Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739.

Bild:
<< vorherige Seite
(o)

Jederman weiß, daß die Menschen nicht alle einer
Art sind. Einige sind klug und tugendhaft, andere
aber dumm und böse. Ein ehrlicher Mann kehrt
sich wenig daran, was diese letzten von ihm sa-
gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen
gelobet zu seyn, und achtet es nicht, wenn sie ihn
lästern. Er spricht:

Non moror, an laudet me turpis, an im-
probet osor.

Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per-
sonen ist eine Sache, die er eyferig suchet. Es
ist ihm nicht gleichviel, was solche Leute von ihm
sagen, und so wenig er darnach frägt, was die
dumme Welt von ihm urtheilet, so sehr erquicket
ihn das Lob, so ihm die Klugen beylegen. Er ist
gesinnet, wie der Hector beym Nävius. Laetus
sum,
spricht er, laudari me abs te, pater, lau-
dato viro.
Denn ea profecto jucunda laus, qvae
ab iis proficiscitur, qvi ipsi in laude vixerunt.

Zu reden mit dem Cicerone Lib. XV. ep. 6.

Jst es nun einem gelehrten Mann angenehm,
von rechtschaffenen Leuten gelobet zu werden, so
so ist es ihm hergegen ein empfindliches Creutz,
wenn solche Personen ungleiche Gedancken von
ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig-
ter Leser, und habe seit einigen Monathen mit
Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile,
solcher Leute, denen wir zu gefallen suchen, einem
Menschen vor Kummer verursachen, den sein Ge-
wissen überzeuget, daß er dieselben nicht verdiene.

Der Christliche Leser weiß, daß vor nicht lan-
ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorschein gekom-

men
G 2
(o)

Jederman weiß, daß die Menſchen nicht alle einer
Art ſind. Einige ſind klug und tugendhaft, andere
aber dumm und boͤſe. Ein ehrlicher Mann kehrt
ſich wenig daran, was dieſe letzten von ihm ſa-
gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen
gelobet zu ſeyn, und achtet es nicht, wenn ſie ihn
laͤſtern. Er ſpricht:

Non moror, an laudet me turpis, an im-
probet oſor.

Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per-
ſonen iſt eine Sache, die er eyferig ſuchet. Es
iſt ihm nicht gleichviel, was ſolche Leute von ihm
ſagen, und ſo wenig er darnach fraͤgt, was die
dumme Welt von ihm urtheilet, ſo ſehr erquicket
ihn das Lob, ſo ihm die Klugen beylegen. Er iſt
geſinnet, wie der Hector beym Naͤvius. Lætus
ſum,
ſpricht er, laudari me abs te, pater, lau-
dato viro.
Denn ea profecto jucunda laus, qvæ
ab iis proficiſcitur, qvi ipſi in laude vixerunt.

Zu reden mit dem Cicerone Lib. XV. ep. 6.

Jſt es nun einem gelehrten Mann angenehm,
von rechtſchaffenen Leuten gelobet zu werden, ſo
ſo iſt es ihm hergegen ein empfindliches Creutz,
wenn ſolche Perſonen ungleiche Gedancken von
ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig-
ter Leſer, und habe ſeit einigen Monathen mit
Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile,
ſolcher Leute, denen wir zu gefallen ſuchen, einem
Menſchen vor Kummer verurſachen, den ſein Ge-
wiſſen uͤberzeuget, daß er dieſelben nicht verdiene.

Der Chriſtliche Leſer weiß, daß vor nicht lan-
ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorſchein gekom-

