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Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

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Elliptische Bewegung der Himmelskörper.
Stoßes, sondern sie muß, wie die oben (II. §. 16) betrachtete
Attraction der Erde, eine ebenfalls immerwährend und in jedem
Augenblicke fortwirkende Kraft seyn, weil nur durch eine solche
Kraft die immerwährende Aenderung der Richtung der Bahn, so
wie die stetige Aenderung der Geschwindigkeit des Körpers sich
erklären läßt.

§. 56. (Zerlegung der Kräfte.) Es scheint auf den ersten
Blick keine leichte Aufgabe zu seyn, die Bahn eines solchen, von
zwei Kräften nach verschiedenen Richtungen getriebenen Körpers
zu bestimmen. Allein wir haben bereits oben (II. §. 31) eines
allgemeinen Grundsatzes der Mechanik erwähnt, der uns hier
ganz besonders zu statten kommen wird. Nach diesem Grundsatze,
der mit der Erfahrung vollkommen übereinstimmt, bringt jede
der beiden Kräfte auf die Körper ganz dieselbe Wirkung hervor,
die sie hervorgebracht haben würde, wenn sie ganz allein auf ihn
gewirkt hätte, und wenn die andere gar nicht da gewesen
wäre. Diesem Grundsatze, den man das Princip der Zerlegung
der Kräfte nennt, gemäß, wird man also die Wirkungen der
beiden Kräfte abgesondert betrachten können, wodurch das
Geschäft der Bahnbestimmung ungemein erleichtert wird. Einige
Beispiele werden dieß sogleich näher erklären.

Wenn ein Körper A (Fig. 2) durch irgend eine Kraft M
während einer bestimmten Zeit, und in gleichförmiger Bewegung
von A nach B, und zugleich von irgend einer andern Kraft N in
derselben Zeit von A nach C getrieben wird, so findet man den
Weg, welchen er in Folge der vereinten Wirkung beider Kräfte
beschreibt, auf folgende Art: Man ziehe die Linie BD mit AC
und CD mit AB parallel, so entsteht das Parallelogramm ABCD,
und der gesuchte Weg des von beiden Kräften getriebenen Körpers
wird die Diagonale AD dieses Parallelogramms seyn. Denn da
die Kraft N nach der Richtung von AC, die mit BD parallel ist,
wirkt, so wird diese Kraft, vermöge des erwähnten Principes, die-
jenige Bewegung des Körpers, mit welcher er sich der Linie BD
zu nähern sucht, nicht ändern, und er wird daher diese Linie BD
in derselben oben erwähnten Zeit erreichen, die Kraft N mag auf
ihn wirken oder nicht. Dieser Körper wird also am Ende dieser
Zeit irgendwo in dieser Linie BD seyn müssen. Ganz eben so

Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper.
Stoßes, ſondern ſie muß, wie die oben (II. §. 16) betrachtete
Attraction der Erde, eine ebenfalls immerwährend und in jedem
Augenblicke fortwirkende Kraft ſeyn, weil nur durch eine ſolche
Kraft die immerwährende Aenderung der Richtung der Bahn, ſo
wie die ſtetige Aenderung der Geſchwindigkeit des Körpers ſich
erklären läßt.

§. 56. (Zerlegung der Kräfte.) Es ſcheint auf den erſten
Blick keine leichte Aufgabe zu ſeyn, die Bahn eines ſolchen, von
zwei Kräften nach verſchiedenen Richtungen getriebenen Körpers
zu beſtimmen. Allein wir haben bereits oben (II. §. 31) eines
allgemeinen Grundſatzes der Mechanik erwähnt, der uns hier
ganz beſonders zu ſtatten kommen wird. Nach dieſem Grundſatze,
der mit der Erfahrung vollkommen übereinſtimmt, bringt jede
der beiden Kräfte auf die Körper ganz dieſelbe Wirkung hervor,
die ſie hervorgebracht haben würde, wenn ſie ganz allein auf ihn
gewirkt hätte, und wenn die andere gar nicht da geweſen
wäre. Dieſem Grundſatze, den man das Princip der Zerlegung
der Kräfte nennt, gemäß, wird man alſo die Wirkungen der
beiden Kräfte abgeſondert betrachten können, wodurch das
Geſchäft der Bahnbeſtimmung ungemein erleichtert wird. Einige
Beiſpiele werden dieß ſogleich näher erklären.

