Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883].

Bild:
<< vorherige Seite
Ein Häslein nur fühlt noch des Lebens Wärme,
Am Weidenstumpfe hockt es bang.
Doch kreischen hungrig schon die Rabenschwärme
Und hacken auf den sichern Fang.
Bis auf den schwarzen Schlammgrund sind gefroren
Die Wasserlöcher und der See.
Zuweilen geht ein Wimmern, wie verloren,
Dann stirbt im toten Wald ein Reh.


Tiefeinsamkeit, es schlingt um deine Pforte
Die Erika das rote Band.
Von Menschen leer, was braucht es noch der Worte,
Sei mir gegrüßt du stilles Land.


Du hast mich aber lange
warten lassen.


Es lauscht der Wald.
Komm bald, komm bald,
Eh' noch verschallt im Lärm des neuen Tages
Der Quelle Murmeln, und verhallt.
Geschwind, geschwind,
Mein süßes Kind,
Eh' noch im Wind die Schauer tiefer Stille
Verzogen und verflogen sind.
Durch Wipfel bricht
Das Morgenlicht.
O, länger nicht, mein holdes kleines Mädchen,
Laß nun mich warten, länger nicht.

Ein Häslein nur fühlt noch des Lebens Wärme,
Am Weidenſtumpfe hockt es bang.
Doch kreiſchen hungrig ſchon die Rabenſchwärme
Und hacken auf den ſichern Fang.
Bis auf den ſchwarzen Schlammgrund ſind gefroren
Die Waſſerlöcher und der See.
Zuweilen geht ein Wimmern, wie verloren,
Dann ſtirbt im toten Wald ein Reh.


Tiefeinſamkeit, es ſchlingt um deine Pforte
Die Erika das rote Band.
Von Menſchen leer, was braucht es noch der Worte,
Sei mir gegrüßt du ſtilles Land.


Du haſt mich aber lange
warten laſſen.


Es lauſcht der Wald.
Komm bald, komm bald,
Eh’ noch verſchallt im Lärm des neuen Tages
Der Quelle Murmeln, und verhallt.
Geſchwind, geſchwind,
Mein ſüßes Kind,
Eh’ noch im Wind die Schauer tiefer Stille
Verzogen und verflogen ſind.
Durch Wipfel bricht
Das Morgenlicht.
O, länger nicht, mein holdes kleines Mädchen,
Laß nun mich warten, länger nicht.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0049" n="41"/>
          <lg n="2">
            <l>Ein Häslein nur fühlt noch des Lebens Wärme,</l><lb/>
            <l>Am Weiden&#x017F;tumpfe hockt es bang.</l><lb/>
            <l>Doch krei&#x017F;chen hungrig &#x017F;chon die Raben&#x017F;chwärme</l><lb/>
            <l>Und hacken auf den &#x017F;ichern Fang.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Bis auf den &#x017F;chwarzen Schlammgrund &#x017F;ind gefroren</l><lb/>
            <l>Die Wa&#x017F;&#x017F;erlöcher und der See.</l><lb/>
            <l>Zuweilen geht ein Wimmern, wie verloren,</l><lb/>
            <l>Dann &#x017F;tirbt im toten Wald ein Reh.</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l><choice><sic>Tie&#x017F;ein&#x017F;amkeit</sic><corr>Tiefein&#x017F;amkeit</corr></choice>, es &#x017F;chlingt um deine Pforte</l><lb/>
            <l>Die Erika das rote Band.</l><lb/>
            <l>Von Men&#x017F;chen leer, was braucht es noch der Worte,</l><lb/>
            <l>Sei mir gegrüßt du &#x017F;tilles Land.</l>
          </lg>
        </lg>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Du ha&#x017F;t mich aber lange<lb/>
warten la&#x017F;&#x017F;en.</hi> </head><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">E</hi>s lau&#x017F;cht der Wald.</l><lb/>
            <l>Komm bald, komm bald,</l><lb/>
            <l>Eh&#x2019; noch ver&#x017F;challt im Lärm des neuen Tages</l><lb/>
            <l>Der Quelle Murmeln, und verhallt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Ge&#x017F;chwind, ge&#x017F;chwind,</l><lb/>
            <l>Mein &#x017F;üßes Kind,</l><lb/>
            <l>Eh&#x2019; noch im Wind die Schauer tiefer Stille</l><lb/>
            <l>Verzogen und verflogen &#x017F;ind.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Durch Wipfel bricht</l><lb/>
            <l>Das Morgenlicht.</l><lb/>
            <l>O, länger nicht, mein holdes kleines Mädchen,</l><lb/>
            <l>Laß nun mich warten, länger nicht.</l>
          </lg><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0049] Ein Häslein nur fühlt noch des Lebens Wärme, Am Weidenſtumpfe hockt es bang. Doch kreiſchen hungrig ſchon die Rabenſchwärme Und hacken auf den ſichern Fang. Bis auf den ſchwarzen Schlammgrund ſind gefroren Die Waſſerlöcher und der See. Zuweilen geht ein Wimmern, wie verloren, Dann ſtirbt im toten Wald ein Reh. Tiefeinſamkeit, es ſchlingt um deine Pforte Die Erika das rote Band. Von Menſchen leer, was braucht es noch der Worte, Sei mir gegrüßt du ſtilles Land. Du haſt mich aber lange warten laſſen. Es lauſcht der Wald. Komm bald, komm bald, Eh’ noch verſchallt im Lärm des neuen Tages Der Quelle Murmeln, und verhallt. Geſchwind, geſchwind, Mein ſüßes Kind, Eh’ noch im Wind die Schauer tiefer Stille Verzogen und verflogen ſind. Durch Wipfel bricht Das Morgenlicht. O, länger nicht, mein holdes kleines Mädchen, Laß nun mich warten, länger nicht.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/49
Zitationshilfe: Liliencron, Detlev von: Adjutantenritte und andere Gedichte. Leipzig, [1883], S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liliencron_adjutantenritte_1883/49>, abgerufen am 28.03.2024.