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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775.

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XVIII. Fragment.

Von der menschlichen Bildung überhaupt, von der Empfängniß an bis zum Tode; --

Von den verschiedenen Temperamenten, von den Einflüssen der Erziehung, der Lebens-
art, des Clima u. s. f.

Von National- Familien- Sektenphysiognomien;

Von der Verstellung und Aufrichtigkeit;

Von der Veränderung der Physiognomien durch Zufälle und Natur;

Von der Verschönerung und Veredlung der menschlichen Bildung und Gesichtszüge; --

Von diesen und noch so manchen wichtigen hiehergehörenden Dingen -- gedenken wir un-
sere Leser, wenn Gott Leben, Kräfte und Muße gönnt, in den folgenden Bänden zu unterhalten.

Für alle, mir schwer aufliegenden Unvollkommenheiten dieses Versuches soll und darf
ich den billigen Leser um Nachsicht und Verzeihung bitten.

Ein anderer, der mehr Muße hätte, als ich, würde diese Nachsicht nicht fordern dürfen!

Wenn einmal die Sorge für die Tafeln und den Detail, die nun, hoff' ich, bald zum
Ende geht, mir abgenommen ist, so werd ich die Zeit und Kraft, die mir daher zu gute kommen
wird, mit auf die Vervollkommnung und Ausarbeitung des Textes zu verwenden suchen.

Uebrigens wenn nun alles, was ich in diesem Bande geleistet, weiter nichts wäre, als
Characteristik von einigen wirklichen Menschen; wenn's nichts wäre, als eine kleine Gallerie von
Menschengesichtern, Menschencharactern, die Harmonie von beyden mit nichts angedeutet, nirgends
fühlbar gemacht wäre, würd' ich schon nichts Unnützes gethan zu haben glauben. Jch bin
aber fest überzeugt, daß jeder Nachdenkende, der dieses Werk nicht blos als einen kindischen Zeit-
vertreib betrachten und lesen will, aus dem Wenigen, was ihm vorgelegt worden (unendlich
wenig gegen das, was ihm vorgelegt werden könnte) sein physiognomisches Auge und Gefühl zu
üben Gelegenheit genug gehabt haben und in den Stand gesetzt seyn wird, sich bereits einige zuver-
läßige und feste Zeichen zu abstrahiren, oder wenigstens auf den Weg gestellt seyn wird, daß er
nun selbst weiter gehen, und meine Beobachtungen -- oder Empfindungen prüfen kann.



Nur noch Eins: Herzlichaufrichtig und so dringend es mir möglich ist, verbitt' ich mir
von allen nahen und fernen, bekannten und unbekannten Freunden und Feinden, alle mündliche

und
XVIII. Fragment.

Von der menſchlichen Bildung uͤberhaupt, von der Empfaͤngniß an bis zum Tode; —

Von den verſchiedenen Temperamenten, von den Einfluͤſſen der Erziehung, der Lebens-
art, des Clima u. ſ. f.

Von National- Familien- Sektenphyſiognomien;

Von der Verſtellung und Aufrichtigkeit;

Von der Veraͤnderung der Phyſiognomien durch Zufaͤlle und Natur;

Von der Verſchoͤnerung und Veredlung der menſchlichen Bildung und Geſichtszuͤge; —

Von dieſen und noch ſo manchen wichtigen hiehergehoͤrenden Dingen — gedenken wir un-
ſere Leſer, wenn Gott Leben, Kraͤfte und Muße goͤnnt, in den folgenden Baͤnden zu unterhalten.

Fuͤr alle, mir ſchwer aufliegenden Unvollkommenheiten dieſes Verſuches ſoll und darf
ich den billigen Leſer um Nachſicht und Verzeihung bitten.

Ein anderer, der mehr Muße haͤtte, als ich, wuͤrde dieſe Nachſicht nicht fordern duͤrfen!

Wenn einmal die Sorge fuͤr die Tafeln und den Detail, die nun, hoff' ich, bald zum
Ende geht, mir abgenommen iſt, ſo werd ich die Zeit und Kraft, die mir daher zu gute kommen
wird, mit auf die Vervollkommnung und Ausarbeitung des Textes zu verwenden ſuchen.

