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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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wer ein Held seyn kann, wird kein Geschichtkundi-
ger. -- Allein da steht der müssige Julius im
Tempel des Nachruhms, bläst den Staub von der
Bildsäule Aleranders, sezt einen neuen Firnis über
die Nase des Caesars, und gafft nach der Erbse des
Cicero. So viel glänzende Beyspiele weis er!
-- Lägen grosse Keime in ihm, er wäre selbst ein
Held geworden -- oder er hätte sich wenigstens
gehenkt! -- Wahrhaftig er kann den ganzen
Abend Leben und Thaten lesen, und doch die
Nacht ruhig schlafen.
Erzbischoff. So hör doch endlich auf Guido.
Guido. Aber das sind die Früchte der ge-
priesenen Ruhe, in der jede Tugend rostet -- O ich
fühl' es selbst! Warum rief mich mein Vater aus
dem Krieg wider die Ungläubigen? -- Da siz'
ich nun, und muß mir die Zähne stöhren, wenn
ich die Nachrichten hör, daß meine Freunde be-
rühmt werden und (stampft mit dem Fusse) das
Te Deum singen, wenn Schlachten ohne mich ge-
wonnen werden. -- Seyn Sie nicht unwillig,
Herr Oheim, lassen Sie mich wenigstens in die
Stangen meines Käfigs beissen.
Erzbischof. Gut, aber warum verlangst
Du, daß jedermann so chimärisch denken soll
als Du?


wer ein Held ſeyn kann, wird kein Geſchichtkundi-
ger. — Allein da ſteht der muͤſſige Julius im
Tempel des Nachruhms, blaͤſt den Staub von der
Bildſaͤule Aleranders, ſezt einen neuen Firnis uͤber
die Naſe des Caeſars, und gafft nach der Erbſe des
Cicero. So viel glaͤnzende Beyſpiele weis er!
— Laͤgen groſſe Keime in ihm, er waͤre ſelbſt ein
Held geworden — oder er haͤtte ſich wenigſtens
gehenkt! — Wahrhaftig er kann den ganzen
Abend Leben und Thaten leſen, und doch die
Nacht ruhig ſchlafen.
Erzbiſchoff. So hoͤr doch endlich auf Guido.
Guido. Aber das ſind die Fruͤchte der ge-
prieſenen Ruhe, in der jede Tugend roſtet — O ich
fuͤhl’ es ſelbſt! Warum rief mich mein Vater aus
dem Krieg wider die Unglaͤubigen? — Da ſiz’
ich nun, und muß mir die Zaͤhne ſtoͤhren, wenn
ich die Nachrichten hoͤr, daß meine Freunde be-
ruͤhmt werden und (ſtampft mit dem Fuſſe) das
Te Deum ſingen, wenn Schlachten ohne mich ge-
wonnen werden. — Seyn Sie nicht unwillig,
Herr Oheim, laſſen Sie mich wenigſtens in die
Stangen meines Kaͤfigs beiſſen.
Erzbiſchof. Gut, aber warum verlangſt
Du, daß jedermann ſo chimaͤriſch denken ſoll
als Du?
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[19/0023] wer ein Held ſeyn kann, wird kein Geſchichtkundi- ger. — Allein da ſteht der muͤſſige Julius im Tempel des Nachruhms, blaͤſt den Staub von der Bildſaͤule Aleranders, ſezt einen neuen Firnis uͤber die Naſe des Caeſars, und gafft nach der Erbſe des Cicero. So viel glaͤnzende Beyſpiele weis er! — Laͤgen groſſe Keime in ihm, er waͤre ſelbſt ein Held geworden — oder er haͤtte ſich wenigſtens gehenkt! — Wahrhaftig er kann den ganzen Abend Leben und Thaten leſen, und doch die Nacht ruhig ſchlafen. Erzbiſchoff. So hoͤr doch endlich auf Guido. Guido. Aber das ſind die Fruͤchte der ge- prieſenen Ruhe, in der jede Tugend roſtet — O ich fuͤhl’ es ſelbſt! Warum rief mich mein Vater aus dem Krieg wider die Unglaͤubigen? — Da ſiz’ ich nun, und muß mir die Zaͤhne ſtoͤhren, wenn ich die Nachrichten hoͤr, daß meine Freunde be- ruͤhmt werden und (ſtampft mit dem Fuſſe) das Te Deum ſingen, wenn Schlachten ohne mich ge- wonnen werden. — Seyn Sie nicht unwillig, Herr Oheim, laſſen Sie mich wenigſtens in die Stangen meines Kaͤfigs beiſſen. Erzbiſchof. Gut, aber warum verlangſt Du, daß jedermann ſo chimaͤriſch denken ſoll als Du?

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/23>, abgerufen am 28.03.2024.