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Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840.

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Ursprung und Verhalten des Humus.

Es ist gezeigt worden, daß die Verwesung einen langsamen
Verbrennungsproceß bezeichnet, den Vorgang also, wo die ver-
brennlichen Bestandtheile des verwesenden Körpers sich mit dem
Sauerstoff der Luft verbinden.

Die Verwesung des Hauptbestandtheiles aller Vegetabilien,
der Holzfaser, zeigt eine Erscheinung eigenthümlicher Art.

Mit Sauerstoff in Berührung, mit Luft umgeben, verwan-
delt sie nämlich den Sauerstoff in ein ihm gleiches Volumen
kohlensaures Gas; mit dem Verschwinden des Sauerstoffs hört
die Verwesung auf.

Wird dieses kohlensaure Gas hinweggenommen und durch
Sauerstoff ersetzt, so fängt die Verwesung von Neuem an, d. h.
der Sauerstoff wird wieder in Kohlensäure verwandelt.

Die Holzfaser besteht nun aus Kohlenstoff und den Elemen-
ten des Wassers; von allem Andern abgesehen, geht ihre Ver-
brennung vor, wie wenn man reine Kohle bei sehr hohen Tem-
peraturen verbrennt, gerade so, als ob kein Wasserstoff und
Sauerstoff mit ihr in der Holzfaser verbunden wäre.

Die Vollendung dieses Verbrennungsprocesses erfordert eine
sehr lange Zeit; eine unerläßliche Bedingung zu seiner Unterhal-
tung ist die Gegenwart von Wasser; Alkalien befördern ihn, Säu-
ren verhindern ihn, alle antiseptischen Materien, schweflige Säure,
Quecksilbersalze und brenzliche Oele heben ihn gänzlich auf.

Die in Verwesung begriffene Holzfaser ist der Körper, den
wir Humus nennen.

In demselben Grade, als die Verwesung der Holzfaser vor-
angeschritten ist, vermindert sich ihre Fähigkeit, zu verwesen,
d. h. das umgebende Sauerstoffgas in Kohlensäure zu ver-
wandeln, zuletzt bleibt eine gewisse Menge einer braunen oder
kohlenartigen Substanz zurück, der sie gänzlich fehlt, man nennt
sie Moder; sie ist das Product der vollendeten Verwesung

Urſprung und Verhalten des Humus.

Es iſt gezeigt worden, daß die Verweſung einen langſamen
Verbrennungsproceß bezeichnet, den Vorgang alſo, wo die ver-
brennlichen Beſtandtheile des verweſenden Körpers ſich mit dem
Sauerſtoff der Luft verbinden.

Die Verweſung des Hauptbeſtandtheiles aller Vegetabilien,
der Holzfaſer, zeigt eine Erſcheinung eigenthümlicher Art.

Mit Sauerſtoff in Berührung, mit Luft umgeben, verwan-
delt ſie nämlich den Sauerſtoff in ein ihm gleiches Volumen
kohlenſaures Gas; mit dem Verſchwinden des Sauerſtoffs hört
die Verweſung auf.

Wird dieſes kohlenſaure Gas hinweggenommen und durch
Sauerſtoff erſetzt, ſo fängt die Verweſung von Neuem an, d. h.
der Sauerſtoff wird wieder in Kohlenſäure verwandelt.

Die Holzfaſer beſteht nun aus Kohlenſtoff und den Elemen-
ten des Waſſers; von allem Andern abgeſehen, geht ihre Ver-
brennung vor, wie wenn man reine Kohle bei ſehr hohen Tem-
peraturen verbrennt, gerade ſo, als ob kein Waſſerſtoff und
Sauerſtoff mit ihr in der Holzfaſer verbunden wäre.

Die Vollendung dieſes Verbrennungsproceſſes erfordert eine
ſehr lange Zeit; eine unerläßliche Bedingung zu ſeiner Unterhal-
tung iſt die Gegenwart von Waſſer; Alkalien befördern ihn, Säu-
ren verhindern ihn, alle antiſeptiſchen Materien, ſchweflige Säure,
Queckſilberſalze und brenzliche Oele heben ihn gänzlich auf.

Die in Verweſung begriffene Holzfaſer iſt der Körper, den
wir Humus nennen.

In demſelben Grade, als die Verweſung der Holzfaſer vor-
angeſchritten iſt, vermindert ſich ihre Fähigkeit, zu verweſen,
d. h. das umgebende Sauerſtoffgas in Kohlenſäure zu ver-
wandeln, zuletzt bleibt eine gewiſſe Menge einer braunen oder
kohlenartigen Subſtanz zurück, der ſie gänzlich fehlt, man nennt
ſie Moder; ſie iſt das Product der vollendeten Verweſung

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[44/0062] Urſprung und Verhalten des Humus. Es iſt gezeigt worden, daß die Verweſung einen langſamen Verbrennungsproceß bezeichnet, den Vorgang alſo, wo die ver- brennlichen Beſtandtheile des verweſenden Körpers ſich mit dem Sauerſtoff der Luft verbinden. Die Verweſung des Hauptbeſtandtheiles aller Vegetabilien, der Holzfaſer, zeigt eine Erſcheinung eigenthümlicher Art. Mit Sauerſtoff in Berührung, mit Luft umgeben, verwan- delt ſie nämlich den Sauerſtoff in ein ihm gleiches Volumen kohlenſaures Gas; mit dem Verſchwinden des Sauerſtoffs hört die Verweſung auf. Wird dieſes kohlenſaure Gas hinweggenommen und durch Sauerſtoff erſetzt, ſo fängt die Verweſung von Neuem an, d. h. der Sauerſtoff wird wieder in Kohlenſäure verwandelt. Die Holzfaſer beſteht nun aus Kohlenſtoff und den Elemen- ten des Waſſers; von allem Andern abgeſehen, geht ihre Ver- brennung vor, wie wenn man reine Kohle bei ſehr hohen Tem- peraturen verbrennt, gerade ſo, als ob kein Waſſerſtoff und Sauerſtoff mit ihr in der Holzfaſer verbunden wäre. Die Vollendung dieſes Verbrennungsproceſſes erfordert eine ſehr lange Zeit; eine unerläßliche Bedingung zu ſeiner Unterhal- tung iſt die Gegenwart von Waſſer; Alkalien befördern ihn, Säu- ren verhindern ihn, alle antiſeptiſchen Materien, ſchweflige Säure, Queckſilberſalze und brenzliche Oele heben ihn gänzlich auf. Die in Verweſung begriffene Holzfaſer iſt der Körper, den wir Humus nennen. In demſelben Grade, als die Verweſung der Holzfaſer vor- angeſchritten iſt, vermindert ſich ihre Fähigkeit, zu verweſen, d. h. das umgebende Sauerſtoffgas in Kohlenſäure zu ver- wandeln, zuletzt bleibt eine gewiſſe Menge einer braunen oder kohlenartigen Subſtanz zurück, der ſie gänzlich fehlt, man nennt ſie Moder; ſie iſt das Product der vollendeten Verweſung

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Zitationshilfe: Liebig, Justus von: Die organische Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig, 1840, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liebig_agricultur_1840/62>, abgerufen am 24.04.2024.