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Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.

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Julius. Nimmermehr! Nimmermehr! und
wenn Du mir mein Herz und meine Ruhe wie-
der geben köntest, so möcht' ich sie nicht.
Blanka. (giebt das Bild der Aebtissin) Und
wenn Sie mein Bildnis ansehn, so vergessen sie
nicht, daß das Original nicht mehr da ist, daß izt
eine andre Blanka weint. Leben Sie ewig wohl.
Jch kenne Jhr Herz, Prinz, machen Sie bald
ein andres Mädchen dadurch glücklich -- ich
will für Sie und Jhre Gattin beten.
Julius. So bete für Dich selbst. Der
Mensch wird nur einmal geboren, und liebt nur
einmal.
Blanka. Für mich will ich um Vergessen-
heit beten -- Leben Sie wohl.
Julius. (hält sie zurück) Blanka erinnerst
Du dich der unschuldigen Tage unsrer Jugend?
An alles, was uns damals die Liebe gab, Schmer-
zen und Freuden, Wirklichkeit und Träume, Leben
und Athem, wie sie uns ihre schwersten Pflichten
so leicht machte, und Gewicht auf ihre leichtesten
legte?

Aber Du kannst Dich dessen nicht erinnern!
Einer solchen Empfindung kann keine Erinnerung
nachkommen. Mitten in unsrer Glückseligkeit
glaubten wir gestern, unsre Freuden könnten nicht
steigen, und heute, unsre gestrige Leidenschaft sey


Julius. Nimmermehr! Nimmermehr! und
wenn Du mir mein Herz und meine Ruhe wie-
der geben koͤnteſt, ſo moͤcht’ ich ſie nicht.
Blanka. (giebt das Bild der Aebtiſſin) Und
wenn Sie mein Bildnis anſehn, ſo vergeſſen ſie
nicht, daß das Original nicht mehr da iſt, daß izt
eine andre Blanka weint. Leben Sie ewig wohl.
Jch kenne Jhr Herz, Prinz, machen Sie bald
ein andres Maͤdchen dadurch gluͤcklich — ich
will fuͤr Sie und Jhre Gattin beten.
Julius. So bete fuͤr Dich ſelbſt. Der
Menſch wird nur einmal geboren, und liebt nur
einmal.
Blanka. Fuͤr mich will ich um Vergeſſen-
heit beten — Leben Sie wohl.
Julius. (haͤlt ſie zuruͤck) Blanka erinnerſt
Du dich der unſchuldigen Tage unſrer Jugend?
An alles, was uns damals die Liebe gab, Schmer-
zen und Freuden, Wirklichkeit und Traͤume, Leben
und Athem, wie ſie uns ihre ſchwerſten Pflichten
ſo leicht machte, und Gewicht auf ihre leichteſten
legte?

Aber Du kannſt Dich deſſen nicht erinnern!
Einer ſolchen Empfindung kann keine Erinnerung
nachkommen. Mitten in unſrer Gluͤckſeligkeit
glaubten wir geſtern, unſre Freuden koͤnnten nicht
ſteigen, und heute, unſre geſtrige Leidenſchaft ſey
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[36/0040] Julius. Nimmermehr! Nimmermehr! und wenn Du mir mein Herz und meine Ruhe wie- der geben koͤnteſt, ſo moͤcht’ ich ſie nicht. Blanka. (giebt das Bild der Aebtiſſin) Und wenn Sie mein Bildnis anſehn, ſo vergeſſen ſie nicht, daß das Original nicht mehr da iſt, daß izt eine andre Blanka weint. Leben Sie ewig wohl. Jch kenne Jhr Herz, Prinz, machen Sie bald ein andres Maͤdchen dadurch gluͤcklich — ich will fuͤr Sie und Jhre Gattin beten. Julius. So bete fuͤr Dich ſelbſt. Der Menſch wird nur einmal geboren, und liebt nur einmal. Blanka. Fuͤr mich will ich um Vergeſſen- heit beten — Leben Sie wohl. Julius. (haͤlt ſie zuruͤck) Blanka erinnerſt Du dich der unſchuldigen Tage unſrer Jugend? An alles, was uns damals die Liebe gab, Schmer- zen und Freuden, Wirklichkeit und Traͤume, Leben und Athem, wie ſie uns ihre ſchwerſten Pflichten ſo leicht machte, und Gewicht auf ihre leichteſten legte? Aber Du kannſt Dich deſſen nicht erinnern! Einer ſolchen Empfindung kann keine Erinnerung nachkommen. Mitten in unſrer Gluͤckſeligkeit glaubten wir geſtern, unſre Freuden koͤnnten nicht ſteigen, und heute, unſre geſtrige Leidenſchaft ſey

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Zitationshilfe: Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/40>, abgerufen am 19.04.2024.