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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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Namens, der in Provinzen Deutschlandes ge-
nannt wird, wo er ohne sie wohl nie wäre
gehöret worden. Aber welches widrige Schick-
sal hat auch diesen Mann abgehalten, mit seinen
Arbeiten für das Theater so lange fortzufahren,
bis die Stücke aufgehört hätten, seinen Namen
zu empfehlen, und sein Name dafür die Stücke
empfohlen hätte?

Das meiste, was wir Deutsche noch in der
schönen Litteratur haben, sind Versuche junger
Leute. Ja das Vorurtheil ist bey uns fast all-
gemein, daß es nur jungen Leuten zukomme, in
diesem Felde zu arbeiten. Männer, sagt man,
haben ernsthaftere Studia, oder wichtigere Ge-
schäfte, zu welchen sie die Kirche oder der Staat
auffodert. Verse und Komödien heissen Spiel-
werke; allenfalls nicht unnützliche Vorübungen,
mit welchen man sich höchstens bis in sein fünf
und zwanzigstes Jahr beschäftigen darf. So-
bald wir uns dem männlichen Alter nähern,
sollen wir fein alle unsere Kräfte einem nützli-
chen Amte widmen; und läßt uns dieses Amt
einige Zeit, etwas zu schreiben, so soll man ja
nichts anders schreiben, als was mit der Gra-
vität und dem bürgerlichen Range desselben be-
stehen kann; ein hübsches Compendium aus
den höhern Facultäten, eine gute Chronike von
der lieben Vaterstadt, eine erbauliche Predigt
und dergleichen.

Daher

Namens, der in Provinzen Deutſchlandes ge-
nannt wird, wo er ohne ſie wohl nie wäre
gehöret worden. Aber welches widrige Schick-
ſal hat auch dieſen Mann abgehalten, mit ſeinen
Arbeiten für das Theater ſo lange fortzufahren,
bis die Stücke aufgehört hätten, ſeinen Namen
zu empfehlen, und ſein Name dafür die Stücke
empfohlen hätte?

Das meiſte, was wir Deutſche noch in der
ſchönen Litteratur haben, ſind Verſuche junger
Leute. Ja das Vorurtheil iſt bey uns faſt all-
gemein, daß es nur jungen Leuten zukomme, in
dieſem Felde zu arbeiten. Männer, ſagt man,
haben ernſthaftere Studia, oder wichtigere Ge-
ſchäfte, zu welchen ſie die Kirche oder der Staat
auffodert. Verſe und Komödien heiſſen Spiel-
werke; allenfalls nicht unnützliche Vorübungen,
mit welchen man ſich höchſtens bis in ſein fünf
und zwanzigſtes Jahr beſchäftigen darf. So-
bald wir uns dem männlichen Alter nähern,
ſollen wir fein alle unſere Kräfte einem nützli-
chen Amte widmen; und läßt uns dieſes Amt
einige Zeit, etwas zu ſchreiben, ſo ſoll man ja
nichts anders ſchreiben, als was mit der Gra-
vität und dem bürgerlichen Range deſſelben be-
ſtehen kann; ein hübſches Compendium aus
den höhern Facultäten, eine gute Chronike von
der lieben Vaterſtadt, eine erbauliche Predigt
und dergleichen.

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[346/0352] Namens, der in Provinzen Deutſchlandes ge- nannt wird, wo er ohne ſie wohl nie wäre gehöret worden. Aber welches widrige Schick- ſal hat auch dieſen Mann abgehalten, mit ſeinen Arbeiten für das Theater ſo lange fortzufahren, bis die Stücke aufgehört hätten, ſeinen Namen zu empfehlen, und ſein Name dafür die Stücke empfohlen hätte? Das meiſte, was wir Deutſche noch in der ſchönen Litteratur haben, ſind Verſuche junger Leute. Ja das Vorurtheil iſt bey uns faſt all- gemein, daß es nur jungen Leuten zukomme, in dieſem Felde zu arbeiten. Männer, ſagt man, haben ernſthaftere Studia, oder wichtigere Ge- ſchäfte, zu welchen ſie die Kirche oder der Staat auffodert. Verſe und Komödien heiſſen Spiel- werke; allenfalls nicht unnützliche Vorübungen, mit welchen man ſich höchſtens bis in ſein fünf und zwanzigſtes Jahr beſchäftigen darf. So- bald wir uns dem männlichen Alter nähern, ſollen wir fein alle unſere Kräfte einem nützli- chen Amte widmen; und läßt uns dieſes Amt einige Zeit, etwas zu ſchreiben, ſo ſoll man ja nichts anders ſchreiben, als was mit der Gra- vität und dem bürgerlichen Range deſſelben be- ſtehen kann; ein hübſches Compendium aus den höhern Facultäten, eine gute Chronike von der lieben Vaterſtadt, eine erbauliche Predigt und dergleichen. Daher

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/352>, abgerufen am 28.03.2024.