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Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776.

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XIII. Fragment. Thierschädel.
hat. Mich dünkt, daß ich, besonders im Augenknochen, und in dessen Verhältniß zur Nase --
eine gewisse Treue und Geradheit entdecke. Die geringe Verschiedenheit des

14.) Wolfes ist schon sehr merkwürdig. Der Einbug oben im Scheitel; die Rundung
über dem Augknochen; die von da aus zur Schnauze wieder gerad abgehenden Linien deuten schon
auf heftigere Bewegungen. Hiezu kömmt bey

10.) Dem Bären noch mehr Breite und mehr Festigkeit und Widerhalt; bey

8.) Dem Tiger besondere Schnelligkeit in der Spitze des Hinter- und Breite des Vor-
dertheils. Man sehe den Gegensatz an den Last- und Weydethieren. Hinten zur Kraft des
Nackens der aufliegende Hebel; flachrund der Schädel, Wohnsitz leichter Vorstellung und gie-
riger Grausamkeit. Die Schnauze breit und voll Kraft; der Rachen gewölbter Vorhof der
Höllen, erfassend, klammernd, zermalmend, verschlingend.

Wäre 9.) der Löwe besser gezeichnet; aber schon im Büffon, woraus diese kopiert sind,
steht just dieser herrliche Schädel am unbestimmtesten gebildet. --

Wie merkwürdig auch schon so, der länglichstumpfe Hinterkopf!

Die Wölbung, wie edel; der Abgang der anstoßenden Linien, wie sanft! -- des
Schnauzbeins Niedersteigen, wie schnell, wie kräftig! Der Vorderkopf, wie gepackt! stark!
ruhig und gewaltig! werth der specialsten Vergleichung mit dem Tiger! Wie wenig, wie viel sind
beyde verschieden!

Nur Ein Wort von 17.) der Katze. Aufmerksame Genäschigkeit.

Unter allen -- wie zeichnet sich 2.) der Elephant aus! am meisten Schädel, am meisten
Hinterhaupt, und am meisten Stirn -- wie wahrer natürlicher Ausdruck von Gedächtniß, Ver-
stand, Klugheit, Kraft, und -- Delikatesse. --

11.) Die Fischotter -- ein ungestalter Kopf -- zum Fraße deutlich bestimmt.

16.) Der
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XIII. Fragment. Thierſchaͤdel.
hat. Mich duͤnkt, daß ich, beſonders im Augenknochen, und in deſſen Verhaͤltniß zur Naſe —
eine gewiſſe Treue und Geradheit entdecke. Die geringe Verſchiedenheit des

14.) Wolfes iſt ſchon ſehr merkwuͤrdig. Der Einbug oben im Scheitel; die Rundung
uͤber dem Augknochen; die von da aus zur Schnauze wieder gerad abgehenden Linien deuten ſchon
auf heftigere Bewegungen. Hiezu koͤmmt bey

10.) Dem Baͤren noch mehr Breite und mehr Feſtigkeit und Widerhalt; bey

8.) Dem Tiger beſondere Schnelligkeit in der Spitze des Hinter- und Breite des Vor-
dertheils. Man ſehe den Gegenſatz an den Laſt- und Weydethieren. Hinten zur Kraft des
Nackens der aufliegende Hebel; flachrund der Schaͤdel, Wohnſitz leichter Vorſtellung und gie-
riger Grauſamkeit. Die Schnauze breit und voll Kraft; der Rachen gewoͤlbter Vorhof der
Hoͤllen, erfaſſend, klammernd, zermalmend, verſchlingend.

Waͤre 9.) der Loͤwe beſſer gezeichnet; aber ſchon im Buͤffon, woraus dieſe kopiert ſind,
ſteht juſt dieſer herrliche Schaͤdel am unbeſtimmteſten gebildet. —

Wie merkwuͤrdig auch ſchon ſo, der laͤnglichſtumpfe Hinterkopf!

Die Woͤlbung, wie edel; der Abgang der anſtoßenden Linien, wie ſanft! — des
Schnauzbeins Niederſteigen, wie ſchnell, wie kraͤftig! Der Vorderkopf, wie gepackt! ſtark!
ruhig und gewaltig! werth der ſpecialſten Vergleichung mit dem Tiger! Wie wenig, wie viel ſind
beyde verſchieden!

Nur Ein Wort von 17.) der Katze. Aufmerkſame Genaͤſchigkeit.

Unter allen — wie zeichnet ſich 2.) der Elephant aus! am meiſten Schaͤdel, am meiſten
Hinterhaupt, und am meiſten Stirn — wie wahrer natuͤrlicher Ausdruck von Gedaͤchtniß, Ver-
ſtand, Klugheit, Kraft, und — Delikateſſe. —

11.) Die Fiſchotter — ein ungeſtalter Kopf — zum Fraße deutlich beſtimmt.

16.) Der
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[141/0201] XIII. Fragment. Thierſchaͤdel. hat. Mich duͤnkt, daß ich, beſonders im Augenknochen, und in deſſen Verhaͤltniß zur Naſe — eine gewiſſe Treue und Geradheit entdecke. Die geringe Verſchiedenheit des 14.) Wolfes iſt ſchon ſehr merkwuͤrdig. Der Einbug oben im Scheitel; die Rundung uͤber dem Augknochen; die von da aus zur Schnauze wieder gerad abgehenden Linien deuten ſchon auf heftigere Bewegungen. Hiezu koͤmmt bey 10.) Dem Baͤren noch mehr Breite und mehr Feſtigkeit und Widerhalt; bey 8.) Dem Tiger beſondere Schnelligkeit in der Spitze des Hinter- und Breite des Vor- dertheils. Man ſehe den Gegenſatz an den Laſt- und Weydethieren. Hinten zur Kraft des Nackens der aufliegende Hebel; flachrund der Schaͤdel, Wohnſitz leichter Vorſtellung und gie- riger Grauſamkeit. Die Schnauze breit und voll Kraft; der Rachen gewoͤlbter Vorhof der Hoͤllen, erfaſſend, klammernd, zermalmend, verſchlingend. Waͤre 9.) der Loͤwe beſſer gezeichnet; aber ſchon im Buͤffon, woraus dieſe kopiert ſind, ſteht juſt dieſer herrliche Schaͤdel am unbeſtimmteſten gebildet. — Wie merkwuͤrdig auch ſchon ſo, der laͤnglichſtumpfe Hinterkopf! Die Woͤlbung, wie edel; der Abgang der anſtoßenden Linien, wie ſanft! — des Schnauzbeins Niederſteigen, wie ſchnell, wie kraͤftig! Der Vorderkopf, wie gepackt! ſtark! ruhig und gewaltig! werth der ſpecialſten Vergleichung mit dem Tiger! Wie wenig, wie viel ſind beyde verſchieden! Nur Ein Wort von 17.) der Katze. Aufmerkſame Genaͤſchigkeit. Unter allen — wie zeichnet ſich 2.) der Elephant aus! am meiſten Schaͤdel, am meiſten Hinterhaupt, und am meiſten Stirn — wie wahrer natuͤrlicher Ausdruck von Gedaͤchtniß, Ver- ſtand, Klugheit, Kraft, und — Delikateſſe. — 11.) Die Fiſchotter — ein ungeſtalter Kopf — zum Fraße deutlich beſtimmt. 16.) Der S 3

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Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Physiognomische Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe. Bd. 2. Leipzig u. a., 1776, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_fragmente02_1776/201>, abgerufen am 29.03.2024.