Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

andern, nämlich in Rücksicht auf Ursprung und
Würde: der Katholik baue das Ansehen seiner
Theologie auf das Ansehen seiner Kirche, die er
fälschlich für die allgemeine Kirche ausgäbe, und
der Protestant gründe sein System auf die sehr zwey-
deutige Autorität einiger Juden, welche den Stif-
ter der Religion theils selbst gehört, theils von an-
dern dessen Lehre erfahren hatten. Eine göttliche
Inspiration oder unmittelbare göttliche Direction
käme hier allerdings ins Spiel: denn die Verthei-
diger der Religionen hätten wohl eingesehen,
daß sie ihren Beweis, ohne den nähern Beystand
Gottes zu Hülfe zu nehmen, nicht suchen könnten;
im Grunde aber sey so eine Inspiration oder Dire-
ction entweder bey einzelnen Menschen, bey Apo-
steln, oder bey kirchlichen Versammlungen, bey
sogenannten allgemeinen Concilien unerweislich,
und eben daher sey das Fundament der ganzen The-
ologie gleichfalls unhaltbar, und schwankend. Die-
jenigen Theologen, welche das Kirchensystem mo-
dernisiren wollten, und es, so gut es sich thun lie-
ße, mit dem jedesmaligen philosophischen System
harmonisch zu machen sich bemüheten, seyen in
diesem Fall nicht Theologen, und zerstörten dadurch,
daß sie die Lehren des Glaubens der Vernunft, oder
genauer zu reden, dem herrschenden philosophischen

andern, naͤmlich in Ruͤckſicht auf Urſprung und
Wuͤrde: der Katholik baue das Anſehen ſeiner
Theologie auf das Anſehen ſeiner Kirche, die er
faͤlſchlich fuͤr die allgemeine Kirche ausgaͤbe, und
der Proteſtant gruͤnde ſein Syſtem auf die ſehr zwey-
deutige Autoritaͤt einiger Juden, welche den Stif-
ter der Religion theils ſelbſt gehoͤrt, theils von an-
dern deſſen Lehre erfahren hatten. Eine goͤttliche
Inſpiration oder unmittelbare goͤttliche Direction
kaͤme hier allerdings ins Spiel: denn die Verthei-
diger der Religionen haͤtten wohl eingeſehen,
daß ſie ihren Beweis, ohne den naͤhern Beyſtand
Gottes zu Huͤlfe zu nehmen, nicht ſuchen koͤnnten;
im Grunde aber ſey ſo eine Inſpiration oder Dire-
ction entweder bey einzelnen Menſchen, bey Apo-
ſteln, oder bey kirchlichen Verſammlungen, bey
ſogenannten allgemeinen Concilien unerweislich,
und eben daher ſey das Fundament der ganzen The-
ologie gleichfalls unhaltbar, und ſchwankend. Die-
jenigen Theologen, welche das Kirchenſyſtem mo-
derniſiren wollten, und es, ſo gut es ſich thun lie-
ße, mit dem jedesmaligen philoſophiſchen Syſtem
harmoniſch zu machen ſich bemuͤheten, ſeyen in
dieſem Fall nicht Theologen, und zerſtoͤrten dadurch,
daß ſie die Lehren des Glaubens der Vernunft, oder
genauer zu reden, dem herrſchenden philoſophiſchen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0097" n="89"/>
andern, na&#x0364;mlich in Ru&#x0364;ck&#x017F;icht auf Ur&#x017F;prung und<lb/>
Wu&#x0364;rde: der Katholik baue das An&#x017F;ehen &#x017F;einer<lb/>
Theologie auf das An&#x017F;ehen &#x017F;einer Kirche, die er<lb/>
fa&#x0364;l&#x017F;chlich fu&#x0364;r die allgemeine Kirche ausga&#x0364;be, und<lb/>
