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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Guido noch ein Knabe war, immer im Spiel
König seyn wollte, und für die Bewunderung
seiner Gespielen so gefährlich auf Bäume und
Felsen kletterte, daß sie ihn für schwindelnder
Angst kaum bewundern konten; so dacht' ich oft:
Hilf Himmel, wenn die Leidenschaften des Kna-
ben erst aufwachen!

Sie sind aufgewacht, und siehe, er ist so
geizig nach Ruhm, daß es ihn verdriesst, daß es
gleichgültige Dinge giebt, die nicht schänden und
nicht ehren. Er wünscht entweder, daß essen
Ruhm wäre, oder daß er gar nicht ässe. Was
nicht Ehre bringt, glaubt er, bringt Schande,
das ist sein Unglück.
Erzbischoff. Jn der That ein unruhiger ge-
fährlicher Charakter!
Fürst. Noch gefährlicher, weil er neben Ju-
lius steht -- Ehe der als ein Kind wusste, was
Liebe ist -- hatte er schon ihren schmachtenden
Blick, von jeher war sein grösstes Vergnügen, in
der Einsamkeit zu träumen.

Jn ein so vorbereitetes Herz kam die Liebe früh,
aber eben so wenig unerwartet, als ein Hausva-
ter in seine Wohnung -- Nun stelle diese Cha-
raktere neben einander.
Erzbischoff. Bruder, das, was Du eben da
schilderst, und für den besondern Charakter Deiner


Guido noch ein Knabe war, immer im Spiel
Koͤnig ſeyn wollte, und fuͤr die Bewunderung
ſeiner Geſpielen ſo gefaͤhrlich auf Baͤume und
Felſen kletterte, daß ſie ihn fuͤr ſchwindelnder
Angſt kaum bewundern konten; ſo dacht’ ich oft:
Hilf Himmel, wenn die Leidenſchaften des Kna-
ben erſt aufwachen!

Sie ſind aufgewacht, und ſiehe, er iſt ſo
geizig nach Ruhm, daß es ihn verdrieſſt, daß es
gleichguͤltige Dinge giebt, die nicht ſchaͤnden und
nicht ehren. Er wuͤnſcht entweder, daß eſſen
Ruhm waͤre, oder daß er gar nicht aͤſſe. Was
nicht Ehre bringt, glaubt er, bringt Schande,
das iſt ſein Ungluͤck.
Erzbiſchoff. Jn der That ein unruhiger ge-
faͤhrlicher Charakter!
Fuͤrſt. Noch gefaͤhrlicher, weil er neben Ju-
lius ſteht — Ehe der als ein Kind wuſſte, was
Liebe iſt — hatte er ſchon ihren ſchmachtenden
Blick, von jeher war ſein groͤſſtes Vergnuͤgen, in
der Einſamkeit zu traͤumen.

Jn ein ſo vorbereitetes Herz kam die Liebe fruͤh,
aber eben ſo wenig unerwartet, als ein Hausva-
ter in ſeine Wohnung — Nun ſtelle dieſe Cha-
raktere neben einander.
Erzbiſchoff. Bruder, das, was Du eben da
ſchilderſt, und fuͤr den beſondern Charakter Deiner
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[23/0027] Guido noch ein Knabe war, immer im Spiel Koͤnig ſeyn wollte, und fuͤr die Bewunderung ſeiner Geſpielen ſo gefaͤhrlich auf Baͤume und Felſen kletterte, daß ſie ihn fuͤr ſchwindelnder Angſt kaum bewundern konten; ſo dacht’ ich oft: Hilf Himmel, wenn die Leidenſchaften des Kna- ben erſt aufwachen! Sie ſind aufgewacht, und ſiehe, er iſt ſo geizig nach Ruhm, daß es ihn verdrieſſt, daß es gleichguͤltige Dinge giebt, die nicht ſchaͤnden und nicht ehren. Er wuͤnſcht entweder, daß eſſen Ruhm waͤre, oder daß er gar nicht aͤſſe. Was nicht Ehre bringt, glaubt er, bringt Schande, das iſt ſein Ungluͤck. Erzbiſchoff. Jn der That ein unruhiger ge- faͤhrlicher Charakter! Fuͤrſt. Noch gefaͤhrlicher, weil er neben Ju- lius ſteht — Ehe der als ein Kind wuſſte, was Liebe iſt — hatte er ſchon ihren ſchmachtenden Blick, von jeher war ſein groͤſſtes Vergnuͤgen, in der Einſamkeit zu traͤumen. Jn ein ſo vorbereitetes Herz kam die Liebe fruͤh, aber eben ſo wenig unerwartet, als ein Hausva- ter in ſeine Wohnung — Nun ſtelle dieſe Cha- raktere neben einander. Erzbiſchoff. Bruder, das, was Du eben da ſchilderſt, und fuͤr den beſondern Charakter Deiner

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/27>, abgerufen am 25.04.2024.