Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite

Eigenschaften der Körper.
bestehen, ihre Lage gegen einander ändern, oder daß sie sich
bewegen.

In diesen Körpern selbst können wir aber nichts finden, was
diese Bewegung erzeugen sollte. Wir sind daher gezwungen, die
Ursache derselben außer ihnen zu suchen. In den thierischen, be-
lebten Körpern scheint wohl etwas zu liegen, das eine Bewegung
derselben hervorbringt, aber diese dem Willen des Thieres gehor-
chende Bewegung seiner Glieder kann nicht in diesen Gliedern
selbst, oder in irgend einem andern Theile des Körpers gesucht
werden, da wir sie im Schlafe und noch mehr, nach dem Tode
des Thieres, nicht mehr finden, wenn gleich der ganze Körper
durch diesen Tod keine merkbare Veränderung in der Zusammen-
fügung seiner Theile erlitten hat. Diese freiwillige Bewegung
der lebenden Geschöpfe scheint daher auch hier keineswegs eine
Wirkung der an sich todten Materie selbst, sondern vielmehr ein
Resultat des diese Materie belebenden und von ihr ganz verschie-
denen Wesens zu seyn, dessen Natur uns noch in tiefes Dunkel
gehüllt ist.

Was ist es also, was zwei Wassertropfen einander nähert,
was das Eisen dem Magnete entgegen führt; was den Stein,
den wir aus der Hand fallen lassen, zur Erde fallen macht; was
die Planeten um die Sonne und die Satelliten um ihren Haupt-
planeten treibt? -- Wir wissen es nicht. Wir sehen, daß sich
die Körper bewegen, und da wir die Ursache dieser Bewegung
nicht in den Körpern selbst voraussetzen können, so suchen wir sie
außer ihnen, in den andern Körpern, zu oder von denen sich jene
bewegen. Wir sagen, daß diese Körper gegen jene eine Anzie-
hung oder Abstoßung
äußern. So kömmt es uns vor, und
diese beiden Ausdrücke sind auch nichts weiter, als das Bild,
welches wir uns von jenen Erscheinungen entwerfen. Ob es aber
auch in der That der Natur gemäß sey, sind wir nicht im Stande,
zu entscheiden. Wenn wir sagen, der Magnet zieht das Eisen
an, so heißt dieß nur, daß diese beiden Körper, wenn sie sich be-
gegnen, einander näher kommen und wenn sie sich berühren, an
einander fest halten, so daß ein gewisser Widerstand nöthig ist,
sie zu trennen. Ob aber die Ursache dieser Annäherung, ob der
eigentliche Sitz dieser Anziehung in dem Magnet, oder in dem

Eigenſchaften der Körper.
beſtehen, ihre Lage gegen einander ändern, oder daß ſie ſich
bewegen.

In dieſen Körpern ſelbſt können wir aber nichts finden, was
dieſe Bewegung erzeugen ſollte. Wir ſind daher gezwungen, die
Urſache derſelben außer ihnen zu ſuchen. In den thieriſchen, be-
lebten Körpern ſcheint wohl etwas zu liegen, das eine Bewegung
derſelben hervorbringt, aber dieſe dem Willen des Thieres gehor-
chende Bewegung ſeiner Glieder kann nicht in dieſen Gliedern
ſelbſt, oder in irgend einem andern Theile des Körpers geſucht
werden, da wir ſie im Schlafe und noch mehr, nach dem Tode
des Thieres, nicht mehr finden, wenn gleich der ganze Körper
durch dieſen Tod keine merkbare Veränderung in der Zuſammen-
fügung ſeiner Theile erlitten hat. Dieſe freiwillige Bewegung
der lebenden Geſchöpfe ſcheint daher auch hier keineswegs eine
Wirkung der an ſich todten Materie ſelbſt, ſondern vielmehr ein
Reſultat des dieſe Materie belebenden und von ihr ganz verſchie-
denen Weſens zu ſeyn, deſſen Natur uns noch in tiefes Dunkel
gehüllt iſt.

