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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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Denn ich will und kann es nicht bergen, daß
diese letzten Bogen fast ein Jahr später niederge-
schrieben worden, als ihr Datum besagt. Der
süße Traum, ein Nationaltheater hier in Ham-
burg zu gründen, ist schon wieder verschwun-
den: und so viel ich diesen Ort nun habe kennen
lernen, dürfte er auch wohl gerade der seyn,
wo ein solcher Traum am spätesten in Erfüllung
gehen wird.

Aber auch das kann mir sehr gleichgültig
seyn! -- Jch möchte überhaupt nicht gern das
Ansehen haben, als ob ich es für ein großes Un-
glück hielte, daß Bemühungen vereitelt worden,
an welchen ich Antheil genommen. Sie können
von keiner besondern Wichtigkeit seyn, eben
weil ich Antheil daran genommen. Doch wie,
wenn Bemühungen von weiterm Belange durch
die nehmlichen Undienste scheitern könnten,
durch welche meine gescheitert sind? Die Welt
verliert nichts, daß ich, anstatt fünf und sechs
Bände Dramaturgie, nur zwey an das Licht
bringen kann. Aber sie könnte verlieren, wenn
einmal ein nützlicheres Werk eines bessern
Schriftstellers eben so ins Stecken geriethe; und
es wohl gar Leute gäbe, die einen ausdrücklichen
Plan darnach machten, daß auch das nützlichste,
unter ähnlichen Umständen unternommene Werk
verunglücken sollte und müßte.

Jn

Denn ich will und kann es nicht bergen, daß
dieſe letzten Bogen faſt ein Jahr ſpäter niederge-
ſchrieben worden, als ihr Datum beſagt. Der
ſüße Traum, ein Nationaltheater hier in Ham-
burg zu gründen, iſt ſchon wieder verſchwun-
den: und ſo viel ich dieſen Ort nun habe kennen
lernen, dürfte er auch wohl gerade der ſeyn,
wo ein ſolcher Traum am ſpäteſten in Erfüllung
gehen wird.

Aber auch das kann mir ſehr gleichgültig
ſeyn! — Jch möchte überhaupt nicht gern das
Anſehen haben, als ob ich es für ein großes Un-
glück hielte, daß Bemühungen vereitelt worden,
an welchen ich Antheil genommen. Sie können
von keiner beſondern Wichtigkeit ſeyn, eben
weil ich Antheil daran genommen. Doch wie,
wenn Bemühungen von weiterm Belange durch
die nehmlichen Undienſte ſcheitern könnten,
durch welche meine geſcheitert ſind? Die Welt
verliert nichts, daß ich, anſtatt fünf und ſechs
Bände Dramaturgie, nur zwey an das Licht
bringen kann. Aber ſie könnte verlieren, wenn
einmal ein nützlicheres Werk eines beſſern
Schriftſtellers eben ſo ins Stecken geriethe; und
es wohl gar Leute gäbe, die einen ausdrücklichen
Plan darnach machten, daß auch das nützlichſte,
unter ähnlichen Umſtänden unternommene Werk
verunglücken ſollte und müßte.

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[404/0410] Denn ich will und kann es nicht bergen, daß dieſe letzten Bogen faſt ein Jahr ſpäter niederge- ſchrieben worden, als ihr Datum beſagt. Der ſüße Traum, ein Nationaltheater hier in Ham- burg zu gründen, iſt ſchon wieder verſchwun- den: und ſo viel ich dieſen Ort nun habe kennen lernen, dürfte er auch wohl gerade der ſeyn, wo ein ſolcher Traum am ſpäteſten in Erfüllung gehen wird. Aber auch das kann mir ſehr gleichgültig ſeyn! — Jch möchte überhaupt nicht gern das Anſehen haben, als ob ich es für ein großes Un- glück hielte, daß Bemühungen vereitelt worden, an welchen ich Antheil genommen. Sie können von keiner beſondern Wichtigkeit ſeyn, eben weil ich Antheil daran genommen. Doch wie, wenn Bemühungen von weiterm Belange durch die nehmlichen Undienſte ſcheitern könnten, durch welche meine geſcheitert ſind? Die Welt verliert nichts, daß ich, anſtatt fünf und ſechs Bände Dramaturgie, nur zwey an das Licht bringen kann. Aber ſie könnte verlieren, wenn einmal ein nützlicheres Werk eines beſſern Schriftſtellers eben ſo ins Stecken geriethe; und es wohl gar Leute gäbe, die einen ausdrücklichen Plan darnach machten, daß auch das nützlichſte, unter ähnlichen Umſtänden unternommene Werk verunglücken ſollte und müßte. Jn

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/410>, abgerufen am 24.04.2024.