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Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889.

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reich, selbst mit richtig geformten grösseren Flugflächen im
Winde zu operieren. Allen denen aber, die hierzu keine Ge-
legenheit haben, diene folgendes zum besseren Verständnis.

Als wir zuerst mit derartigen leicht gebauten Flächen-
formen in den Wind kamen, wurde in uns die Ahnung von
der Bedeutung der gewölbten Flügelfläche sofort zur Gewiss-
heit. Schon beim Transport solcher grösserer Flügelkörper
nach der Versuchsstelle macht man interessante Bemerkungen.
Man ist befriedigt, dass der Wind kräftig bläst, weil die
Messungen um so genauer werden, je grösser die gefundenen
Zahlenwerte sich herausstellen, aber der Transport der Ver-
suchsflächen über freies Feld hat bei starkem Wind seine
Schwierigkeiten. Die Flächen sind beispielsweise aus leichten
Weidenrippen zusammengesetzt und beiderseits mit Papier
überspannt. Man muss also schon behutsam mit ihnen um-
gehen. Der Wind schleudert aber in so unberechenbarer Weise
mit den Flächen herum, drückt sie bald nach oben, bald nach
unten, dass man nicht weiss, wie man die Flächen halten soll.
Aber schon auf dem ersten Gang zur Versuchsstelle ergiebt
sich eine unfehlbare Praxis für den leichten Transport. Man
findet, dass eine solche flügelförmig gewölbte Fläche, welche
mit der Höhlung nach oben so schwer zu tragen war, als wenn
sie mit Sand gefüllt wäre, nach der Umkehrung, wo also die
Höhlung nach unten liegt, vom Winde selbst sanft gehoben
und getragen wird. Wenn man dann nur eine flache Hand
leicht auf die Fläche legt und letztere am Aufsteigen ver-
hindert, sowie nebenbei die horizontale Lage sichert, so
schwimmt die Versuchsfläche förmlich auf dem Winde, und
wenn die Fläche etwa 0,5 qm gross ist, so kann man bei
starkem Wind noch einen Teil des eigenen Armgewichtes mit
von der Fläche tragen lassen.

Jetzt, wo die Diagramme vor uns liegen, ist es ja ein
Leichtes, die Hebewirkung eines etwa 10 m schnellen Windes
auf eine solche Fläche auszurechnen. Nehmen wir als Hebe-
druck nur den halben Druck der normal getroffenen Fläche
an, so erhalten wir bei 10 m Windgeschwindigkeit bei dieser

reich, selbst mit richtig geformten gröſseren Flugflächen im
Winde zu operieren. Allen denen aber, die hierzu keine Ge-
legenheit haben, diene folgendes zum besseren Verständnis.

Als wir zuerst mit derartigen leicht gebauten Flächen-
formen in den Wind kamen, wurde in uns die Ahnung von
der Bedeutung der gewölbten Flügelfläche sofort zur Gewiſs-
heit. Schon beim Transport solcher gröſserer Flügelkörper
nach der Versuchsstelle macht man interessante Bemerkungen.
Man ist befriedigt, daſs der Wind kräftig bläst, weil die
Messungen um so genauer werden, je gröſser die gefundenen
Zahlenwerte sich herausstellen, aber der Transport der Ver-
suchsflächen über freies Feld hat bei starkem Wind seine
Schwierigkeiten. Die Flächen sind beispielsweise aus leichten
Weidenrippen zusammengesetzt und beiderseits mit Papier
überspannt. Man muſs also schon behutsam mit ihnen um-
gehen. Der Wind schleudert aber in so unberechenbarer Weise
mit den Flächen herum, drückt sie bald nach oben, bald nach
unten, daſs man nicht weiſs, wie man die Flächen halten soll.
Aber schon auf dem ersten Gang zur Versuchsstelle ergiebt
sich eine unfehlbare Praxis für den leichten Transport. Man
findet, daſs eine solche flügelförmig gewölbte Fläche, welche
mit der Höhlung nach oben so schwer zu tragen war, als wenn
sie mit Sand gefüllt wäre, nach der Umkehrung, wo also die
Höhlung nach unten liegt, vom Winde selbst sanft gehoben
und getragen wird. Wenn man dann nur eine flache Hand
leicht auf die Fläche legt und letztere am Aufsteigen ver-
hindert, sowie nebenbei die horizontale Lage sichert, so
schwimmt die Versuchsfläche förmlich auf dem Winde, und
wenn die Fläche etwa 0,5 qm groſs ist, so kann man bei
starkem Wind noch einen Teil des eigenen Armgewichtes mit
von der Fläche tragen lassen.

Jetzt, wo die Diagramme vor uns liegen, ist es ja ein
Leichtes, die Hebewirkung eines etwa 10 m schnellen Windes
auf eine solche Fläche auszurechnen. Nehmen wir als Hebe-
druck nur den halben Druck der normal getroffenen Fläche
an, so erhalten wir bei 10 m Windgeschwindigkeit bei dieser

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[122/0138] reich, selbst mit richtig geformten gröſseren Flugflächen im Winde zu operieren. Allen denen aber, die hierzu keine Ge- legenheit haben, diene folgendes zum besseren Verständnis. Als wir zuerst mit derartigen leicht gebauten Flächen- formen in den Wind kamen, wurde in uns die Ahnung von der Bedeutung der gewölbten Flügelfläche sofort zur Gewiſs- heit. Schon beim Transport solcher gröſserer Flügelkörper nach der Versuchsstelle macht man interessante Bemerkungen. Man ist befriedigt, daſs der Wind kräftig bläst, weil die Messungen um so genauer werden, je gröſser die gefundenen Zahlenwerte sich herausstellen, aber der Transport der Ver- suchsflächen über freies Feld hat bei starkem Wind seine Schwierigkeiten. Die Flächen sind beispielsweise aus leichten Weidenrippen zusammengesetzt und beiderseits mit Papier überspannt. Man muſs also schon behutsam mit ihnen um- gehen. Der Wind schleudert aber in so unberechenbarer Weise mit den Flächen herum, drückt sie bald nach oben, bald nach unten, daſs man nicht weiſs, wie man die Flächen halten soll. Aber schon auf dem ersten Gang zur Versuchsstelle ergiebt sich eine unfehlbare Praxis für den leichten Transport. Man findet, daſs eine solche flügelförmig gewölbte Fläche, welche mit der Höhlung nach oben so schwer zu tragen war, als wenn sie mit Sand gefüllt wäre, nach der Umkehrung, wo also die Höhlung nach unten liegt, vom Winde selbst sanft gehoben und getragen wird. Wenn man dann nur eine flache Hand leicht auf die Fläche legt und letztere am Aufsteigen ver- hindert, sowie nebenbei die horizontale Lage sichert, so schwimmt die Versuchsfläche förmlich auf dem Winde, und wenn die Fläche etwa 0,5 qm groſs ist, so kann man bei starkem Wind noch einen Teil des eigenen Armgewichtes mit von der Fläche tragen lassen. Jetzt, wo die Diagramme vor uns liegen, ist es ja ein Leichtes, die Hebewirkung eines etwa 10 m schnellen Windes auf eine solche Fläche auszurechnen. Nehmen wir als Hebe- druck nur den halben Druck der normal getroffenen Fläche an, so erhalten wir bei 10 m Windgeschwindigkeit bei dieser

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Zitationshilfe: Lilienthal, Otto: Der Vogelflug als Grundlage der Fliegekunst. Ein Beitrag zur Systematik der Flugtechnik. Berlin, 1889, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lilienthal_vogelflug_1889/138>, abgerufen am 28.03.2024.