der Prote&#x017F;tant gru&#x0364;nde &#x017F;ein Sy&#x017F;tem auf die &#x017F;ehr zwey-<lb/>
deutige Autorita&#x0364;t einiger Juden, welche den Stif-<lb/>
ter der Religion theils &#x017F;elb&#x017F;t geho&#x0364;rt, theils von an-<lb/>
dern de&#x017F;&#x017F;en Lehre erfahren hatten. Eine go&#x0364;ttliche<lb/>
In&#x017F;piration oder unmittelbare go&#x0364;ttliche Direction<lb/>
ka&#x0364;me hier allerdings ins Spiel: denn die Verthei-<lb/>
diger der Religionen ha&#x0364;tten wohl einge&#x017F;ehen,<lb/>
daß &#x017F;ie ihren Beweis, ohne den na&#x0364;hern Bey&#x017F;tand<lb/>
Gottes zu Hu&#x0364;lfe zu nehmen, nicht &#x017F;uchen ko&#x0364;nnten;<lb/>
im Grunde aber &#x017F;ey &#x017F;o eine In&#x017F;piration oder Dire-<lb/>
ction entweder bey einzelnen Men&#x017F;chen, bey Apo-<lb/>
&#x017F;teln, oder bey kirchlichen Ver&#x017F;ammlungen, bey<lb/>
&#x017F;ogenannten allgemeinen Concilien unerweislich,<lb/>
und eben daher &#x017F;ey das Fundament der ganzen The-<lb/>
ologie gleichfalls unhaltbar, und &#x017F;chwankend. Die-<lb/>
jenigen Theologen, welche das Kirchen&#x017F;y&#x017F;tem mo-<lb/>
derni&#x017F;iren wollten, und es, &#x017F;o gut es &#x017F;ich thun lie-<lb/>
ße, mit dem jedesmaligen philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Sy&#x017F;tem<lb/>
harmoni&#x017F;ch zu machen &#x017F;ich bemu&#x0364;heten, &#x017F;eyen in<lb/>
die&#x017F;em Fall nicht Theologen, und zer&#x017F;to&#x0364;rten dadurch,<lb/>
daß &#x017F;ie die Lehren des Glaubens der Vernunft, oder<lb/>
genauer zu reden, dem herr&#x017F;chenden philo&#x017F;ophi&#x017F;chen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0097] andern, naͤmlich in Ruͤckſicht auf Urſprung und Wuͤrde: der Katholik baue das Anſehen ſeiner Theologie auf das Anſehen ſeiner Kirche, die er faͤlſchlich fuͤr die allgemeine Kirche ausgaͤbe, und der Proteſtant gruͤnde ſein Syſtem auf die ſehr zwey- deutige Autoritaͤt einiger Juden, welche den Stif- ter der Religion theils ſelbſt gehoͤrt, theils von an- dern deſſen Lehre erfahren hatten. Eine goͤttliche Inſpiration oder unmittelbare goͤttliche Direction kaͤme hier allerdings ins Spiel: denn die Verthei- diger der Religionen haͤtten wohl eingeſehen, daß ſie ihren Beweis, ohne den naͤhern Beyſtand Gottes zu Huͤlfe zu nehmen, nicht ſuchen koͤnnten; im Grunde aber ſey ſo eine Inſpiration oder Dire- ction entweder bey einzelnen Menſchen, bey Apo- ſteln, oder bey kirchlichen Verſammlungen, bey ſogenannten allgemeinen Concilien unerweislich, und eben daher ſey das Fundament der ganzen The- ologie gleichfalls unhaltbar, und ſchwankend. Die- jenigen Theologen, welche das Kirchenſyſtem mo- derniſiren wollten, und es, ſo gut es ſich thun lie- ße, mit dem jedesmaligen philoſophiſchen Syſtem harmoniſch zu machen ſich bemuͤheten, ſeyen in dieſem Fall nicht Theologen, und zerſtoͤrten dadurch, daß ſie die Lehren des Glaubens der Vernunft, oder genauer zu reden, dem herrſchenden philoſophiſchen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/97
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/97>, abgerufen am 28.03.2024.