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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Die bei der Absonderung thätigen Bedingungen.

Allgemeiner Theil.

Die allgemeinsten Forderungen, welche nach gewonnener Einsicht in
die Eigenschaften des Gefässinhalts gestellt werden müssen, wenn wir die
Absonderungserscheinungen begreifen sollen, verlangen: dass wir zu er-
fahren trachten die Eigenschaften der Flüssigkeit (Säfte, Sekrete), welche
auf der äussern Gefässwand zum Vorschein kommen, die Beschaffenheit
der Wege, auf welchen die Säfte durch die Gefässwand dringen, und
endlich die Wirkungsweise der Kräfte, welche die Säfte aus den Gefäss-
röhren herausbefördern. Ueber die Eigenschaften der Säfte lässt sich,
wie es scheint, nichts allgemein giltiges sagen, vorausgesetzt, es wollte
die Aussage darüber hinausgehen, dass dieselben tropfbar oder gasför-
mig sein müssten. Anders verhält es sich dagegen mit den beiden andern
Punkten.

1. Die Häute, durch welche die Absonderung statt finden soll, müssen
unzweifelhaft von Oeffnungen durchbrochen sein, weil sonst der Durch-
gang einer Flüssigkeit geradezu unmöglich sein würde. Die Umstände,
durch welche die Häute auf die Absonderung von Einfluss werden, lassen
sich somit zurückführen auf die Eigenschaften der Poren. Weiter geführte
Ueberlegungen zeigen nun sogleich, dass in diesem Sinne zu berücksich-
tigen ist: Durchmesser und Längen der Kanäle, resp. die Umstände,
durch welche diese Dimensionen innerhalb einer und derselben Haut
veränderlich werden; ferner die Zahl der Poren in der Flächeneinheit
der Haut; und endlich die chemische Besonderheit der innern Porenwand,
resp. Einflüsse, durch welche jene veränderlich werden.

In früherer Zeit pflegte man die Streitfrage zu behandeln, ob die Häute und
insbesondere die der Gefässe mit feinen Oeffnungen, Poren, versehen oder nicht ver-
sehen seien. Dieser Streit muss aber als ein vollkommen unnützer angesehen wer-
den, so lange nicht jene zahlreichen in diesem Werke wiederholt vorgetragenen Gründe
widerlegt sind, welche die Annahme bedingen, dass alle wägbaren Körper aus einer
Zusammenhäufung von einzelnen sehr kleinen gewichtigen Theilchen bestehen, die
durch Zwischenräume von einander getrennt sind, und so lange, bis man es be-
greiflich machen kann, wie durch ein zusammenhängendes, den Raum gleichartig
erfüllendes Gefüge wägbarer Massen andere auf gleiche Weise gebildete Stoffe drin-
gen sollen.

a. Porenweite. Die Durchmesser der Poren sind nicht bekannt;
geradaus sind sie nicht zu messen, weil sie selbst dem Auge, das
mit sehr starken Vergrösserungen bewaffnet ist, unsichtbar bleiben, ein
indirekter Maassstab ist aber noch nicht gefunden. Immerhin aber
lässt sich behaupten 1) dass die eine Membran engere Poren besitzt,
als die andere; denn es gehen beim Filtriren durch die eine Mem-
bran feine, in der Flüssigkeit aufgeschwemmte Körperchen hindurch,
welche von einer andern zurück gehalten werden. Der Punkt, auf den
Oesterlen*) die Aufmerksamkeit gelenkt hat, ist durch H. Meyer

*) Henle's und Pfeufer's Zeitschrift. V. Bd. p. 434.
Die bei der Absonderung thätigen Bedingungen.

Allgemeiner Theil.

Die allgemeinsten Forderungen, welche nach gewonnener Einsicht in
die Eigenschaften des Gefässinhalts gestellt werden müssen, wenn wir die
Absonderungserscheinungen begreifen sollen, verlangen: dass wir zu er-
fahren trachten die Eigenschaften der Flüssigkeit (Säfte, Sekrete), welche
auf der äussern Gefässwand zum Vorschein kommen, die Beschaffenheit
der Wege, auf welchen die Säfte durch die Gefässwand dringen, und
endlich die Wirkungsweise der Kräfte, welche die Säfte aus den Gefäss-
röhren herausbefördern. Ueber die Eigenschaften der Säfte lässt sich,
wie es scheint, nichts allgemein giltiges sagen, vorausgesetzt, es wollte
die Aussage darüber hinausgehen, dass dieselben tropfbar oder gasför-
mig sein müssten. Anders verhält es sich dagegen mit den beiden andern
Punkten.

1. Die Häute, durch welche die Absonderung statt finden soll, müssen
unzweifelhaft von Oeffnungen durchbrochen sein, weil sonst der Durch-
gang einer Flüssigkeit geradezu unmöglich sein würde. Die Umstände,
durch welche die Häute auf die Absonderung von Einfluss werden, lassen
sich somit zurückführen auf die Eigenschaften der Poren. Weiter geführte
Ueberlegungen zeigen nun sogleich, dass in diesem Sinne zu berücksich-
tigen ist: Durchmesser und Längen der Kanäle, resp. die Umstände,
durch welche diese Dimensionen innerhalb einer und derselben Haut
veränderlich werden; ferner die Zahl der Poren in der Flächeneinheit
der Haut; und endlich die chemische Besonderheit der innern Porenwand,
resp. Einflüsse, durch welche jene veränderlich werden.

