Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Muße noch geschärft, sich wieder aufraffen lassen. Nun
kannte er die Sache, um die sich's eben handelte, und
an die er sich bisher nichts gekehrt, nur unzureichend;
und wenn er sie kannte, so war ihm darum zu thun,
seinen Willen als den herrschenden durchzusetzen. Und
schon deßhalb verwarf er den Plan, nach dem der Sohn
bisher gehandelt. Was bereits gescheh'n, Arbeit und
Auslage war verloren. Dabei mußte er doch wieder
den Sohn zu Hülfe nehmen und die beste Darstellung
des Verhaltes ersetzte dem alten Herrn den Mangel der
eigenen Anschauung nicht. Zuletzt mußte er einseh'n,
daß die Sache auf seinem Wege nicht ging. Es war
Geld, Zeit und Arbeitskraft vergeudet und, was ihn
noch tiefer traf, er hatte sich blosgegeben. Nach eini¬
gen dergestalt mißlungenen Versuchen, die Zügel als
blinder Fuhrmann wieder an sich zu reißen, hatte er
sich ganz von den Geschäften zurückgezogen. Blos als
berathender Helfer sich einem Andern unterzuordnen
und gar dem eigenen Sohne, der bis vor Kurzem noch
nur der ungefragte und willenlose Vollzieher seiner Be¬
fehle gewesen, das war dem alten Herrn unmöglich.
Im Gärtchen fand er Beschäftigung; er konnte sich
welche machen, wenn ihm nicht genügte, was die Pflege
des Gärtchens bis jetzt seinen Besorgern von selbst ent¬
gegengebracht. Er konnte das Alte entfernen, Neues
ersinnen und wieder Neuerem Platz machen lassen, und
er that es. Unumschränkt herrschend in dem kleinen

Muße noch geſchärft, ſich wieder aufraffen laſſen. Nun
kannte er die Sache, um die ſich's eben handelte, und
an die er ſich bisher nichts gekehrt, nur unzureichend;
und wenn er ſie kannte, ſo war ihm darum zu thun,
ſeinen Willen als den herrſchenden durchzuſetzen. Und
ſchon deßhalb verwarf er den Plan, nach dem der Sohn
bisher gehandelt. Was bereits geſcheh'n, Arbeit und
Auslage war verloren. Dabei mußte er doch wieder
den Sohn zu Hülfe nehmen und die beſte Darſtellung
des Verhaltes erſetzte dem alten Herrn den Mangel der
eigenen Anſchauung nicht. Zuletzt mußte er einſeh'n,
daß die Sache auf ſeinem Wege nicht ging. Es war
Geld, Zeit und Arbeitskraft vergeudet und, was ihn
noch tiefer traf, er hatte ſich blosgegeben. Nach eini¬
gen dergeſtalt mißlungenen Verſuchen, die Zügel als
blinder Fuhrmann wieder an ſich zu reißen, hatte er
ſich ganz von den Geſchäften zurückgezogen. Blos als
berathender Helfer ſich einem Andern unterzuordnen
und gar dem eigenen Sohne, der bis vor Kurzem noch
nur der ungefragte und willenloſe Vollzieher ſeiner Be¬
fehle geweſen, das war dem alten Herrn unmöglich.
