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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835.

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Die Sonne.

§. 18. (Erläuterung dieser Erscheinungen der Interferenz des
Lichts.) Und welches sind diese Verhältnisse, die so wunderbare
Folgen nach sich ziehen? -- Die einfachsten von der Welt. Alles
kömmt nur darauf an, daß die beiden Strahlen von demselben
Punkte des leuchtenden Objects ausgehen, und daß die beiden
kleinen Oeffnungen, durch welche die zwei Strahlen in das ver-
finsterte Zimmer gelangen, von dem Papier eine bestimmte und
unter einander verschiedene Entfernung haben. Die Strahlen, die
von dem östlichen Rande der Sonne kommen, interferiren, d. h.
zerstören sich nie durch die Strahlen des westlichen Randes und
umgekehrt. Von all denen unzähligen Strahlen, aus denen jeder
einzelne Sonnenstrahl besteht, interferiren immer nur diejenigen,
die gleiche Brechung, also auch gleiche Farbe haben, daher z. B.
der rothe und der grüne Strahl sich nie gegenseitig aufheben. Aber
auch die gleichartigen Strahlen, z. B. weiß und weiß, oder roth
und roth, interferiren nie, wenn der Punkt des Papieres, in wel-
chem sie sich begegnen und schneiden, gleichweit von beiden Oeff-
nungen des Fensterladens entfernt ist, sondern in diesem Falle wird
der leuchtende Punkt durch das Hinzukommen des zweiten Strahls
in der That noch heller.

Aber nicht jede Differenz dieser beiden Entfernungen bringt
eine Interferenz des Lichts hervor. Nehmen wir an, a sey die
kleinste Differenz dieser Entfernungen, für welche der leuchtende
Punkt durch beide Strahlen erhellt, also mit der Summe ihres
Lichtes beleuchtet wird, so wird dieselbe stärkste Beleuchtung des
Punktes auch dann noch statthaben, wenn jene Differenz der
Distanzen des Punktes von den beiden Oeffnungen a oder 2a
oder 3a oder 4a u. f. ist. Dieß ist bereits sonderbar genug, höre
ich meine Leser sagen. Sehr wohl, aber, was ihnen wohl noch
mehr auffallen wird, wenn diese Differenz der Distanzen gerade
mitten zwischen die jetzt aufgezählten fällt, so interferiren die bei-
den Strahlen, oder die Beleuchtung des Punktes ist dann die
kleinste, oder vielmehr, der Punkt erhält ganz und gar keine Be-
leuchtung mehr und erscheint ganz schwarz. Der Punkt ist also
am hellsten, wenn diese Differenz a, 2a, 3a, 4a, und er ist ganz
dunkel, wenn diese Differenz 1/2 a, 3/2 a, 5/2 a, 7/2 a ist.


Die Sonne.

§. 18. (Erläuterung dieſer Erſcheinungen der Interferenz des
Lichts.) Und welches ſind dieſe Verhältniſſe, die ſo wunderbare
Folgen nach ſich ziehen? — Die einfachſten von der Welt. Alles
kömmt nur darauf an, daß die beiden Strahlen von demſelben
Punkte des leuchtenden Objects ausgehen, und daß die beiden
kleinen Oeffnungen, durch welche die zwei Strahlen in das ver-
finſterte Zimmer gelangen, von dem Papier eine beſtimmte und
unter einander verſchiedene Entfernung haben. Die Strahlen, die
von dem öſtlichen Rande der Sonne kommen, interferiren, d. h.
zerſtören ſich nie durch die Strahlen des weſtlichen Randes und
umgekehrt. Von all denen unzähligen Strahlen, aus denen jeder
einzelne Sonnenſtrahl beſteht, interferiren immer nur diejenigen,
die gleiche Brechung, alſo auch gleiche Farbe haben, daher z. B.
der rothe und der grüne Strahl ſich nie gegenſeitig aufheben. Aber
auch die gleichartigen Strahlen, z. B. weiß und weiß, oder roth
und roth, interferiren nie, wenn der Punkt des Papieres, in wel-
chem ſie ſich begegnen und ſchneiden, gleichweit von beiden Oeff-
nungen des Fenſterladens entfernt iſt, ſondern in dieſem Falle wird
der leuchtende Punkt durch das Hinzukommen des zweiten Strahls
in der That noch heller.