In früherer Zeit pflegte man die Streitfrage zu behandeln, ob die Häute und
insbesondere die der Gefässe mit feinen Oeffnungen, Poren, versehen oder nicht ver-
sehen seien. Dieser Streit muss aber als ein vollkommen unnützer angesehen wer-
den, so lange nicht jene zahlreichen in diesem Werke wiederholt vorgetragenen Gründe
widerlegt sind, welche die Annahme bedingen, dass alle wägbaren Körper aus einer
Zusammenhäufung von einzelnen sehr kleinen gewichtigen Theilchen bestehen, die
durch Zwischenräume von einander getrennt sind, und so lange, bis man es be-
greiflich machen kann, wie durch ein zusammenhängendes, den Raum gleichartig
erfüllendes Gefüge wägbarer Massen andere auf gleiche Weise gebildete Stoffe drin-
gen sollen.

a. Porenweite. Die Durchmesser der Poren sind nicht bekannt;
geradaus sind sie nicht zu messen, weil sie selbst dem Auge, das
mit sehr starken Vergrösserungen bewaffnet ist, unsichtbar bleiben, ein
indirekter Maassstab ist aber noch nicht gefunden. Immerhin aber
lässt sich behaupten 1) dass die eine Membran engere Poren besitzt,
als die andere; denn es gehen beim Filtriren durch die eine Mem-
bran feine, in der Flüssigkeit aufgeschwemmte Körperchen hindurch,
welche von einer andern zurück gehalten werden. Der Punkt, auf den
Oesterlen*) die Aufmerksamkeit gelenkt hat, ist durch H. Meyer

*) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. p. 434.
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[142/0158] Die bei der Absonderung thätigen Bedingungen. Allgemeiner Theil. Die allgemeinsten Forderungen, welche nach gewonnener Einsicht in die Eigenschaften des Gefässinhalts gestellt werden müssen, wenn wir die Absonderungserscheinungen begreifen sollen, verlangen: dass wir zu er- fahren trachten die Eigenschaften der Flüssigkeit (Säfte, Sekrete), welche auf der äussern Gefässwand zum Vorschein kommen, die Beschaffenheit der Wege, auf welchen die Säfte durch die Gefässwand dringen, und endlich die Wirkungsweise der Kräfte, welche die Säfte aus den Gefäss- röhren herausbefördern. Ueber die Eigenschaften der Säfte lässt sich, wie es scheint, nichts allgemein giltiges sagen, vorausgesetzt, es wollte die Aussage darüber hinausgehen, dass dieselben tropfbar oder gasför- mig sein müssten. Anders verhält es sich dagegen mit den beiden andern Punkten. 1. Die Häute, durch welche die Absonderung statt finden soll, müssen unzweifelhaft von Oeffnungen durchbrochen sein, weil sonst der Durch- gang einer Flüssigkeit geradezu unmöglich sein würde. Die Umstände, durch welche die Häute auf die Absonderung von Einfluss werden, lassen sich somit zurückführen auf die Eigenschaften der Poren. Weiter geführte Ueberlegungen zeigen nun sogleich, dass in diesem Sinne zu berücksich- tigen ist: Durchmesser und Längen der Kanäle, resp. die Umstände, durch welche diese Dimensionen innerhalb einer und derselben Haut veränderlich werden; ferner die Zahl der Poren in der Flächeneinheit der Haut; und endlich die chemische Besonderheit der innern Porenwand, resp. Einflüsse, durch welche jene veränderlich werden. In früherer Zeit pflegte man die Streitfrage zu behandeln, ob die Häute und insbesondere die der Gefässe mit feinen Oeffnungen, Poren, versehen oder nicht ver- sehen seien. Dieser Streit muss aber als ein vollkommen unnützer angesehen wer- den, so lange nicht jene zahlreichen in diesem Werke wiederholt vorgetragenen Gründe widerlegt sind, welche die Annahme bedingen, dass alle wägbaren Körper aus einer Zusammenhäufung von einzelnen sehr kleinen gewichtigen Theilchen bestehen, die durch Zwischenräume von einander getrennt sind, und so lange, bis man es be- greiflich machen kann, wie durch ein zusammenhängendes, den Raum gleichartig erfüllendes Gefüge wägbarer Massen andere auf gleiche Weise gebildete Stoffe drin- gen sollen. a. Porenweite. Die Durchmesser der Poren sind nicht bekannt; geradaus sind sie nicht zu messen, weil sie selbst dem Auge, das mit sehr starken Vergrösserungen bewaffnet ist, unsichtbar bleiben, ein indirekter Maassstab ist aber noch nicht gefunden. Immerhin aber lässt sich behaupten 1) dass die eine Membran engere Poren besitzt, als die andere; denn es gehen beim Filtriren durch die eine Mem- bran feine, in der Flüssigkeit aufgeschwemmte Körperchen hindurch, welche von einer andern zurück gehalten werden. Der Punkt, auf den Oesterlen *) die Aufmerksamkeit gelenkt hat, ist durch H. Meyer *) Henle’s und Pfeufer’s Zeitschrift. V. Bd. p. 434.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/158>, abgerufen am 23.04.2024.