Im Gärtchen fand er Beſchäftigung; er konnte ſich
welche machen, wenn ihm nicht genügte, was die Pflege
des Gärtchens bis jetzt ſeinen Beſorgern von ſelbſt ent¬
gegengebracht. Er konnte das Alte entfernen, Neues
erſinnen und wieder Neuerem Platz machen laſſen, und
er that es. Unumſchränkt herrſchend in dem kleinen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0039" n="30"/>
Muße noch ge&#x017F;chärft, &#x017F;ich wieder aufraffen la&#x017F;&#x017F;en. Nun<lb/>
kannte er die Sache, um die &#x017F;ich's eben handelte, und<lb/>
an die er &#x017F;ich bisher nichts gekehrt, nur unzureichend;<lb/>
und wenn er &#x017F;ie kannte, &#x017F;o war ihm darum zu thun,<lb/>
&#x017F;einen Willen als den herr&#x017F;chenden durchzu&#x017F;etzen. Und<lb/>
&#x017F;chon deßhalb verwarf er den Plan, nach dem der Sohn<lb/>
bisher gehandelt. Was bereits ge&#x017F;cheh'n, Arbeit und<lb/>
Auslage war verloren. Dabei mußte er doch wieder<lb/>
den Sohn zu Hülfe nehmen und die be&#x017F;te Dar&#x017F;tellung<lb/>
des Verhaltes er&#x017F;etzte dem alten Herrn den Mangel der<lb/>
eigenen An&#x017F;chauung nicht. Zuletzt mußte er ein&#x017F;eh'n,<lb/>
daß die Sache auf &#x017F;einem Wege nicht ging. Es war<lb/>
Geld, Zeit und Arbeitskraft vergeudet und, was ihn<lb/>
noch tiefer traf, er hatte &#x017F;ich blosgegeben. Nach eini¬<lb/>
gen derge&#x017F;talt mißlungenen Ver&#x017F;uchen, die Zügel als<lb/>
blinder Fuhrmann wieder an &#x017F;ich zu reißen, hatte er<lb/>
&#x017F;ich ganz von den Ge&#x017F;chäften zurückgezogen. Blos als<lb/>
berathender Helfer &#x017F;ich einem Andern unterzuordnen<lb/>
und gar dem eigenen Sohne, der bis vor Kurzem noch<lb/>
nur der ungefragte und willenlo&#x017F;e Vollzieher &#x017F;einer Be¬<lb/>
fehle gewe&#x017F;en, das war dem alten Herrn unmöglich.<lb/>
Im Gärtchen fand er Be&#x017F;chäftigung; er konnte &#x017F;ich<lb/>
welche machen, wenn ihm nicht genügte, was die Pflege<lb/>
des Gärtchens bis jetzt &#x017F;einen Be&#x017F;orgern von &#x017F;elb&#x017F;t ent¬<lb/>
gegengebracht. Er konnte das Alte entfernen, Neues<lb/>
er&#x017F;innen und wieder Neuerem Platz machen la&#x017F;&#x017F;en, und<lb/>
er that es. Unum&#x017F;chränkt herr&#x017F;chend in dem kleinen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0039] Muße noch geſchärft, ſich wieder aufraffen laſſen. Nun kannte er die Sache, um die ſich's eben handelte, und an die er ſich bisher nichts gekehrt, nur unzureichend; und wenn er ſie kannte, ſo war ihm darum zu thun, ſeinen Willen als den herrſchenden durchzuſetzen. Und ſchon deßhalb verwarf er den Plan, nach dem der Sohn bisher gehandelt. Was bereits geſcheh'n, Arbeit und Auslage war verloren. Dabei mußte er doch wieder den Sohn zu Hülfe nehmen und die beſte Darſtellung des Verhaltes erſetzte dem alten Herrn den Mangel der eigenen Anſchauung nicht. Zuletzt mußte er einſeh'n, daß die Sache auf ſeinem Wege nicht ging. Es war Geld, Zeit und Arbeitskraft vergeudet und, was ihn noch tiefer traf, er hatte ſich blosgegeben. Nach eini¬ gen dergeſtalt mißlungenen Verſuchen, die Zügel als blinder Fuhrmann wieder an ſich zu reißen, hatte er ſich ganz von den Geſchäften zurückgezogen. Blos als berathender Helfer ſich einem Andern unterzuordnen und gar dem eigenen Sohne, der bis vor Kurzem noch nur der ungefragte und willenloſe Vollzieher ſeiner Be¬ fehle geweſen, das war dem alten Herrn unmöglich. Im Gärtchen fand er Beſchäftigung; er konnte ſich welche machen, wenn ihm nicht genügte, was die Pflege des Gärtchens bis jetzt ſeinen Beſorgern von ſelbſt ent¬ gegengebracht. Er konnte das Alte entfernen, Neues erſinnen und wieder Neuerem Platz machen laſſen, und er that es. Unumſchränkt herrſchend in dem kleinen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/39
Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/39>, abgerufen am 29.03.2024.