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Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856.

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Ausstossung von Harn und Samen.
dass die Mündungen der zu und von den Cavernen führenden Gefässe
wesentlich unverändert bleiben, dass aber die Cavernenwandungen nach-
giebiger würden, so dass sie nun von dem einströmenden Blute leichter
als früher zu erweitern wären. Die Ursache der Erschlaffung finden
Kölliker und Kohlrausch in der Erregung der Penisnerven, welche
zu ihren Muskeln in einem ähnlichen Verhältniss stehen sollen, wie die
nn. vagi zum Herzmuskel. Mit Gewissheit kann allerdings die Behauptung
ausgesprochen werden, dass eine kräftige Zusammenziehung der von Köl-
liker
und Valentin in den corpora cavernosa entdeckten Muskeln die
Erektion gerade unmöglich machen, weil sie so angelegt sind, dass ihre
Verkürzung das Volum des Penis minderte; so sah es Kölliker, als
er den Penis eines Hingerichteten mit elektrischen Schlägen behandelte,
und so ist das abgekühlte Glied, dessen Muskeln zusammengezogen sind,
immer sehr klein und derb. Damit ist aber natürlich nicht die Behaup-
tung erwiesen, dass zu allen Zeiten die Muskeln des schlaffen Penis
contrahirt seien, und noch weniger, dass die Nerven und Muskeln des
Penis ein dem Vagus und Herzmuskel analoges Verhalten zeigen. Rück-
sichtlich des letztern Punktes ist um so grössere Vorsicht nöthig, als
es sehr wahrscheinlich ist, dass der Vagus nicht geradezu den Herz-
muskel erschlafft, sondern andere auf ihn wirkende Erregungsursachen
ausser Wirksamkeit setzt. -- d) Arnold weist endlich auf die Möglich-
keit hin, dass das Strombett des Bluts in dem gesteiften Penis ein ganz
anderes sei, als in dem schlaffen; er glaubt sich nemlich überzeugt zu
haben, dass das Blut auf zwei Wegen aus den Arterien in die Venen
gelangen könne; einmal durch Capillaren, welche auf den Wänden der
Cavernen verlaufend in die Venen einmünden und dann durch Zweige,
welche direkt in die Cavernen übergehen. Diese Möglichkeit wird so
lange bestritten werden müssen, bis diese beiden Wege genauer darge-
stellt sind.

Ueber die vorübergehende Erektion der Eichel und die mannig-
fachen Erregungsmittel der Erektion handeln Kobelt und Valentin
ausführlich.

2. Ausstossung von Harn und Samen aus der Harnröhre. Da in
die Urethra die Ausführungsgänge der Samen- und Harnbehälter mün-
den, ohne dass die eine der beiden Flüssigkeiten in die Wege der an-
dern eindringt, so müssen Vorrichtungen bestehen, welche den beiden
Säften immer nur einen Weg anweisen. Als Schutzmittel der Samen-
wege, welches den Eintritt des Harns in dieselben verhindert, ist anzu-
sehen der schiefe Gang, welchen die samenausführenden Röhren durch
die Wand der Urethra nehmen. Als eine Hemmung für den Weg des
Samens in die Harnblase betrachtet Kobelt das caput gallinaginis, wel-
ches ebenfalls, mit Schwellkörpern versehen, zur Zeit der Erektion die
Blasenmündung verstopft. -- Da nun aber auch bei abwesender Schwel-