Uebrigens wenn nun alles, was ich in dieſem Bande geleiſtet, weiter nichts waͤre, als
Characteriſtik von einigen wirklichen Menſchen; wenn's nichts waͤre, als eine kleine Gallerie von
Menſchengeſichtern, Menſchencharactern, die Harmonie von beyden mit nichts angedeutet, nirgends
fuͤhlbar gemacht waͤre, wuͤrd' ich ſchon nichts Unnuͤtzes gethan zu haben glauben. Jch bin
aber feſt uͤberzeugt, daß jeder Nachdenkende, der dieſes Werk nicht blos als einen kindiſchen Zeit-
vertreib betrachten und leſen will, aus dem Wenigen, was ihm vorgelegt worden (unendlich
wenig gegen das, was ihm vorgelegt werden koͤnnte) ſein phyſiognomiſches Auge und Gefuͤhl zu
uͤben Gelegenheit genug gehabt haben und in den Stand geſetzt ſeyn wird, ſich bereits einige zuver-
laͤßige und feſte Zeichen zu abſtrahiren, oder wenigſtens auf den Weg geſtellt ſeyn wird, daß er
nun ſelbſt weiter gehen, und meine Beobachtungen — oder Empfindungen pruͤfen kann.



Nur noch Eins: Herzlichaufrichtig und ſo dringend es mir moͤglich iſt, verbitt' ich mir
von allen nahen und fernen, bekannten und unbekannten Freunden und Feinden, alle muͤndliche

und
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[270/0430] XVIII. Fragment. Von der menſchlichen Bildung uͤberhaupt, von der Empfaͤngniß an bis zum Tode; — Von den verſchiedenen Temperamenten, von den Einfluͤſſen der Erziehung, der Lebens- art, des Clima u. ſ. f. Von National- Familien- Sektenphyſiognomien; Von der Verſtellung und Aufrichtigkeit; Von der Veraͤnderung der Phyſiognomien durch Zufaͤlle und Natur; Von der Verſchoͤnerung und Veredlung der menſchlichen Bildung und Geſichtszuͤge; — Von dieſen und noch ſo manchen wichtigen hiehergehoͤrenden Dingen — gedenken wir un- ſere Leſer, wenn Gott Leben, Kraͤfte und Muße goͤnnt, in den folgenden Baͤnden zu unterhalten. Fuͤr alle, mir ſchwer aufliegenden Unvollkommenheiten dieſes Verſuches ſoll und darf ich den billigen Leſer um Nachſicht und Verzeihung bitten. Ein anderer, der mehr Muße haͤtte, als ich, wuͤrde dieſe Nachſicht nicht fordern duͤrfen! Wenn einmal die Sorge fuͤr die Tafeln und den Detail, die nun, hoff' ich, bald zum Ende geht, mir abgenommen iſt, ſo werd ich die Zeit und Kraft, die mir daher zu gute kommen wird, mit auf die Vervollkommnung und Ausarbeitung des Textes zu verwenden ſuchen. Uebrigens wenn nun alles, was ich in dieſem Bande geleiſtet, weiter nichts waͤre, als Characteriſtik von einigen wirklichen Menſchen; wenn's nichts waͤre, als eine kleine Gallerie von Menſchengeſichtern, Menſchencharactern, die Harmonie von beyden mit nichts angedeutet, nirgends fuͤhlbar gemacht waͤre, wuͤrd' ich ſchon nichts Unnuͤtzes gethan zu haben glauben. Jch bin aber feſt uͤberzeugt, daß jeder Nachdenkende, der dieſes Werk nicht blos als einen kindiſchen Zeit- vertreib betrachten und leſen will, aus dem Wenigen, was ihm vorgelegt worden (unendlich wenig gegen das, was ihm vorgelegt werden koͤnnte) ſein phyſiognomiſches Auge und Gefuͤhl zu uͤben Gelegenheit genug gehabt haben und in den Stand geſetzt ſeyn wird, ſich bereits einige zuver- laͤßige und feſte Zeichen zu abſtrahiren, oder wenigſtens auf den Weg geſtellt ſeyn wird, daß er nun ſelbſt weiter gehen, und meine Beobachtungen — oder Empfindungen pruͤfen kann. Nur noch Eins: Herzlichaufrichtig und ſo dringend es mir moͤglich iſt, verbitt' ich mir von allen nahen und fernen, bekannten und unbekannten Freunden und Feinden, alle muͤndliche und

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 1. Leipzig u. a., 1775, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente01_1775/430>, abgerufen am 29.03.2024.