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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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strafte ihre Dreistigkeit. -- Du hattest nicht Unrecht, sagte er, aber es ziemt sich nicht für ein junges Mädchen, es ziemt sich am wenigsten für dich, die Waffen im politischen Kampfe zu tragen, du weißt, wie lieb mir Börner ist, ein unbesonnenes Wort darf ihm bei uns keine Unhöflichkeit zuziehen. -- Alles das fiel Marianen jetzt aufs Herz. Sie wunderte sich über ihre Blindheit, da selbst Lottchen schärfer gesehen hatte, und von diesem Augenblicke ward ihr der gleichgültige, oft belustigende Gesellschafter fast unerträglich.

Das Schicksal, das jetzt mit zermalmenden Schritten über ganz Europa ging, warf indessen einen seiner unerwarteten Sonnenblicke auf den schleichenden, gebückten Börner. Ein entfernter Vetter starb und hinterließ ihm ein bedeutendes Gut; er ward auf einmal ein reicher Mann, vor dem sich Viele neigten, dessen Verstand und Witz heller schimmerten, dessen sonst als natürlich geachtete Schmiegsamkeit nun liebenswürdige Humanität, anspruchslose Bescheidenheit war. Wirklich überhob er sich auch des neuen Vorzugs nicht, ja er nahm ein noch demüthigeres Wesen an, nur Marianen trat er immer näher, und wenn sich gleich Ellinger der Veränderung durchaus nicht bewußt war, schien doch Börner's Stellung gegen die Familie unwillkürlich etwas anders zu werden, seit das Glück ihn so sehr begünstigt hatte. Mariane glaubte eine schwarze Wolke über ihr Haupt herziehen zu sehen, aber der Gehorsam, mit welchem sie ihrem Glück entsagt hatte, dünkte ihr hier ein Frevel

strafte ihre Dreistigkeit. — Du hattest nicht Unrecht, sagte er, aber es ziemt sich nicht für ein junges Mädchen, es ziemt sich am wenigsten für dich, die Waffen im politischen Kampfe zu tragen, du weißt, wie lieb mir Börner ist, ein unbesonnenes Wort darf ihm bei uns keine Unhöflichkeit zuziehen. — Alles das fiel Marianen jetzt aufs Herz. Sie wunderte sich über ihre Blindheit, da selbst Lottchen schärfer gesehen hatte, und von diesem Augenblicke ward ihr der gleichgültige, oft belustigende Gesellschafter fast unerträglich.

Das Schicksal, das jetzt mit zermalmenden Schritten über ganz Europa ging, warf indessen einen seiner unerwarteten Sonnenblicke auf den schleichenden, gebückten Börner. Ein entfernter Vetter starb und hinterließ ihm ein bedeutendes Gut; er ward auf einmal ein reicher Mann, vor dem sich Viele neigten, dessen Verstand und Witz heller schimmerten, dessen sonst als natürlich geachtete Schmiegsamkeit nun liebenswürdige Humanität, anspruchslose Bescheidenheit war. Wirklich überhob er sich auch des neuen Vorzugs nicht, ja er nahm ein noch demüthigeres Wesen an, nur Marianen trat er immer näher, und wenn sich gleich Ellinger der Veränderung durchaus nicht bewußt war, schien doch Börner's Stellung gegen die Familie unwillkürlich etwas anders zu werden, seit das Glück ihn so sehr begünstigt hatte. Mariane glaubte eine schwarze Wolke über ihr Haupt herziehen zu sehen, aber der Gehorsam, mit welchem sie ihrem Glück entsagt hatte, dünkte ihr hier ein Frevel

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/37>, abgerufen am 28.03.2024.