Was iſt es alſo, was zwei Waſſertropfen einander nähert,
was das Eiſen dem Magnete entgegen führt; was den Stein,
den wir aus der Hand fallen laſſen, zur Erde fallen macht; was
die Planeten um die Sonne und die Satelliten um ihren Haupt-
planeten treibt? — Wir wiſſen es nicht. Wir ſehen, daß ſich
die Körper bewegen, und da wir die Urſache dieſer Bewegung
nicht in den Körpern ſelbſt vorausſetzen können, ſo ſuchen wir ſie
außer ihnen, in den andern Körpern, zu oder von denen ſich jene
bewegen. Wir ſagen, daß dieſe Körper gegen jene eine Anzie-
hung oder Abſtoßung
äußern. So kömmt es uns vor, und
dieſe beiden Ausdrücke ſind auch nichts weiter, als das Bild,
welches wir uns von jenen Erſcheinungen entwerfen. Ob es aber
auch in der That der Natur gemäß ſey, ſind wir nicht im Stande,
zu entſcheiden. Wenn wir ſagen, der Magnet zieht das Eiſen
an, ſo heißt dieß nur, daß dieſe beiden Körper, wenn ſie ſich be-
gegnen, einander näher kommen und wenn ſie ſich berühren, an
einander feſt halten, ſo daß ein gewiſſer Widerſtand nöthig iſt,
ſie zu trennen. Ob aber die Urſache dieſer Annäherung, ob der
eigentliche Sitz dieſer Anziehung in dem Magnet, oder in dem

