Als Jupiter das Fest seiner Vermählung feyerte, und alle Thiere ihm Geschenke brachten, vermißte Juno das Schaf.
Wo bleibt das Schaf? fragte die Göttin. Wa- rum versäumt das fromme Schaf, uns sein wohl- meinendes Geschenk zu bringen?
Und der Hund nahm das Wort und sprach: Zürne nicht, Göttin! Ich habe das Schaf noch heute gesehen; es war sehr betrübt, und jammerte laut.
Und warum jammerte das Schaf? fragte die schon gerührte Göttin.
Ich ärmste! so sprach es. Ich habe itzt weder Wolle, noch Milch; was werde ich dem Jupiter schenken? Soll ich, ich allein, leer vor ihm er- scheinen? Lieber will ich hingehen, und den Hir- ten bitten, daß er mich ihm opfere!
Indem
XXIII. Das Schaf.
Als Jupiter das Feſt ſeiner Vermählung feyerte, und alle Thiere ihm Geſchenke brachten, vermißte Juno das Schaf.
Wo bleibt das Schaf? fragte die Göttin. Wa- rum verſäumt das fromme Schaf, uns ſein wohl- meinendes Geſchenk zu bringen?
Und der Hund nahm das Wort und ſprach: Zürne nicht, Göttin! Ich habe das Schaf noch heute geſehen; es war ſehr betrübt, und jammerte laut.
Und warum jammerte das Schaf? fragte die ſchon gerührte Göttin.
Ich ärmſte! ſo ſprach es. Ich habe itzt weder Wolle, noch Milch; was werde ich dem Jupiter ſchenken? Soll ich, ich allein, leer vor ihm er- ſcheinen? Lieber will ich hingehen, und den Hir- ten bitten, daß er mich ihm opfere!
Indem
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0083"n="63"/><divn="2"><head><hirendition="#aq">XXIII.</hi><lb/><hirendition="#g">Das <hirendition="#fr">Schaf.</hi></hi></head><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>ls Jupiter das Feſt ſeiner Vermählung feyerte,<lb/>
und alle Thiere ihm Geſchenke brachten, vermißte<lb/>
Juno das Schaf.</p><lb/><p>Wo bleibt das Schaf? fragte die Göttin. Wa-<lb/>
rum verſäumt das fromme Schaf, uns ſein wohl-<lb/>
meinendes Geſchenk zu bringen?</p><lb/><p>Und der Hund nahm das Wort und ſprach:<lb/>
Zürne nicht, Göttin! Ich habe das Schaf noch<lb/>
heute geſehen; es war ſehr betrübt, und jammerte<lb/>
laut.</p><lb/><p>Und warum jammerte das Schaf? fragte die<lb/>ſchon gerührte Göttin.</p><lb/><p>Ich ärmſte! ſo ſprach es. Ich habe itzt weder<lb/>
Wolle, noch Milch; was werde ich dem Jupiter<lb/>ſchenken? Soll ich, ich allein, leer vor ihm er-<lb/>ſcheinen? Lieber will ich hingehen, und den Hir-<lb/>
ten bitten, daß er mich ihm opfere!</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Indem</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[63/0083]
XXIII.
Das Schaf.
Als Jupiter das Feſt ſeiner Vermählung feyerte,
und alle Thiere ihm Geſchenke brachten, vermißte
Juno das Schaf.
Wo bleibt das Schaf? fragte die Göttin. Wa-
rum verſäumt das fromme Schaf, uns ſein wohl-
meinendes Geſchenk zu bringen?
Und der Hund nahm das Wort und ſprach:
Zürne nicht, Göttin! Ich habe das Schaf noch
heute geſehen; es war ſehr betrübt, und jammerte
laut.
Und warum jammerte das Schaf? fragte die
ſchon gerührte Göttin.
Ich ärmſte! ſo ſprach es. Ich habe itzt weder
Wolle, noch Milch; was werde ich dem Jupiter
ſchenken? Soll ich, ich allein, leer vor ihm er-
ſcheinen? Lieber will ich hingehen, und den Hir-
ten bitten, daß er mich ihm opfere!
Indem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/83>, abgerufen am 17.04.2021.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2021. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.