Aber nicht jede Differenz dieſer beiden Entfernungen bringt
eine Interferenz des Lichts hervor. Nehmen wir an, a ſey die
kleinſte Differenz dieſer Entfernungen, für welche der leuchtende
Punkt durch beide Strahlen erhellt, alſo mit der Summe ihres
Lichtes beleuchtet wird, ſo wird dieſelbe ſtärkſte Beleuchtung des
Punktes auch dann noch ſtatthaben, wenn jene Differenz der
Diſtanzen des Punktes von den beiden Oeffnungen a oder 2a
oder 3a oder 4a u. f. iſt. Dieß iſt bereits ſonderbar genug, höre
ich meine Leſer ſagen. Sehr wohl, aber, was ihnen wohl noch
mehr auffallen wird, wenn dieſe Differenz der Diſtanzen gerade
mitten zwiſchen die jetzt aufgezählten fällt, ſo interferiren die bei-
den Strahlen, oder die Beleuchtung des Punktes iſt dann die
kleinſte, oder vielmehr, der Punkt erhält ganz und gar keine Be-
leuchtung mehr und erſcheint ganz ſchwarz. Der Punkt iſt alſo
am hellſten, wenn dieſe Differenz a, 2a, 3a, 4a, und er iſt ganz
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[23/0033] Die Sonne. §. 18. (Erläuterung dieſer Erſcheinungen der Interferenz des Lichts.) Und welches ſind dieſe Verhältniſſe, die ſo wunderbare Folgen nach ſich ziehen? — Die einfachſten von der Welt. Alles kömmt nur darauf an, daß die beiden Strahlen von demſelben Punkte des leuchtenden Objects ausgehen, und daß die beiden kleinen Oeffnungen, durch welche die zwei Strahlen in das ver- finſterte Zimmer gelangen, von dem Papier eine beſtimmte und unter einander verſchiedene Entfernung haben. Die Strahlen, die von dem öſtlichen Rande der Sonne kommen, interferiren, d. h. zerſtören ſich nie durch die Strahlen des weſtlichen Randes und umgekehrt. Von all denen unzähligen Strahlen, aus denen jeder einzelne Sonnenſtrahl beſteht, interferiren immer nur diejenigen, die gleiche Brechung, alſo auch gleiche Farbe haben, daher z. B. der rothe und der grüne Strahl ſich nie gegenſeitig aufheben. Aber auch die gleichartigen Strahlen, z. B. weiß und weiß, oder roth und roth, interferiren nie, wenn der Punkt des Papieres, in wel- chem ſie ſich begegnen und ſchneiden, gleichweit von beiden Oeff- nungen des Fenſterladens entfernt iſt, ſondern in dieſem Falle wird der leuchtende Punkt durch das Hinzukommen des zweiten Strahls in der That noch heller. Aber nicht jede Differenz dieſer beiden Entfernungen bringt eine Interferenz des Lichts hervor. Nehmen wir an, a ſey die kleinſte Differenz dieſer Entfernungen, für welche der leuchtende Punkt durch beide Strahlen erhellt, alſo mit der Summe ihres Lichtes beleuchtet wird, ſo wird dieſelbe ſtärkſte Beleuchtung des Punktes auch dann noch ſtatthaben, wenn jene Differenz der Diſtanzen des Punktes von den beiden Oeffnungen a oder 2a oder 3a oder 4a u. f. iſt. Dieß iſt bereits ſonderbar genug, höre ich meine Leſer ſagen. Sehr wohl, aber, was ihnen wohl noch mehr auffallen wird, wenn dieſe Differenz der Diſtanzen gerade mitten zwiſchen die jetzt aufgezählten fällt, ſo interferiren die bei- den Strahlen, oder die Beleuchtung des Punktes iſt dann die kleinſte, oder vielmehr, der Punkt erhält ganz und gar keine Be- leuchtung mehr und erſcheint ganz ſchwarz. Der Punkt iſt alſo am hellſten, wenn dieſe Differenz a, 2a, 3a, 4a, und er iſt ganz dunkel, wenn dieſe Differenz 1/2 a, 3/2 a, 5/2 a, 7/2 a iſt.

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 2. Stuttgart, 1835, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem02_1835/33>, abgerufen am 19.04.2024.