende. Er hatte bey dem ſehr bornirten Unterricht auf der Schule zu Fulda keine Gelegenheit gehabt, die morgenlaͤndi- ſchen Sprachen zu lernen, und war ſelbſt im Grie- chiſchen eben kein Hexenmeiſter geworden. Nun haͤtte ihn zwar der Mangel an dieſen Kenntniſſen nicht hindern koͤnnen, Theologie zu ſtudieren, wenn er den gewoͤhnlichen Gang haͤtte mitmachen wollen: denn viele unſrer Herren werden ja auch Theolo- gen, ohne Hebraͤiſch leſen oder Time dekliniren zu koͤnnen. Aber Herr Stemmert dachte anders, und war uͤberzeugt, daß ohne eine gruͤndliche Kennt- niß der Bibelſprachen das ganze theologiſche Stu- dium ein bodenloſes Ding ſey: er hatte nicht Luſt, ſich mit dem Kametz Chatubh abzugeben, und ließ daher auch die Theologie. Dann bewog ihn hier- zu auch noch die eigentliche Beſchaffenheit die- ſes Studiums. Er meynte, die ganze Theologie ſey eine bloß menſchliche Erfindung, welche bloß ihres erdichteten hoͤhern Urſprungs wegen ehrwuͤr- dig ausſaͤhe, aber bey jeder naͤhern Unterſuchung und Beleuchtung dahin ſtuͤrzte. Dieß ſey die Na- tur jeder Theologie, der heidniſchen, juͤdiſchen und chriſtlichen, und in der chriſtlichen ſey die prote- ſtantiſche der katholiſchen ſo aͤhnlich wie ein Ey dem

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/96>, abgerufen am 25.04.2024.