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0023" n="11"/><fw place="top" type="header">Eigen&#x017F;chaften der Körper.</fw><lb/>
be&#x017F;tehen, ihre Lage gegen einander ändern, oder daß &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#g">bewegen</hi>.</p><lb/>
              <p>In die&#x017F;en Körpern &#x017F;elb&#x017F;t können wir aber nichts finden, was<lb/>
die&#x017F;e Bewegung erzeugen &#x017F;ollte. Wir &#x017F;ind daher gezwungen, die<lb/>
Ur&#x017F;ache der&#x017F;elben außer ihnen zu &#x017F;uchen. In den thieri&#x017F;chen, be-<lb/>
lebten Körpern &#x017F;cheint wohl etwas zu liegen, das eine Bewegung<lb/>
der&#x017F;elben hervorbringt, aber die&#x017F;e dem Willen des Thieres gehor-<lb/>
chende Bewegung &#x017F;einer Glieder kann nicht in die&#x017F;en Gliedern<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t, oder in irgend einem andern Theile des Körpers ge&#x017F;ucht<lb/>
werden, da wir &#x017F;ie im Schlafe und noch mehr, nach dem Tode<lb/>
des Thieres, nicht mehr finden, wenn gleich der ganze Körper<lb/>
durch die&#x017F;en Tod keine merkbare Veränderung in der Zu&#x017F;ammen-<lb/>
fügung &#x017F;einer Theile erlitten hat. Die&#x017F;e freiwillige Bewegung<lb/>
der lebenden Ge&#x017F;chöpfe &#x017F;cheint daher auch hier keineswegs eine<lb/>
Wirkung der an &#x017F;ich todten Materie &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;ondern vielmehr ein<lb/>
Re&#x017F;ultat des die&#x017F;e Materie belebenden und von ihr ganz ver&#x017F;chie-<lb/>
denen We&#x017F;ens zu &#x017F;eyn, de&#x017F;&#x017F;en Natur uns noch in tiefes Dunkel<lb/>
gehüllt i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>Was i&#x017F;t es al&#x017F;o, was zwei Wa&#x017F;&#x017F;ertropfen einander nähert,<lb/>
was das Ei&#x017F;en dem Magnete entgegen führt; was den Stein,<lb/>
den wir aus der Hand fallen la&#x017F;&#x017F;en, zur Erde fallen macht; was<lb/>
die Planeten um die Sonne und die Satelliten um ihren Haupt-<lb/>
planeten treibt? &#x2014; Wir wi&#x017F;&#x017F;en es nicht. Wir &#x017F;ehen, daß &#x017F;ich<lb/>
die Körper bewegen, und da wir die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Bewegung<lb/>
nicht in den Körpern &#x017F;elb&#x017F;t voraus&#x017F;etzen können, &#x017F;o &#x017F;uchen wir &#x017F;ie<lb/>
außer ihnen, in den andern Körpern, zu oder von denen &#x017F;ich jene<lb/>
bewegen. Wir &#x017F;agen, daß die&#x017F;e Körper gegen jene eine <hi rendition="#g">Anzie-<lb/>
hung oder Ab&#x017F;toßung</hi> äußern. So kömmt es uns vor, und<lb/>
die&#x017F;e beiden Ausdrücke &#x017F;ind auch nichts weiter, als das Bild,<lb/>
welches wir uns von jenen Er&#x017F;cheinungen entwerfen. Ob es aber<lb/>
auch in der That der Natur gemäß &#x017F;ey, &#x017F;ind wir nicht im Stande,<lb/>
zu ent&#x017F;cheiden. Wenn wir &#x017F;agen, der Magnet zieht das Ei&#x017F;en<lb/>
an, &#x017F;o heißt dieß nur, daß die&#x017F;e beiden Körper, wenn &#x017F;ie &#x017F;ich be-<lb/>
gegnen, einander näher kommen und wenn &#x017F;ie &#x017F;ich berühren, an<lb/>
einander fe&#x017F;t halten, &#x017F;o daß ein gewi&#x017F;&#x017F;er Wider&#x017F;tand nöthig i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;ie zu trennen. Ob aber die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Annäherung, ob der<lb/>
eigentliche Sitz die&#x017F;er Anziehung in dem Magnet, oder in dem<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0023] Eigenſchaften der Körper. beſtehen, ihre Lage gegen einander ändern, oder daß ſie ſich bewegen. In dieſen Körpern ſelbſt können wir aber nichts finden, was dieſe Bewegung erzeugen ſollte. Wir ſind daher gezwungen, die Urſache derſelben außer ihnen zu ſuchen. In den thieriſchen, be- lebten Körpern ſcheint wohl etwas zu liegen, das eine Bewegung derſelben hervorbringt, aber dieſe dem Willen des Thieres gehor- chende Bewegung ſeiner Glieder kann nicht in dieſen Gliedern ſelbſt, oder in irgend einem andern Theile des Körpers geſucht werden, da wir ſie im Schlafe und noch mehr, nach dem Tode des Thieres, nicht mehr finden, wenn gleich der ganze Körper durch dieſen Tod keine merkbare Veränderung in der Zuſammen- fügung ſeiner Theile erlitten hat. Dieſe freiwillige Bewegung der lebenden Geſchöpfe ſcheint daher auch hier keineswegs eine Wirkung der an ſich todten Materie ſelbſt, ſondern vielmehr ein Reſultat des dieſe Materie belebenden und von ihr ganz verſchie- denen Weſens zu ſeyn, deſſen Natur uns noch in tiefes Dunkel gehüllt iſt. Was iſt es alſo, was zwei Waſſertropfen einander nähert, was das Eiſen dem Magnete entgegen führt; was den Stein, den wir aus der Hand fallen laſſen, zur Erde fallen macht; was die Planeten um die Sonne und die Satelliten um ihren Haupt- planeten treibt? — Wir wiſſen es nicht. Wir ſehen, daß ſich die Körper bewegen, und da wir die Urſache dieſer Bewegung nicht in den Körpern ſelbſt vorausſetzen können, ſo ſuchen wir ſie außer ihnen, in den andern Körpern, zu oder von denen ſich jene bewegen. Wir ſagen, daß dieſe Körper gegen jene eine Anzie- hung oder Abſtoßung äußern. So kömmt es uns vor, und dieſe beiden Ausdrücke ſind auch nichts weiter, als das Bild, welches wir uns von jenen Erſcheinungen entwerfen. Ob es aber auch in der That der Natur gemäß ſey, ſind wir nicht im Stande, zu entſcheiden. Wenn wir ſagen, der Magnet zieht das Eiſen an, ſo heißt dieß nur, daß dieſe beiden Körper, wenn ſie ſich be- gegnen, einander näher kommen und wenn ſie ſich berühren, an einander feſt halten, ſo daß ein gewiſſer Widerſtand nöthig iſt, ſie zu trennen. Ob aber die Urſache dieſer Annäherung, ob der eigentliche Sitz dieſer Anziehung in dem Magnet, oder in dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/23
Zitationshilfe: Littrow, Joseph Johann von: Die Wunder des Himmels, oder gemeinfaßliche Darstellung des Weltsystems. Bd. 3. Stuttgart, 1836, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/littrow_weltsystem03_1836/23>, abgerufen am 09.10.2024.