Lenz, Jakob Michael Reinhold: Die Soldaten. Leipzig, 1776.das gewußt, ich hätte mich deiner nicht angenommen. Marie. Verzeihen Sie mir nur dies- mal! Gräfin. Jch verzeih es dir niemals, wenn du wider dein eigen Glück handelst. Geh. (Marie geht ganz verzweiflungsvoll ab.) Gräfin (allein.) Jch weis nicht, ob ich dem Mädchen ihren Roman fast mit gu- tem Gewissen nehmen darf. Was behält das Leben für Reiz übrig, wenn unsre Jmagination nicht welchen hineinträgt, Essen, Trinken, Beschäfftigungen ohne Aussicht, ohne sich selbstgebildetem Ver- gnügen sind nur ein gefristeter Tod. Das fühlt sie auch wohl, und stellt sich nur vergnügt. Wenn ich etwas ausfin- dig machen könnte, ihre Phantasey mit meiner Klugheit zu vereinigen, ihr Herz, nicht ihren Verstand zu zwingen, mir zu folgen. Vierte
das gewußt, ich haͤtte mich deiner nicht angenommen. Marie. Verzeihen Sie mir nur dies- mal! Graͤfin. Jch verzeih es dir niemals, wenn du wider dein eigen Gluͤck handelſt. Geh. (Marie geht ganz verzweiflungsvoll ab.) Graͤfin (allein.) Jch weis nicht, ob ich dem Maͤdchen ihren Roman faſt mit gu- tem Gewiſſen nehmen darf. Was behaͤlt das Leben fuͤr Reiz uͤbrig, wenn unſre Jmagination nicht welchen hineintraͤgt, Eſſen, Trinken, Beſchaͤfftigungen ohne Ausſicht, ohne ſich ſelbſtgebildetem Ver- gnuͤgen ſind nur ein gefriſteter Tod. Das fuͤhlt ſie auch wohl, und ſtellt ſich nur vergnuͤgt. Wenn ich etwas ausfin- dig machen koͤnnte, ihre Phantaſey mit meiner Klugheit zu vereinigen, ihr Herz, nicht ihren Verſtand zu zwingen, mir zu folgen. Vierte
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das gewußt, ich haͤtte mich deiner nicht
angenommen.
Marie. Verzeihen Sie mir nur dies-
mal!
Graͤfin. Jch verzeih es dir niemals,
wenn du wider dein eigen Gluͤck handelſt.
Geh. (Marie geht ganz verzweiflungsvoll ab.)
Graͤfin (allein.) Jch weis nicht, ob ich
dem Maͤdchen ihren Roman faſt mit gu-
tem Gewiſſen nehmen darf. Was behaͤlt
das Leben fuͤr Reiz uͤbrig, wenn unſre
Jmagination nicht welchen hineintraͤgt,
Eſſen, Trinken, Beſchaͤfftigungen ohne
Ausſicht, ohne ſich ſelbſtgebildetem Ver-
gnuͤgen ſind nur ein gefriſteter Tod.
Das fuͤhlt ſie auch wohl, und ſtellt ſich
nur vergnuͤgt. Wenn ich etwas ausfin-
dig machen koͤnnte, ihre Phantaſey mit
meiner Klugheit zu vereinigen, ihr Herz,
nicht ihren Verſtand zu zwingen, mir zu
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