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Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881.

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Mehrheit der Verbrechen. Rückfall u. Konkurrenz. §. 41.
gewisser Zeitraum (sogenannte Rückfallsverjährung) ver-
strichen ist, der die strafrechtliche Beziehung zwischen beiden
Handlungen als zerrissen erscheinen läßt.

Der Rückfall wird nach Reichsrecht nur in einzelnen
Fällen und zwar immer nur als Strafschärfungsgrund ver-
wendet (vgl. unten §. 54 I 1).

II. Sogenannte reale Konkurrenz oder Zusammen-
treffen
mehrerer strafbarer Handlungen. Die konsequente
Durchführung des prinzipiell unstreitigen richtigen Gedankens,
daß bei Begehung mehrerer Verbrechen durch denselben
Thäter jede der verbrecherischen Handlungen mit der ihr
entsprechenden Einzelstrafe, die Summe jener Handlungen
daher mit der Summe dieser Einzelstrafen zu belegen sei,
führt nach der heute in der Gesetzgebung herrschenden Auf-
fassung zu unerträglichen Härten (vgl. darüber das Nähere
unter §. 56 I). Die gesetzliche Anordnung der Milderung
dieser Härten erheischt die gesetzliche Fixierung der Voraus-
setzungen, unter welchen die Abweichung von dem Prinzipe
stattfinden soll, und führt somit zu der Aufstellung des Be-
griffes der Realkonkurrenz. Der Begriff verdankt mithin
lediglich den Bedürfnissen der Strafanwendungspolitik seine
Entstehung.1 Voraussetzungen der Realkonkurrenz sind: einer-
seits die, wenn auch thatsächlich vereitelte, rechtliche Mög-
lichkeit gleichzeitiger Aburteilung
, andrerseits die
thatsächliche Möglichkeit nachträglicher Berück-
sichtigung jener rechtlichen Möglichkeit
. Genauer
gesprochen: Realkonkurrenz ist die Begehung mehrerer ver-
brecherischer Handlungen durch denselben Thäter, wenn

1 [Spaltenumbruch] Wer aber deshalb von
Strafenkonkurrenz statt von
Verbrechenskonkurrenz sprechen[Spaltenumbruch] wollte, würde den Grund mit
der Folge verwechseln.

Mehrheit der Verbrechen. Rückfall u. Konkurrenz. §. 41.
gewiſſer Zeitraum (ſogenannte Rückfallsverjährung) ver-
ſtrichen iſt, der die ſtrafrechtliche Beziehung zwiſchen beiden
Handlungen als zerriſſen erſcheinen läßt.

Der Rückfall wird nach Reichsrecht nur in einzelnen
Fällen und zwar immer nur als Strafſchärfungsgrund ver-
wendet (vgl. unten §. 54 I 1).

II. Sogenannte reale Konkurrenz oder Zuſammen-
treffen
mehrerer ſtrafbarer Handlungen. Die konſequente
Durchführung des prinzipiell unſtreitigen richtigen Gedankens,
daß bei Begehung mehrerer Verbrechen durch denſelben
Thäter jede der verbrecheriſchen Handlungen mit der ihr
entſprechenden Einzelſtrafe, die Summe jener Handlungen
daher mit der Summe dieſer Einzelſtrafen zu belegen ſei,
führt nach der heute in der Geſetzgebung herrſchenden Auf-
faſſung zu unerträglichen Härten (vgl. darüber das Nähere
unter §. 56 I). Die geſetzliche Anordnung der Milderung
dieſer Härten erheiſcht die geſetzliche Fixierung der Voraus-
ſetzungen, unter welchen die Abweichung von dem Prinzipe
ſtattfinden ſoll, und führt ſomit zu der Aufſtellung des Be-
griffes der Realkonkurrenz. Der Begriff verdankt mithin
lediglich den Bedürfniſſen der Strafanwendungspolitik ſeine
Entſtehung.1 Vorausſetzungen der Realkonkurrenz ſind: einer-
ſeits die, wenn auch thatſächlich vereitelte, rechtliche Mög-
lichkeit gleichzeitiger Aburteilung
, andrerſeits die
thatſächliche Möglichkeit nachträglicher Berück-
ſichtigung jener rechtlichen Möglichkeit
. Genauer
geſprochen: Realkonkurrenz iſt die Begehung mehrerer ver-
brecheriſcher Handlungen durch denſelben Thäter, wenn

1 [Spaltenumbruch] Wer aber deshalb von
Strafenkonkurrenz ſtatt von
Verbrechenskonkurrenz ſprechen[Spaltenumbruch] wollte, würde den Grund mit
der Folge verwechſeln.
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[169/0195] Mehrheit der Verbrechen. Rückfall u. Konkurrenz. §. 41. gewiſſer Zeitraum (ſogenannte Rückfallsverjährung) ver- ſtrichen iſt, der die ſtrafrechtliche Beziehung zwiſchen beiden Handlungen als zerriſſen erſcheinen läßt. Der Rückfall wird nach Reichsrecht nur in einzelnen Fällen und zwar immer nur als Strafſchärfungsgrund ver- wendet (vgl. unten §. 54 I 1). II. Sogenannte reale Konkurrenz oder Zuſammen- treffen mehrerer ſtrafbarer Handlungen. Die konſequente Durchführung des prinzipiell unſtreitigen richtigen Gedankens, daß bei Begehung mehrerer Verbrechen durch denſelben Thäter jede der verbrecheriſchen Handlungen mit der ihr entſprechenden Einzelſtrafe, die Summe jener Handlungen daher mit der Summe dieſer Einzelſtrafen zu belegen ſei, führt nach der heute in der Geſetzgebung herrſchenden Auf- faſſung zu unerträglichen Härten (vgl. darüber das Nähere unter §. 56 I). Die geſetzliche Anordnung der Milderung dieſer Härten erheiſcht die geſetzliche Fixierung der Voraus- ſetzungen, unter welchen die Abweichung von dem Prinzipe ſtattfinden ſoll, und führt ſomit zu der Aufſtellung des Be- griffes der Realkonkurrenz. Der Begriff verdankt mithin lediglich den Bedürfniſſen der Strafanwendungspolitik ſeine Entſtehung. 1 Vorausſetzungen der Realkonkurrenz ſind: einer- ſeits die, wenn auch thatſächlich vereitelte, rechtliche Mög- lichkeit gleichzeitiger Aburteilung, andrerſeits die thatſächliche Möglichkeit nachträglicher Berück- ſichtigung jener rechtlichen Möglichkeit. Genauer geſprochen: Realkonkurrenz iſt die Begehung mehrerer ver- brecheriſcher Handlungen durch denſelben Thäter, wenn 1 Wer aber deshalb von Strafenkonkurrenz ſtatt von Verbrechenskonkurrenz ſprechen wollte, würde den Grund mit der Folge verwechſeln.

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Zitationshilfe: Liszt, Franz von: Das deutsche Reichsstrafrecht. Berlin u. a., 1881, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/liszt_reichsstrafrecht_1881/195>, abgerufen am 28.03.2024.