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Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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vor Ellinger, erhitzt und zornig wie ein Vogel mit sträubenden Federn. Herr Rath! rief sie aus, wenn Sie das thun, schüttele ich den Staub von meinen Füßen und nehme den Wanderstab! Das ist ein Rabenvater, der sein Kind zur Ehe zwingt. Lottchen hat gehört, wie Sie dem Börner Ihr Wort gegeben haben, aber dagegen rede ich, bis meine Zunge lahm wird. Es soll am jüngsten Tage nicht heißen, ich hätte Sie geschont, nein, gewiß nicht; ich will Ihrer seligen Frau erzählen können, wie ich meine Pflicht erfüllt habe. Börner ist ein Heuchler, ein Schmeichler, ein Spötter; glatt wie eine Schlange, falsch wie ein Fuchs, beschmutzt anderer Menschen Leumund mit seinem Witz und Ihre Teppiche mit seinen Stiefeln, ehrt das Alter nicht, kann Niemanden gerade ansehen!

Zwingen Sie Ihre Tochter, den schlechten Mann zu heirathen, so morden Sie Leib und Seele des armen Kindes, und mich bringen Sie mit Jammer unter die Erde. Die ganze Welt ist ein Trauerhaus. Alle bösen Geister sind los und rücken auf uns an, kein Mensch ist seines Lebens sicher. Von Sengen und Brennen, Plündern und Todtschießen, Betteln und Flüchten hört man am Tage und träumt man Nachts; wie man sich sonst vor dem bösen Feinde fürchtete, denkt man jetzt an den wüthenden Kosacken und den gräulichen Kroaten. In solcher Zeit sollte jeglicher Christ barmherzig sein gegen den andern, sintemal er nicht weiß, wann sein Stündlein kommt, geschweige ein Vater gegen sein Blut.

vor Ellinger, erhitzt und zornig wie ein Vogel mit sträubenden Federn. Herr Rath! rief sie aus, wenn Sie das thun, schüttele ich den Staub von meinen Füßen und nehme den Wanderstab! Das ist ein Rabenvater, der sein Kind zur Ehe zwingt. Lottchen hat gehört, wie Sie dem Börner Ihr Wort gegeben haben, aber dagegen rede ich, bis meine Zunge lahm wird. Es soll am jüngsten Tage nicht heißen, ich hätte Sie geschont, nein, gewiß nicht; ich will Ihrer seligen Frau erzählen können, wie ich meine Pflicht erfüllt habe. Börner ist ein Heuchler, ein Schmeichler, ein Spötter; glatt wie eine Schlange, falsch wie ein Fuchs, beschmutzt anderer Menschen Leumund mit seinem Witz und Ihre Teppiche mit seinen Stiefeln, ehrt das Alter nicht, kann Niemanden gerade ansehen!

Zwingen Sie Ihre Tochter, den schlechten Mann zu heirathen, so morden Sie Leib und Seele des armen Kindes, und mich bringen Sie mit Jammer unter die Erde. Die ganze Welt ist ein Trauerhaus. Alle bösen Geister sind los und rücken auf uns an, kein Mensch ist seines Lebens sicher. Von Sengen und Brennen, Plündern und Todtschießen, Betteln und Flüchten hört man am Tage und träumt man Nachts; wie man sich sonst vor dem bösen Feinde fürchtete, denkt man jetzt an den wüthenden Kosacken und den gräulichen Kroaten. In solcher Zeit sollte jeglicher Christ barmherzig sein gegen den andern, sintemal er nicht weiß, wann sein Stündlein kommt, geschweige ein Vater gegen sein Blut.

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[0042] vor Ellinger, erhitzt und zornig wie ein Vogel mit sträubenden Federn. Herr Rath! rief sie aus, wenn Sie das thun, schüttele ich den Staub von meinen Füßen und nehme den Wanderstab! Das ist ein Rabenvater, der sein Kind zur Ehe zwingt. Lottchen hat gehört, wie Sie dem Börner Ihr Wort gegeben haben, aber dagegen rede ich, bis meine Zunge lahm wird. Es soll am jüngsten Tage nicht heißen, ich hätte Sie geschont, nein, gewiß nicht; ich will Ihrer seligen Frau erzählen können, wie ich meine Pflicht erfüllt habe. Börner ist ein Heuchler, ein Schmeichler, ein Spötter; glatt wie eine Schlange, falsch wie ein Fuchs, beschmutzt anderer Menschen Leumund mit seinem Witz und Ihre Teppiche mit seinen Stiefeln, ehrt das Alter nicht, kann Niemanden gerade ansehen! Zwingen Sie Ihre Tochter, den schlechten Mann zu heirathen, so morden Sie Leib und Seele des armen Kindes, und mich bringen Sie mit Jammer unter die Erde. Die ganze Welt ist ein Trauerhaus. Alle bösen Geister sind los und rücken auf uns an, kein Mensch ist seines Lebens sicher. Von Sengen und Brennen, Plündern und Todtschießen, Betteln und Flüchten hört man am Tage und träumt man Nachts; wie man sich sonst vor dem bösen Feinde fürchtete, denkt man jetzt an den wüthenden Kosacken und den gräulichen Kroaten. In solcher Zeit sollte jeglicher Christ barmherzig sein gegen den andern, sintemal er nicht weiß, wann sein Stündlein kommt, geschweige ein Vater gegen sein Blut.

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Zitationshilfe: Lohmann, Friederike: Die Entscheidung bei Hochkirch. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 63–137. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lohmann_hochkirch_1910/42>, abgerufen am 28.03.2024.