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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Die Assimilation des Kohlenstoffs.

Den Namen nach, die man diesen Materien gegeben hat,
ist man leicht verführt, sie für identisch in ihrer Zusammen-
setzung zu halten. Dieß wäre aber der größte Irrthum, den
man begehen kann, denn merkwürdiger Weise stehen Zucker,
Essigsäure und Colophonium in dem Gewichts-Verhältniß ihrer
Bestandtheile nicht weiter auseinander.

Die Humussäure aus Sägespänen mit Kalihydrat erhal-
ten, enthält nach Peligot's genauer Analyse 72 p. c. Kohlen-
stoff, die Humussäure aus Torf und Braunkohle nach Spren-
gel
58 p. c., die aus Zucker mit verdünnter Schwefelsäure
nach Malaguti 57 p. c., die aus demselben Körper und aus
Stärke mit Salzsäure gewonnene nach Stein 64 p. c. Koh-
lenstoff. Alle diese Analysen sind mit Sorgfalt und Umsicht
wiederholt, und der Kohlenstoffgehalt einer jeden der analysirten
Materie bestätigt worden, so daß jeder Grund hinwegfällt, die
Ursache der Verschiedenheit in der Methode der Analyse oder
der Geschicklichkeit der Analytiker zu suchen.

Nach Malaguti enthält die Humussäure Wasserstoff und
Sauerstoff zu gleichen Aequivalenten, in dem Verhältniß also
wie im Wasser, nach Sprengels Analyse ist darin weniger
Wasserstoff enthalten, und nach Peligot enthält die Humussäure
sogar auf 14 Aeq. Wasserstoff, nur 6 Aeq. Sauerstoff, also
8 Aeq. Wasserstoff mehr als diesem Verhältniß entspricht.

Man sieht leicht, daß die Chemiker bisjetzt gewohnt waren,
alle Zersetzungsproducte organischer Verbindungen von brauner
oder braunschwarzer Farbe mit Humussäure oder Humin
zu bezeichnen, je nachdem sie in Alkalien löslich waren oder
nicht, daß aber diese Producte in ihrer Zusammensetzung und
Entstehungsweise nicht das Geringste mit einander gemein
haben.

Man hat nun nicht den entferntesten Grund zu glauben

Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs.

Den Namen nach, die man dieſen Materien gegeben hat,
iſt man leicht verführt, ſie für identiſch in ihrer Zuſammen-
ſetzung zu halten. Dieß wäre aber der größte Irrthum, den
man begehen kann, denn merkwürdiger Weiſe ſtehen Zucker,
Eſſigſäure und Colophonium in dem Gewichts-Verhältniß ihrer
Beſtandtheile nicht weiter auseinander.

Die Humusſäure aus Sägeſpänen mit Kalihydrat erhal-
ten, enthält nach Peligot’s genauer Analyſe 72 p. c. Kohlen-
ſtoff, die Humusſäure aus Torf und Braunkohle nach Spren-
gel
58 p. c., die aus Zucker mit verdünnter Schwefelſäure
nach Malaguti 57 p. c., die aus demſelben Körper und aus
Stärke mit Salzſäure gewonnene nach Stein 64 p. c. Koh-
lenſtoff. Alle dieſe Analyſen ſind mit Sorgfalt und Umſicht
wiederholt, und der Kohlenſtoffgehalt einer jeden der analyſirten
Materie beſtätigt worden, ſo daß jeder Grund hinwegfällt, die
Urſache der Verſchiedenheit in der Methode der Analyſe oder
der Geſchicklichkeit der Analytiker zu ſuchen.

Nach Malaguti enthält die Humusſäure Waſſerſtoff und
Sauerſtoff zu gleichen Aequivalenten, in dem Verhältniß alſo
wie im Waſſer, nach Sprengels Analyſe iſt darin weniger
Waſſerſtoff enthalten, und nach Peligot enthält die Humusſäure
ſogar auf 14 Aeq. Waſſerſtoff, nur 6 Aeq. Sauerſtoff, alſo
8 Aeq. Waſſerſtoff mehr als dieſem Verhältniß entſpricht.

Man ſieht leicht, daß die Chemiker bisjetzt gewohnt waren,
alle Zerſetzungsproducte organiſcher Verbindungen von brauner
oder braunſchwarzer Farbe mit Humusſäure oder Humin
zu bezeichnen, je nachdem ſie in Alkalien löslich waren oder
nicht, daß aber dieſe Producte in ihrer Zuſammenſetzung und
Entſtehungsweiſe nicht das Geringſte mit einander gemein
haben.

Man hat nun nicht den entfernteſten Grund zu glauben

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[7/0025] Die Aſſimilation des Kohlenſtoffs. Den Namen nach, die man dieſen Materien gegeben hat, iſt man leicht verführt, ſie für identiſch in ihrer Zuſammen- ſetzung zu halten. Dieß wäre aber der größte Irrthum, den man begehen kann, denn merkwürdiger Weiſe ſtehen Zucker, Eſſigſäure und Colophonium in dem Gewichts-Verhältniß ihrer Beſtandtheile nicht weiter auseinander. Die Humusſäure aus Sägeſpänen mit Kalihydrat erhal- ten, enthält nach Peligot’s genauer Analyſe 72 p. c. Kohlen- ſtoff, die Humusſäure aus Torf und Braunkohle nach Spren- gel 58 p. c., die aus Zucker mit verdünnter Schwefelſäure nach Malaguti 57 p. c., die aus demſelben Körper und aus Stärke mit Salzſäure gewonnene nach Stein 64 p. c. Koh- lenſtoff. Alle dieſe Analyſen ſind mit Sorgfalt und Umſicht wiederholt, und der Kohlenſtoffgehalt einer jeden der analyſirten Materie beſtätigt worden, ſo daß jeder Grund hinwegfällt, die Urſache der Verſchiedenheit in der Methode der Analyſe oder der Geſchicklichkeit der Analytiker zu ſuchen. Nach Malaguti enthält die Humusſäure Waſſerſtoff und Sauerſtoff zu gleichen Aequivalenten, in dem Verhältniß alſo wie im Waſſer, nach Sprengels Analyſe iſt darin weniger Waſſerſtoff enthalten, und nach Peligot enthält die Humusſäure ſogar auf 14 Aeq. Waſſerſtoff, nur 6 Aeq. Sauerſtoff, alſo 8 Aeq. Waſſerſtoff mehr als dieſem Verhältniß entſpricht. Man ſieht leicht, daß die Chemiker bisjetzt gewohnt waren, alle Zerſetzungsproducte organiſcher Verbindungen von brauner oder braunſchwarzer Farbe mit Humusſäure oder Humin zu bezeichnen, je nachdem ſie in Alkalien löslich waren oder nicht, daß aber dieſe Producte in ihrer Zuſammenſetzung und Entſtehungsweiſe nicht das Geringſte mit einander gemein haben. Man hat nun nicht den entfernteſten Grund zu glauben

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/25>, abgerufen am 29.03.2024.