Wenn ein Körper A (Fig. 2) durch irgend eine Kraft M
während einer beſtimmten Zeit, und in gleichförmiger Bewegung
von A nach B, und zugleich von irgend einer andern Kraft N in
derſelben Zeit von A nach C getrieben wird, ſo findet man den
Weg, welchen er in Folge der vereinten Wirkung beider Kräfte
beſchreibt, auf folgende Art: Man ziehe die Linie BD mit AC
und CD mit AB parallel, ſo entſteht das Parallelogramm ABCD,
und der geſuchte Weg des von beiden Kräften getriebenen Körpers
wird die Diagonale AD dieſes Parallelogramms ſeyn. Denn da
die Kraft N nach der Richtung von AC, die mit BD parallel iſt,
wirkt, ſo wird dieſe Kraft, vermöge des erwähnten Principes, die-
jenige Bewegung des Körpers, mit welcher er ſich der Linie BD
zu nähern ſucht, nicht ändern, und er wird daher dieſe Linie BD
in derſelben oben erwähnten Zeit erreichen, die Kraft N mag auf
ihn wirken oder nicht. Dieſer Körper wird alſo am Ende dieſer
Zeit irgendwo in dieſer Linie BD ſeyn müſſen. Ganz eben ſo

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[88/0100] Elliptiſche Bewegung der Himmelskörper. Stoßes, ſondern ſie muß, wie die oben (II. §. 16) betrachtete Attraction der Erde, eine ebenfalls immerwährend und in jedem Augenblicke fortwirkende Kraft ſeyn, weil nur durch eine ſolche Kraft die immerwährende Aenderung der Richtung der Bahn, ſo wie die ſtetige Aenderung der Geſchwindigkeit des Körpers ſich erklären läßt. §. 56. (Zerlegung der Kräfte.) Es ſcheint auf den erſten Blick keine leichte Aufgabe zu ſeyn, die Bahn eines ſolchen, von zwei Kräften nach verſchiedenen Richtungen getriebenen Körpers zu beſtimmen. Allein wir haben bereits oben (II. §. 31) eines allgemeinen Grundſatzes der Mechanik erwähnt, der uns hier ganz beſonders zu ſtatten kommen wird. Nach dieſem Grundſatze, der mit der Erfahrung vollkommen übereinſtimmt, bringt jede der beiden Kräfte auf die Körper ganz dieſelbe Wirkung hervor, die ſie hervorgebracht haben würde, wenn ſie ganz allein auf ihn gewirkt hätte, und wenn die andere gar nicht da geweſen wäre. Dieſem Grundſatze, den man das Princip der Zerlegung der Kräfte nennt, gemäß, wird man alſo die Wirkungen der beiden Kräfte abgeſondert betrachten können, wodurch das Geſchäft der Bahnbeſtimmung ungemein erleichtert wird. Einige Beiſpiele werden dieß ſogleich näher erklären. Wenn ein Körper A (Fig. 2) durch irgend eine Kraft M während einer beſtimmten Zeit, und in gleichförmiger Bewegung von A nach B, und zugleich von irgend einer andern Kraft N in derſelben Zeit von A nach C getrieben wird, ſo findet man den Weg, welchen er in Folge der vereinten Wirkung beider Kräfte beſchreibt, auf folgende Art: Man ziehe die Linie BD mit AC und CD mit AB parallel, ſo entſteht das Parallelogramm ABCD, und der geſuchte Weg des von beiden Kräften getriebenen Körpers wird die Diagonale AD dieſes Parallelogramms ſeyn. Denn da die Kraft N nach der Richtung von AC, die mit BD parallel iſt, wirkt, ſo wird dieſe Kraft, vermöge des erwähnten Principes, die- jenige Bewegung des Körpers, mit welcher er ſich der Linie BD zu nähern ſucht, nicht ändern, und er wird daher dieſe Linie BD in derſelben oben erwähnten Zeit erreichen, die Kraft N mag auf ihn wirken oder nicht. Dieſer Körper wird alſo am Ende dieſer Zeit irgendwo in dieſer Linie BD ſeyn müſſen. Ganz eben ſo

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Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/100>, abgerufen am 25.04.2024.