men
G 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0191" n="99"/>
          <fw place="top" type="header">(<hi rendition="#aq">o</hi>)</fw><lb/>
          <p>Jederman weiß, daß die Men&#x017F;chen nicht alle einer<lb/>
Art &#x017F;ind. Einige &#x017F;ind klug und tugendhaft, andere<lb/>
aber dumm und bo&#x0364;&#x017F;e. Ein ehrlicher Mann kehrt<lb/>
&#x017F;ich wenig daran, was die&#x017F;e letzten von ihm &#x017F;a-<lb/>
gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen<lb/>
gelobet zu &#x017F;eyn, und achtet es nicht, wenn &#x017F;ie ihn<lb/>
la&#x0364;&#x017F;tern. Er &#x017F;pricht:</p><lb/>
          <cit>
            <quote> <hi rendition="#aq">Non moror, an laudet me turpis, an im-<lb/><hi rendition="#et">probet o&#x017F;or.</hi></hi> </quote>
          </cit><lb/>
          <p>Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per-<lb/>
&#x017F;onen i&#x017F;t eine Sache, die er eyferig &#x017F;uchet. Es<lb/>
i&#x017F;t ihm nicht gleichviel, was &#x017F;olche Leute von ihm<lb/>
&#x017F;agen, und &#x017F;o wenig er darnach fra&#x0364;gt, was die<lb/>
dumme Welt von ihm urtheilet, &#x017F;o &#x017F;ehr erquicket<lb/>
ihn das Lob, &#x017F;o ihm die Klugen beylegen. Er i&#x017F;t<lb/>
ge&#x017F;innet, wie der Hector beym Na&#x0364;vius. <hi rendition="#aq">Lætus<lb/>
&#x017F;um,</hi> &#x017F;pricht er, <hi rendition="#aq">laudari me abs te, pater, lau-<lb/>
dato viro.</hi> Denn <hi rendition="#aq">ea profecto jucunda laus, qvæ<lb/>
ab iis profici&#x017F;citur, qvi ip&#x017F;i in laude vixerunt.</hi><lb/>
Zu reden mit dem <hi rendition="#aq">Cicerone Lib. XV. ep.</hi> 6.</p><lb/>
          <p>J&#x017F;t es nun einem gelehrten Mann angenehm,<lb/>
von recht&#x017F;chaffenen Leuten gelobet zu werden, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t es ihm hergegen ein empfindliches Creutz,<lb/>
wenn &#x017F;olche Per&#x017F;onen ungleiche Gedancken von<lb/>
ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig-<lb/>
ter Le&#x017F;er, und habe &#x017F;eit einigen Monathen mit<lb/>
Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile,<lb/>
&#x017F;olcher Leute, denen wir zu gefallen &#x017F;uchen, einem<lb/>
Men&#x017F;chen vor Kummer verur&#x017F;achen, den &#x017F;ein Ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en u&#x0364;berzeuget, daß er die&#x017F;elben nicht verdiene.</p><lb/>
          <p>Der Chri&#x017F;tliche Le&#x017F;er weiß, daß vor nicht lan-<lb/>
ger Zeit eine kleine Schrift zum Vor&#x017F;chein gekom-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 2</fw><fw place="bottom" type="catch">men</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0191] (o) Jederman weiß, daß die Menſchen nicht alle einer Art ſind. Einige ſind klug und tugendhaft, andere aber dumm und boͤſe. Ein ehrlicher Mann kehrt ſich wenig daran, was dieſe letzten von ihm ſa- gen oder dencken. Er verlanget nicht von ihnen gelobet zu ſeyn, und achtet es nicht, wenn ſie ihn laͤſtern. Er ſpricht: Non moror, an laudet me turpis, an im- probet oſor. Aber der Beyfall kluger und tugendhafter Per- ſonen iſt eine Sache, die er eyferig ſuchet. Es iſt ihm nicht gleichviel, was ſolche Leute von ihm ſagen, und ſo wenig er darnach fraͤgt, was die dumme Welt von ihm urtheilet, ſo ſehr erquicket ihn das Lob, ſo ihm die Klugen beylegen. Er iſt geſinnet, wie der Hector beym Naͤvius. Lætus ſum, ſpricht er, laudari me abs te, pater, lau- dato viro. Denn ea profecto jucunda laus, qvæ ab iis proficiſcitur, qvi ipſi in laude vixerunt. Zu reden mit dem Cicerone Lib. XV. ep. 6. Jſt es nun einem gelehrten Mann angenehm, von rechtſchaffenen Leuten gelobet zu werden, ſo ſo iſt es ihm hergegen ein empfindliches Creutz, wenn ſolche Perſonen ungleiche Gedancken von ihm haben. Jch rede aus der Erfahrung, geneig- ter Leſer, und habe ſeit einigen Monathen mit Verdruß empfunden, was die widrigen Urtheile, ſolcher Leute, denen wir zu gefallen ſuchen, einem Menſchen vor Kummer verurſachen, den ſein Ge- wiſſen uͤberzeuget, daß er dieſelben nicht verdiene. Der Chriſtliche Leſer weiß, daß vor nicht lan- ger Zeit eine kleine Schrift zum Vorſchein gekom- men G 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Verlagsangabe wurde ermittelt (vgl. http://op… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/191
Zitationshilfe: [Liscow, Christian Ludwig]: Samlung Satyrischer und Ernsthafter Schriften. Frankfurt u. a., 1739, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liscow_samlung_1739/191>, abgerufen am 29.03.2024.