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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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ligion hat schon ihr ganzes Wesen geläutert. Und
wir kommen hier nur bis auf einen gewissen
Strich, -- jenseits desselben werden Menschen
Schwärmer, aber nicht Engel.

Aspermonte, denken Sie sich einmal die
betende Blanka. -- Was, Sie stehen stille! --
die Jdee haben Sie gewis zum erstenmale; und
Sie springen nicht auf wie ein Rasender?
Aspermonte. Sie sind mir überlegen, Prinz!
-- So stark war nie eine Liebe. Sie haben
Recht, ich kenne nichts.
Julius. Sie wissen das ärgste noch nicht;
-- ich sah noch einmal auf ihr Bildnis, und
dachte, was sie in dieser Nacht machte. Wie sie
vielleicht über meine Untreue weinte, und der
Mond durch ihr kleines Fenster auf ihr Crucifix
und Breviarium schien, ein Stral fiel etwa auf
mein Bildnis, und anstatt daß ich auf dem ihrigen
Thränen sah, sähe sie auf dem meinigen spöttisches
Lachen. Die Hölle käm' ihrer Einbildung zu
Hülfe, und das Gewölbe des Kreuzgangs schallte
von höllischen Hohngelächter wieder.
Aspermonte. Die Vorstellung schickte Jhnen
die Hölle.
Julius. Auch konnte die einfache unsterbliche
Seele diese Vorstellung nicht tragen; -- ich ver-
lor eine Zeitlang alle Empfindung, wie ich wieder


ligion hat ſchon ihr ganzes Weſen gelaͤutert. Und
wir kommen hier nur bis auf einen gewiſſen
Strich, — jenſeits deſſelben werden Menſchen
Schwaͤrmer, aber nicht Engel.

Aſpermonte, denken Sie ſich einmal die
betende Blanka. — Was, Sie ſtehen ſtille! —
die Jdee haben Sie gewis zum erſtenmale; und
Sie ſpringen nicht auf wie ein Raſender?
Aſpermonte. Sie ſind mir uͤberlegen, Prinz!
— So ſtark war nie eine Liebe. Sie haben
Recht, ich kenne nichts.
Julius. Sie wiſſen das aͤrgſte noch nicht;
— ich ſah noch einmal auf ihr Bildnis, und
dachte, was ſie in dieſer Nacht machte. Wie ſie
vielleicht uͤber meine Untreue weinte, und der
Mond durch ihr kleines Fenſter auf ihr Crucifix
und Breviarium ſchien, ein Stral fiel etwa auf
mein Bildnis, und anſtatt daß ich auf dem ihrigen
Thraͤnen ſah, ſaͤhe ſie auf dem meinigen ſpoͤttiſches
Lachen. Die Hoͤlle kaͤm’ ihrer Einbildung zu
Huͤlfe, und das Gewoͤlbe des Kreuzgangs ſchallte
von hoͤlliſchen Hohngelaͤchter wieder.
Aſpermonte. Die Vorſtellung ſchickte Jhnen
die Hoͤlle.
Julius. Auch konnte die einfache unſterbliche
Seele dieſe Vorſtellung nicht tragen; — ich ver-
lor eine Zeitlang alle Empfindung, wie ich wieder
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[8/0012] ligion hat ſchon ihr ganzes Weſen gelaͤutert. Und wir kommen hier nur bis auf einen gewiſſen Strich, — jenſeits deſſelben werden Menſchen Schwaͤrmer, aber nicht Engel. Aſpermonte, denken Sie ſich einmal die betende Blanka. — Was, Sie ſtehen ſtille! — die Jdee haben Sie gewis zum erſtenmale; und Sie ſpringen nicht auf wie ein Raſender? Aſpermonte. Sie ſind mir uͤberlegen, Prinz! — So ſtark war nie eine Liebe. Sie haben Recht, ich kenne nichts. Julius. Sie wiſſen das aͤrgſte noch nicht; — ich ſah noch einmal auf ihr Bildnis, und dachte, was ſie in dieſer Nacht machte. Wie ſie vielleicht uͤber meine Untreue weinte, und der Mond durch ihr kleines Fenſter auf ihr Crucifix und Breviarium ſchien, ein Stral fiel etwa auf mein Bildnis, und anſtatt daß ich auf dem ihrigen Thraͤnen ſah, ſaͤhe ſie auf dem meinigen ſpoͤttiſches Lachen. Die Hoͤlle kaͤm’ ihrer Einbildung zu Huͤlfe, und das Gewoͤlbe des Kreuzgangs ſchallte von hoͤlliſchen Hohngelaͤchter wieder. Aſpermonte. Die Vorſtellung ſchickte Jhnen die Hoͤlle. Julius. Auch konnte die einfache unſterbliche Seele dieſe Vorſtellung nicht tragen; — ich ver- lor eine Zeitlang alle Empfindung, wie ich wieder

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/12>, abgerufen am 19.04.2024.