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Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856.

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grünen Reiche, in dem von Nun kein Warum mehr laut
werden durfte und neben dem Gesetze der Natur nur
noch ein einziges waltete, sein Wille, vergaß oder schien
er zu vergessen, daß er früher einen mächtigern Zepter
geführt.

Mehr aber als von dem Geschäfte und dem wun¬
derlichen alten Herrn schrieb der Bruder in seinen fol¬
genden Briefen von den Festlichkeiten der Schützenge¬
sellschaft der Vaterstadt und einem Bürgervereine, der
zusammengetreten war, sein Ergötzen von dem der
niedriger stehenden Schichten der Bevölkerung abzuson¬
dern. Aus all' den Beschreibungen von Vogel- und
Scheibenschießen, Conzerten und Bällen, als deren
Mittelpunkt er und seine junge Frau dastanden, lachte
die höchste Befriedigung der Eitelkeit des Briefstellers.
Nur in einer Nachschrift war in dem letzten Briefe des
ernsteren Umstandes leicht Erwähnung gethan, die
Stadt wolle eine Reparatur des Thurm- und Kirchen¬
daches zu Sankt Georg vornehmen lassen und habe
ihn mit der Ausführung derselben betraut. Der im
blauen Rocke dringe in ihn, unsern Helden aufzufor¬
dern, in die Vaterstadt und das Geschäft zurückzukeh¬
ren. Der Bruder war der Meinung, unser Held
werde die ihm liebgewordenen Verhältnisse in Köln
nicht um einer so geringfügigen Ursache willen verlas¬
sen mögen. Die Reparatur werde mit den vorhandenen
Arbeitskräften in kurzer Zeit zu vollenden sein. Der

grünen Reiche, in dem von Nun kein Warum mehr laut
werden durfte und neben dem Geſetze der Natur nur
noch ein einziges waltete, ſein Wille, vergaß oder ſchien
er zu vergeſſen, daß er früher einen mächtigern Zepter
geführt.

Mehr aber als von dem Geſchäfte und dem wun¬
derlichen alten Herrn ſchrieb der Bruder in ſeinen fol¬
genden Briefen von den Feſtlichkeiten der Schützenge¬
ſellſchaft der Vaterſtadt und einem Bürgervereine, der
zuſammengetreten war, ſein Ergötzen von dem der
niedriger ſtehenden Schichten der Bevölkerung abzuſon¬
dern. Aus all' den Beſchreibungen von Vogel- und
Scheibenſchießen, Conzerten und Bällen, als deren
Mittelpunkt er und ſeine junge Frau daſtanden, lachte
die höchſte Befriedigung der Eitelkeit des Briefſtellers.
Nur in einer Nachſchrift war in dem letzten Briefe des
ernſteren Umſtandes leicht Erwähnung gethan, die
Stadt wolle eine Reparatur des Thurm- und Kirchen¬
daches zu Sankt Georg vornehmen laſſen und habe
ihn mit der Ausführung derſelben betraut. Der im
blauen Rocke dringe in ihn, unſern Helden aufzufor¬
dern, in die Vaterſtadt und das Geſchäft zurückzukeh¬
ren. Der Bruder war der Meinung, unſer Held
werde die ihm liebgewordenen Verhältniſſe in Köln
nicht um einer ſo geringfügigen Urſache willen verlaſ¬
ſen mögen. Die Reparatur werde mit den vorhandenen
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[31/0040] grünen Reiche, in dem von Nun kein Warum mehr laut werden durfte und neben dem Geſetze der Natur nur noch ein einziges waltete, ſein Wille, vergaß oder ſchien er zu vergeſſen, daß er früher einen mächtigern Zepter geführt. Mehr aber als von dem Geſchäfte und dem wun¬ derlichen alten Herrn ſchrieb der Bruder in ſeinen fol¬ genden Briefen von den Feſtlichkeiten der Schützenge¬ ſellſchaft der Vaterſtadt und einem Bürgervereine, der zuſammengetreten war, ſein Ergötzen von dem der niedriger ſtehenden Schichten der Bevölkerung abzuſon¬ dern. Aus all' den Beſchreibungen von Vogel- und Scheibenſchießen, Conzerten und Bällen, als deren Mittelpunkt er und ſeine junge Frau daſtanden, lachte die höchſte Befriedigung der Eitelkeit des Briefſtellers. Nur in einer Nachſchrift war in dem letzten Briefe des ernſteren Umſtandes leicht Erwähnung gethan, die Stadt wolle eine Reparatur des Thurm- und Kirchen¬ daches zu Sankt Georg vornehmen laſſen und habe ihn mit der Ausführung derſelben betraut. Der im blauen Rocke dringe in ihn, unſern Helden aufzufor¬ dern, in die Vaterſtadt und das Geſchäft zurückzukeh¬ ren. Der Bruder war der Meinung, unſer Held werde die ihm liebgewordenen Verhältniſſe in Köln nicht um einer ſo geringfügigen Urſache willen verlaſ¬ ſen mögen. Die Reparatur werde mit den vorhandenen Arbeitskräften in kurzer Zeit zu vollenden ſein. Der

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Zitationshilfe: Ludwig, Otto: Zwischen Himmel und Erde. Frankfurt (Main), 1856, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_himmel_1856/40>, abgerufen am 28.03.2024.