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Lenz, Jakob Michael Reinhold: Die Soldaten. Leipzig, 1776.

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das beste liebenswürdigste Geschöpf! was
für Hoffnungen fieng ich nicht schon an
von ihr zu schöpfen.
(sie weint.)
Obrister. Diese Thränen machen Jh-
nen Ehre. Sie erweichen auch mich.
Und warum sollte ich nicht weinen, ich,
der fürs Vaterland streiten und sterben
soll; einen Bürger desselben durch einen
meiner Untergebenen mit seinem ganzen
Hause in den unwiederbringlichsten Unter-
gang gestürtzt zu sehen.
Gräfin. Das sind die Folgen des eh-
losen Standes der Herren Soldaten.
Obrister (zuckt die Schultern.) Wie ist dem
abzuhelfen? Schon Homer hat, deucht
mich, gesagt, ein guter Ehmann sey ein
schlechter Soldat. Und die Erfahrung
bestätigts. -- Jch habe allezeit eine be-
sondere Jdee gehabt, wenn ich die Geschich-
te der Andromeda gelesen. Jch sehe die
Soldaten an wie das Ungeheuer, dem
schon von Zeit zu Zeit ein unglückliches
Frauenzimmer freywillig aufgeopfert wer-
den
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das beſte liebenswuͤrdigſte Geſchoͤpf! was
fuͤr Hoffnungen fieng ich nicht ſchon an
von ihr zu ſchoͤpfen.
(ſie weint.)
Obriſter. Dieſe Thraͤnen machen Jh-
nen Ehre. Sie erweichen auch mich.
Und warum ſollte ich nicht weinen, ich,
der fuͤrs Vaterland ſtreiten und ſterben
ſoll; einen Buͤrger deſſelben durch einen
meiner Untergebenen mit ſeinem ganzen
Hauſe in den unwiederbringlichſten Unter-
gang geſtuͤrtzt zu ſehen.
Graͤfin. Das ſind die Folgen des eh-
loſen Standes der Herren Soldaten.
Obriſter (zuckt die Schultern.) Wie iſt dem
abzuhelfen? Schon Homer hat, deucht
mich, geſagt, ein guter Ehmann ſey ein
ſchlechter Soldat. Und die Erfahrung
beſtaͤtigts. — Jch habe allezeit eine be-
ſondere Jdee gehabt, wenn ich die Geſchich-
te der Andromeda geleſen. Jch ſehe die
Soldaten an wie das Ungeheuer, dem
ſchon von Zeit zu Zeit ein ungluͤckliches
Frauenzimmer freywillig aufgeopfert wer-
den
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[117/0121] das beſte liebenswuͤrdigſte Geſchoͤpf! was fuͤr Hoffnungen fieng ich nicht ſchon an von ihr zu ſchoͤpfen. (ſie weint.) Obriſter. Dieſe Thraͤnen machen Jh- nen Ehre. Sie erweichen auch mich. Und warum ſollte ich nicht weinen, ich, der fuͤrs Vaterland ſtreiten und ſterben ſoll; einen Buͤrger deſſelben durch einen meiner Untergebenen mit ſeinem ganzen Hauſe in den unwiederbringlichſten Unter- gang geſtuͤrtzt zu ſehen. Graͤfin. Das ſind die Folgen des eh- loſen Standes der Herren Soldaten. Obriſter (zuckt die Schultern.) Wie iſt dem abzuhelfen? Schon Homer hat, deucht mich, geſagt, ein guter Ehmann ſey ein ſchlechter Soldat. Und die Erfahrung beſtaͤtigts. — Jch habe allezeit eine be- ſondere Jdee gehabt, wenn ich die Geſchich- te der Andromeda geleſen. Jch ſehe die Soldaten an wie das Ungeheuer, dem ſchon von Zeit zu Zeit ein ungluͤckliches Frauenzimmer freywillig aufgeopfert wer- den H 3

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Zitationshilfe: Lenz, Jakob Michael Reinhold: Die Soldaten. Leipzig, 1776, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_soldaten_1776/121>, abgerufen am 24.04.2024.