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Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.

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unterzogen, und waren diese beendet, so saß sie unablässig bei dem Nähzeug. Aber wer sie beobachtete, konnte sehen, wie schwere Thränen oft aus ihren Augen auf ihre Arbeit niederfielen.

Samuel konnte sie nicht ansehen, ohne das tiefste Mitleid mit ihr zu fühlen. Die Mutter hatte ihm bekannt, daß ein Brief von Hellwig die Ursache von Adelens Kummer sei, und daß die Tochter es verweigert, sich irgendwie über denselben auszulassen. Sie halte es daher für ihre Pflicht, nicht in Adele zu dringen, deren unfehlbares Gemüth immer das Rechte für sich zu finden wisse. Samuel aber war anderer Meinung.

Ihm genügte es, zu erfahren, daß Hellwig's Bild aus Adelen's Zimmer fortgenommen sei, um auf ihre Herstellung zu hoffen. Man hatte das Mädchen von Jugend auf seinen unfehlbaren Instincten überlassen, und es damit in sein Unglück gestürzt. Er hielt es für Zeit, Adelen endlich eine leitende Hand zu bieten, sie aus der Versunkenheit

unterzogen, und waren diese beendet, so saß sie unablässig bei dem Nähzeug. Aber wer sie beobachtete, konnte sehen, wie schwere Thränen oft aus ihren Augen auf ihre Arbeit niederfielen.

Samuel konnte sie nicht ansehen, ohne das tiefste Mitleid mit ihr zu fühlen. Die Mutter hatte ihm bekannt, daß ein Brief von Hellwig die Ursache von Adelens Kummer sei, und daß die Tochter es verweigert, sich irgendwie über denselben auszulassen. Sie halte es daher für ihre Pflicht, nicht in Adele zu dringen, deren unfehlbares Gemüth immer das Rechte für sich zu finden wisse. Samuel aber war anderer Meinung.

Ihm genügte es, zu erfahren, daß Hellwig’s Bild aus Adelen’s Zimmer fortgenommen sei, um auf ihre Herstellung zu hoffen. Man hatte das Mädchen von Jugend auf seinen unfehlbaren Instincten überlassen, und es damit in sein Unglück gestürzt. Er hielt es für Zeit, Adelen endlich eine leitende Hand zu bieten, sie aus der Versunkenheit

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[123/0133] unterzogen, und waren diese beendet, so saß sie unablässig bei dem Nähzeug. Aber wer sie beobachtete, konnte sehen, wie schwere Thränen oft aus ihren Augen auf ihre Arbeit niederfielen. Samuel konnte sie nicht ansehen, ohne das tiefste Mitleid mit ihr zu fühlen. Die Mutter hatte ihm bekannt, daß ein Brief von Hellwig die Ursache von Adelens Kummer sei, und daß die Tochter es verweigert, sich irgendwie über denselben auszulassen. Sie halte es daher für ihre Pflicht, nicht in Adele zu dringen, deren unfehlbares Gemüth immer das Rechte für sich zu finden wisse. Samuel aber war anderer Meinung. Ihm genügte es, zu erfahren, daß Hellwig’s Bild aus Adelen’s Zimmer fortgenommen sei, um auf ihre Herstellung zu hoffen. Man hatte das Mädchen von Jugend auf seinen unfehlbaren Instincten überlassen, und es damit in sein Unglück gestürzt. Er hielt es für Zeit, Adelen endlich eine leitende Hand zu bieten, sie aus der Versunkenheit

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Zitationshilfe: Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lewald_adele_1864/133>, abgerufen am 29.03.2024.