Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

kai logikou. Es giebt drey Gattungen von Fabeln;
die vernünftige, in welcher der Mensch die han-
delnde Person ist; die sittliche, in welcher unver-
nünftige Wesen aufgeführet werden; die ver-
mischte,
in welcher so wohl unvernünftige als
vernünftige Wesen vorkommen. -- Der Hauptfeh-
ler dieser Eintheilung, welcher sogleich einem jeden
in die Augen leuchtet, ist der, daß sie das nicht er-
schöpft, was sie erschöpfen sollte. Denn wo bleiben
diejenigen Fabeln, die aus Gottheiten und allego-
rischen Personen bestehen? Aphthonius hat die
vernünftige Gattung ausdrücklich auf den einzigen
Menschen eingeschränkt. Doch wenn diesem Fehler
auch abzuhelfen wäre; was kann dem ohngeachtet
roher und mehr von der obersten Fläche abgeschöpft
seyn, als diese Eintheilung? Oefnet sie uns nur
auch die geringste freyere Einsicht in das Wesen der
Fabel?

Batteux würde daher ohne Zweifel eben so wohl
gethan haben, wenn er von der Eintheilung der
Fabel gar geschwiegen hätte, als daß er uns mit
jener kahlen aphthonianischen abspeisen will. Aber

was
N

και λογικου. Es giebt drey Gattungen von Fabeln;
die vernünftige, in welcher der Menſch die han-
delnde Perſon iſt; die ſittliche, in welcher unver-
nünftige Weſen aufgeführet werden; die ver-
miſchte,
in welcher ſo wohl unvernünftige als
vernünftige Weſen vorkommen. — Der Hauptfeh-
ler dieſer Eintheilung, welcher ſogleich einem jeden
in die Augen leuchtet, iſt der, daß ſie das nicht er-
ſchöpft, was ſie erſchöpfen ſollte. Denn wo bleiben
diejenigen Fabeln, die aus Gottheiten und allego-
riſchen Perſonen beſtehen? Aphthonius hat die
vernünftige Gattung ausdrücklich auf den einzigen
Menſchen eingeſchränkt. Doch wenn dieſem Fehler
auch abzuhelfen wäre; was kann dem ohngeachtet
roher und mehr von der oberſten Fläche abgeſchöpft
ſeyn, als dieſe Eintheilung? Oefnet ſie uns nur
auch die geringſte freyere Einſicht in das Weſen der
Fabel?

Batteux würde daher ohne Zweifel eben ſo wohl
gethan haben, wenn er von der Eintheilung der
Fabel gar geſchwiegen hätte, als daß er uns mit
jener kahlen aphthonianiſchen abſpeiſen will. Aber

was
N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><cit><quote><pb facs="#f0213" n="193"/>
&#x03BA;&#x03B1;&#x03B9; &#x03BB;&#x03BF;&#x03B3;&#x03B9;&#x03BA;&#x03BF;&#x03C5;.</quote><bibl/></cit> Es giebt drey Gattungen von Fabeln;<lb/>
die <hi rendition="#fr">vernünftige,</hi> in welcher der Men&#x017F;ch die han-<lb/>
delnde Per&#x017F;on i&#x017F;t; die <hi rendition="#fr">&#x017F;ittliche,</hi> in welcher unver-<lb/>
nünftige We&#x017F;en aufgeführet werden; die <hi rendition="#fr">ver-<lb/>
mi&#x017F;chte,</hi> in welcher &#x017F;o wohl unvernünftige als<lb/>
vernünftige We&#x017F;en vorkommen. &#x2014; Der Hauptfeh-<lb/>
ler die&#x017F;er Eintheilung, welcher &#x017F;ogleich einem jeden<lb/>
in die Augen leuchtet, i&#x017F;t der, daß &#x017F;ie das nicht er-<lb/>
&#x017F;chöpft, was &#x017F;ie er&#x017F;chöpfen &#x017F;ollte. Denn wo bleiben<lb/>
diejenigen Fabeln, die aus Gottheiten und allego-<lb/>
ri&#x017F;chen Per&#x017F;onen be&#x017F;tehen? <hi rendition="#fr">Aphthonius</hi> hat die<lb/><hi rendition="#fr">vernünftige</hi> Gattung ausdrücklich auf den einzigen<lb/>
Men&#x017F;chen einge&#x017F;chränkt. Doch wenn die&#x017F;em Fehler<lb/>
auch abzuhelfen wäre; was kann dem ohngeachtet<lb/>
roher und mehr von der ober&#x017F;ten Fläche abge&#x017F;chöpft<lb/>
&#x017F;eyn, als die&#x017F;e Eintheilung? Oefnet &#x017F;ie uns nur<lb/>
auch die gering&#x017F;te freyere Ein&#x017F;icht in das We&#x017F;en der<lb/>
Fabel?</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Batteux</hi> würde daher ohne Zweifel eben &#x017F;o wohl<lb/>
gethan haben, wenn er von der Eintheilung der<lb/>
Fabel gar ge&#x017F;chwiegen hätte, als daß er uns mit<lb/>
jener kahlen aphthoniani&#x017F;chen ab&#x017F;pei&#x017F;en will. Aber<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N</fw><fw place="bottom" type="catch">was</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0213] και λογικου. Es giebt drey Gattungen von Fabeln; die vernünftige, in welcher der Menſch die han- delnde Perſon iſt; die ſittliche, in welcher unver- nünftige Weſen aufgeführet werden; die ver- miſchte, in welcher ſo wohl unvernünftige als vernünftige Weſen vorkommen. — Der Hauptfeh- ler dieſer Eintheilung, welcher ſogleich einem jeden in die Augen leuchtet, iſt der, daß ſie das nicht er- ſchöpft, was ſie erſchöpfen ſollte. Denn wo bleiben diejenigen Fabeln, die aus Gottheiten und allego- riſchen Perſonen beſtehen? Aphthonius hat die vernünftige Gattung ausdrücklich auf den einzigen Menſchen eingeſchränkt. Doch wenn dieſem Fehler auch abzuhelfen wäre; was kann dem ohngeachtet roher und mehr von der oberſten Fläche abgeſchöpft ſeyn, als dieſe Eintheilung? Oefnet ſie uns nur auch die geringſte freyere Einſicht in das Weſen der Fabel? Batteux würde daher ohne Zweifel eben ſo wohl gethan haben, wenn er von der Eintheilung der Fabel gar geſchwiegen hätte, als daß er uns mit jener kahlen aphthonianiſchen abſpeiſen will. Aber was N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/213
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/213>, abgerufen am 29.04.2024.