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Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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entehrt und verflucht, wenn er sich weigerte, seine Pflicht zu erfüllen. Und glaubst du, weil du deinem Stande zufällig als Weib geboren wurdest, du wärest aller Pflichten gegen ihn los und ledig? Du hast nicht die Aufgabe, für die Ehre des Hauses nöthigenfalls zu sterben, aber wohl für sie zu leben. Und wenn du eine Gelegenheit, die dir der Himmel giebt, dieser Pflicht glorreich zu entsprechen, aus Feigheit und Egoismus zurückstößest, so trifft dich der Zorn, die Verachtung deiner Genossen, der Fluch deines Vaters, und verfolgt dich bis an dein Lebensende.

Lieber todt sein, als von ihm lassen! rief sie mit Trotz und Erbitterung.

Der Baron brach in ein höhnisches Gelächter aus: Todtsein! Du redest schon recht bürgerlich, das macht der schlechte Umgang. Als ob Todtsein etwas Schreckliches, als ob es eine Leistung wäre, die dich deiner Pflicht enthöbe. So denken romantische Kaufmannsjünglinge. Aber auch Todte können als Ehrlose betrachtet werden, und daß sie lieber sterben als würdig handelten, rettet sie von der Schande nicht. Glaubst du, ich weiß nicht, daß du leidest, ja daß dir das Herz vielleicht brechen kann, indem du es an das eines ungeliebten Mannes legen sollst? Und dennoch fordere ich es von dir, wie ich meinem Sohne im Felde selbst die Waffe in die Hand drücken würde, in dem Augenblicke, da die Kugeln schon pfeifen. Sichtbar deutet der Himmel selbst mit dem Finger darauf hin, was du

entehrt und verflucht, wenn er sich weigerte, seine Pflicht zu erfüllen. Und glaubst du, weil du deinem Stande zufällig als Weib geboren wurdest, du wärest aller Pflichten gegen ihn los und ledig? Du hast nicht die Aufgabe, für die Ehre des Hauses nöthigenfalls zu sterben, aber wohl für sie zu leben. Und wenn du eine Gelegenheit, die dir der Himmel giebt, dieser Pflicht glorreich zu entsprechen, aus Feigheit und Egoismus zurückstößest, so trifft dich der Zorn, die Verachtung deiner Genossen, der Fluch deines Vaters, und verfolgt dich bis an dein Lebensende.

Lieber todt sein, als von ihm lassen! rief sie mit Trotz und Erbitterung.

Der Baron brach in ein höhnisches Gelächter aus: Todtsein! Du redest schon recht bürgerlich, das macht der schlechte Umgang. Als ob Todtsein etwas Schreckliches, als ob es eine Leistung wäre, die dich deiner Pflicht enthöbe. So denken romantische Kaufmannsjünglinge. Aber auch Todte können als Ehrlose betrachtet werden, und daß sie lieber sterben als würdig handelten, rettet sie von der Schande nicht. Glaubst du, ich weiß nicht, daß du leidest, ja daß dir das Herz vielleicht brechen kann, indem du es an das eines ungeliebten Mannes legen sollst? Und dennoch fordere ich es von dir, wie ich meinem Sohne im Felde selbst die Waffe in die Hand drücken würde, in dem Augenblicke, da die Kugeln schon pfeifen. Sichtbar deutet der Himmel selbst mit dem Finger darauf hin, was du

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[0046] entehrt und verflucht, wenn er sich weigerte, seine Pflicht zu erfüllen. Und glaubst du, weil du deinem Stande zufällig als Weib geboren wurdest, du wärest aller Pflichten gegen ihn los und ledig? Du hast nicht die Aufgabe, für die Ehre des Hauses nöthigenfalls zu sterben, aber wohl für sie zu leben. Und wenn du eine Gelegenheit, die dir der Himmel giebt, dieser Pflicht glorreich zu entsprechen, aus Feigheit und Egoismus zurückstößest, so trifft dich der Zorn, die Verachtung deiner Genossen, der Fluch deines Vaters, und verfolgt dich bis an dein Lebensende. Lieber todt sein, als von ihm lassen! rief sie mit Trotz und Erbitterung. Der Baron brach in ein höhnisches Gelächter aus: Todtsein! Du redest schon recht bürgerlich, das macht der schlechte Umgang. Als ob Todtsein etwas Schreckliches, als ob es eine Leistung wäre, die dich deiner Pflicht enthöbe. So denken romantische Kaufmannsjünglinge. Aber auch Todte können als Ehrlose betrachtet werden, und daß sie lieber sterben als würdig handelten, rettet sie von der Schande nicht. Glaubst du, ich weiß nicht, daß du leidest, ja daß dir das Herz vielleicht brechen kann, indem du es an das eines ungeliebten Mannes legen sollst? Und dennoch fordere ich es von dir, wie ich meinem Sohne im Felde selbst die Waffe in die Hand drücken würde, in dem Augenblicke, da die Kugeln schon pfeifen. Sichtbar deutet der Himmel selbst mit dem Finger darauf hin, was du

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T14:30:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T14:30:32Z)

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Zitationshilfe: Lorm, Hieronymus [d. i. Heinrich Landesmann]: Ein adeliges Fräulein. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–49. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lorm_fraeulein_1910/46>, abgerufen am 29.03.2024.