wenn er es thut, dünket man sich berechtiget, darüber zu stutzen. Man sucht den Verfasser in dem Verfasser, und glaubt, etwas schlechters zu finden, sobald man nicht das nehmliche findet. Destouches hatte in seinem verheyratheten Phi- losophen, in seinem Ruhmredigen, in seinem Verschwender, Muster eines feinern, höhern Komischen gegeben, als man vom Moliere, selbst in seinen ernsthaftesten Stücken, gewohnt war. Sogleich machten die Kunstrichter, die so gern klaßificiren, dieses zu seiner eigenthümlichen Sphäre; was bey dem Poeten vielleicht nichts als zufällige Wahl war, erklärten sie für vor- züglichen Hang und herrschende Fähigkeit; was er einmal, zweymal, nicht gewollt hatte, schien er ihnen nicht zu können: und als er es nunmehr wollte, was sieht Kunstrichtern ähnlicher, als daß sie ihm lieber nicht Gerechtigkeit wiederfahren liessen, ehe sie ihr voreiliges Urtheil änderten? Ich will damit nicht sagen, daß das Niedrig- komische des Destouches mit dem Molierischen von einerley Güte sey. Es ist wirklich um vie- les steifer; der witzige Kopf ist mehr darinn zu spüren, als der getreue Mahler; seine Narren sind selten von den behäglichen Narrren, wie sie aus den Händen der Natur kommen, sondern mehrentheils von der hölzernen Gattung, wie sie die Kunst schnitzelt, und mit Affektation, mit verfehlter Lebensart, mit Pedanterie über-
ladet;
wenn er es thut, duͤnket man ſich berechtiget, daruͤber zu ſtutzen. Man ſucht den Verfaſſer in dem Verfaſſer, und glaubt, etwas ſchlechters zu finden, ſobald man nicht das nehmliche findet. Destouches hatte in ſeinem verheyratheten Phi- loſophen, in ſeinem Ruhmredigen, in ſeinem Verſchwender, Muſter eines feinern, hoͤhern Komiſchen gegeben, als man vom Moliere, ſelbſt in ſeinen ernſthafteſten Stuͤcken, gewohnt war. Sogleich machten die Kunſtrichter, die ſo gern klaßificiren, dieſes zu ſeiner eigenthuͤmlichen Sphaͤre; was bey dem Poeten vielleicht nichts als zufaͤllige Wahl war, erklaͤrten ſie fuͤr vor- zuͤglichen Hang und herrſchende Faͤhigkeit; was er einmal, zweymal, nicht gewollt hatte, ſchien er ihnen nicht zu koͤnnen: und als er es nunmehr wollte, was ſieht Kunſtrichtern aͤhnlicher, als daß ſie ihm lieber nicht Gerechtigkeit wiederfahren lieſſen, ehe ſie ihr voreiliges Urtheil aͤnderten? Ich will damit nicht ſagen, daß das Niedrig- komiſche des Destouches mit dem Molieriſchen von einerley Guͤte ſey. Es iſt wirklich um vie- les ſteifer; der witzige Kopf iſt mehr darinn zu ſpuͤren, als der getreue Mahler; ſeine Narren ſind ſelten von den behaͤglichen Narrren, wie ſie aus den Haͤnden der Natur kommen, ſondern mehrentheils von der hoͤlzernen Gattung, wie ſie die Kunſt ſchnitzelt, und mit Affektation, mit verfehlter Lebensart, mit Pedanterie uͤber-
ladet;
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wenn er es thut, duͤnket man ſich berechtiget,
daruͤber zu ſtutzen. Man ſucht den Verfaſſer in
dem Verfaſſer, und glaubt, etwas ſchlechters
zu finden, ſobald man nicht das nehmliche findet.
Destouches hatte in ſeinem verheyratheten Phi-
loſophen, in ſeinem Ruhmredigen, in ſeinem
Verſchwender, Muſter eines feinern, hoͤhern
Komiſchen gegeben, als man vom Moliere, ſelbſt
in ſeinen ernſthafteſten Stuͤcken, gewohnt war.
Sogleich machten die Kunſtrichter, die ſo gern
klaßificiren, dieſes zu ſeiner eigenthuͤmlichen
Sphaͤre; was bey dem Poeten vielleicht nichts
als zufaͤllige Wahl war, erklaͤrten ſie fuͤr vor-
zuͤglichen Hang und herrſchende Faͤhigkeit; was
er einmal, zweymal, nicht gewollt hatte, ſchien
er ihnen nicht zu koͤnnen: und als er es nunmehr
wollte, was ſieht Kunſtrichtern aͤhnlicher, als
daß ſie ihm lieber nicht Gerechtigkeit wiederfahren
lieſſen, ehe ſie ihr voreiliges Urtheil aͤnderten?
Ich will damit nicht ſagen, daß das Niedrig-
komiſche des Destouches mit dem Molieriſchen
von einerley Guͤte ſey. Es iſt wirklich um vie-
les ſteifer; der witzige Kopf iſt mehr darinn zu
ſpuͤren, als der getreue Mahler; ſeine Narren
ſind ſelten von den behaͤglichen Narrren, wie ſie
aus den Haͤnden der Natur kommen, ſondern
mehrentheils von der hoͤlzernen Gattung, wie
ſie die Kunſt ſchnitzelt, und mit Affektation,
mit verfehlter Lebensart, mit Pedanterie uͤber-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/88>, abgerufen am 09.10.2024.
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