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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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Mein längst erprobter Freund, der gelehrte und
rechtschaffene Herr Büchling, fuhr fort gegen mich
so zu seyn, wie er immer war, und noch jetzo fin-
de ich so wenig, als vor achtzehn Jahren unter
denen, die ich kenne, keinen, den ich diesem Edlen
vorziehen mögte. Oft, wenn ich das glückliche
und ruhige Leben, welches Hr. Büchling führt,
überdachte, fielen mir die Verse des Horatius an
den Dichter Albius Tibullus ein: *)

Nor tu corpus eras sine pectore
Di tibi divitias dederant, artemque fruendi.
Quid foveat dulci nutricula majus alumna
Quam sapere et fari possit quae sentiat, et ari
Gratia, fama, valetudo contingat abunde,
Et mundus victus non deficiente crumena.

Es wird unter den, wer weiß wie vielen deut-
schen Gelehrten sehr wenige geben, welche so, wie
Herr Büchling, in Ruhe und von allen Sorgen
weit entfernt leben, und den Wissenschaften obliegen
können. Er arbeitet viel, aber bloß, weil er die
Arbeit liebt, und die Wissenschaften um ihrer selbst
willen schätzt, worauf er sie verwendet, da hinge-
gen andre Gelehrte Felder bearbeiten müssen, de-
ren Unfruchtbarkeit sie hinlänglich einsehen: aber

*) Ep. L. I. IV.

Mein laͤngſt erprobter Freund, der gelehrte und
rechtſchaffene Herr Buͤchling, fuhr fort gegen mich
ſo zu ſeyn, wie er immer war, und noch jetzo fin-
de ich ſo wenig, als vor achtzehn Jahren unter
denen, die ich kenne, keinen, den ich dieſem Edlen
vorziehen moͤgte. Oft, wenn ich das gluͤckliche
und ruhige Leben, welches Hr. Buͤchling fuͤhrt,
uͤberdachte, fielen mir die Verſe des Horatius an
den Dichter Albius Tibullus ein: *)

Nor tu corpus eras ſine pectore
Di tibi divitias dederant, artemque fruendi.
Quid foveat dulci nutricula majus alumna
Quam ſapere et fari poſſit quae ſentiat, et ari
Gratia, fama, valetudo contingat abunde,
Et mundus victus non deficiente crumena.

Es wird unter den, wer weiß wie vielen deut-
ſchen Gelehrten ſehr wenige geben, welche ſo, wie
Herr Buͤchling, in Ruhe und von allen Sorgen
weit entfernt leben, und den Wiſſenſchaften obliegen
koͤnnen. Er arbeitet viel, aber bloß, weil er die
Arbeit liebt, und die Wiſſenſchaften um ihrer ſelbſt
willen ſchaͤtzt, worauf er ſie verwendet, da hinge-
gen andre Gelehrte Felder bearbeiten muͤſſen, de-
ren Unfruchtbarkeit ſie hinlaͤnglich einſehen: aber

*) Ep. L. I. IV.
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[91/0099] Mein laͤngſt erprobter Freund, der gelehrte und rechtſchaffene Herr Buͤchling, fuhr fort gegen mich ſo zu ſeyn, wie er immer war, und noch jetzo fin- de ich ſo wenig, als vor achtzehn Jahren unter denen, die ich kenne, keinen, den ich dieſem Edlen vorziehen moͤgte. Oft, wenn ich das gluͤckliche und ruhige Leben, welches Hr. Buͤchling fuͤhrt, uͤberdachte, fielen mir die Verſe des Horatius an den Dichter Albius Tibullus ein: *) Nor tu corpus eras ſine pectore Di tibi divitias dederant, artemque fruendi. Quid foveat dulci nutricula majus alumna Quam ſapere et fari poſſit quae ſentiat, et ari Gratia, fama, valetudo contingat abunde, Et mundus victus non deficiente crumena. Es wird unter den, wer weiß wie vielen deut- ſchen Gelehrten ſehr wenige geben, welche ſo, wie Herr Buͤchling, in Ruhe und von allen Sorgen weit entfernt leben, und den Wiſſenſchaften obliegen koͤnnen. Er arbeitet viel, aber bloß, weil er die Arbeit liebt, und die Wiſſenſchaften um ihrer ſelbſt willen ſchaͤtzt, worauf er ſie verwendet, da hinge- gen andre Gelehrte Felder bearbeiten muͤſſen, de- ren Unfruchtbarkeit ſie hinlaͤnglich einſehen: aber *) Ep. L. I. IV.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/99>, abgerufen am 23.04.2024.