Ausstossung von Harn und Samen.
dass die Mündungen der zu und von den Cavernen führenden Gefässe
wesentlich unverändert bleiben, dass aber die Cavernenwandungen nach-
giebiger würden, so dass sie nun von dem einströmenden Blute leichter
als früher zu erweitern wären. Die Ursache der Erschlaffung finden
Kölliker und Kohlrausch in der Erregung der Penisnerven, welche
zu ihren Muskeln in einem ähnlichen Verhältniss stehen sollen, wie die
nn. vagi zum Herzmuskel. Mit Gewissheit kann allerdings die Behauptung
ausgesprochen werden, dass eine kräftige Zusammenziehung der von Köl-
liker
und Valentin in den corpora cavernosa entdeckten Muskeln die
Erektion gerade unmöglich machen, weil sie so angelegt sind, dass ihre
Verkürzung das Volum des Penis minderte; so sah es Kölliker, als
er den Penis eines Hingerichteten mit elektrischen Schlägen behandelte,
und so ist das abgekühlte Glied, dessen Muskeln zusammengezogen sind,
immer sehr klein und derb. Damit ist aber natürlich nicht die Behaup-
tung erwiesen, dass zu allen Zeiten die Muskeln des schlaffen Penis
contrahirt seien, und noch weniger, dass die Nerven und Muskeln des
Penis ein dem Vagus und Herzmuskel analoges Verhalten zeigen. Rück-
sichtlich des letztern Punktes ist um so grössere Vorsicht nöthig, als
es sehr wahrscheinlich ist, dass der Vagus nicht geradezu den Herz-
muskel erschlafft, sondern andere auf ihn wirkende Erregungsursachen
ausser Wirksamkeit setzt. — d) Arnold weist endlich auf die Möglich-
keit hin, dass das Strombett des Bluts in dem gesteiften Penis ein ganz
anderes sei, als in dem schlaffen; er glaubt sich nemlich überzeugt zu
haben, dass das Blut auf zwei Wegen aus den Arterien in die Venen
gelangen könne; einmal durch Capillaren, welche auf den Wänden der
Cavernen verlaufend in die Venen einmünden und dann durch Zweige,
welche direkt in die Cavernen übergehen. Diese Möglichkeit wird so
lange bestritten werden müssen, bis diese beiden Wege genauer darge-
stellt sind.

Ueber die vorübergehende Erektion der Eichel und die mannig-
fachen Erregungsmittel der Erektion handeln Kobelt und Valentin
ausführlich.

2. Ausstossung von Harn und Samen aus der Harnröhre. Da in
die Urethra die Ausführungsgänge der Samen- und Harnbehälter mün-
den, ohne dass die eine der beiden Flüssigkeiten in die Wege der an-
dern eindringt, so müssen Vorrichtungen bestehen, welche den beiden
Säften immer nur einen Weg anweisen. Als Schutzmittel der Samen-
wege, welches den Eintritt des Harns in dieselben verhindert, ist anzu-
sehen der schiefe Gang, welchen die samenausführenden Röhren durch
die Wand der Urethra nehmen. Als eine Hemmung für den Weg des
Samens in die Harnblase betrachtet Kobelt das caput gallinaginis, wel-
ches ebenfalls, mit Schwellkörpern versehen, zur Zeit der Erektion die
Blasenmündung verstopft. — Da nun aber auch bei abwesender Schwel-

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[283/0299] Ausstossung von Harn und Samen. dass die Mündungen der zu und von den Cavernen führenden Gefässe wesentlich unverändert bleiben, dass aber die Cavernenwandungen nach- giebiger würden, so dass sie nun von dem einströmenden Blute leichter als früher zu erweitern wären. Die Ursache der Erschlaffung finden Kölliker und Kohlrausch in der Erregung der Penisnerven, welche zu ihren Muskeln in einem ähnlichen Verhältniss stehen sollen, wie die nn. vagi zum Herzmuskel. Mit Gewissheit kann allerdings die Behauptung ausgesprochen werden, dass eine kräftige Zusammenziehung der von Köl- liker und Valentin in den corpora cavernosa entdeckten Muskeln die Erektion gerade unmöglich machen, weil sie so angelegt sind, dass ihre Verkürzung das Volum des Penis minderte; so sah es Kölliker, als er den Penis eines Hingerichteten mit elektrischen Schlägen behandelte, und so ist das abgekühlte Glied, dessen Muskeln zusammengezogen sind, immer sehr klein und derb. Damit ist aber natürlich nicht die Behaup- tung erwiesen, dass zu allen Zeiten die Muskeln des schlaffen Penis contrahirt seien, und noch weniger, dass die Nerven und Muskeln des Penis ein dem Vagus und Herzmuskel analoges Verhalten zeigen. Rück- sichtlich des letztern Punktes ist um so grössere Vorsicht nöthig, als es sehr wahrscheinlich ist, dass der Vagus nicht geradezu den Herz- muskel erschlafft, sondern andere auf ihn wirkende Erregungsursachen ausser Wirksamkeit setzt. — d) Arnold weist endlich auf die Möglich- keit hin, dass das Strombett des Bluts in dem gesteiften Penis ein ganz anderes sei, als in dem schlaffen; er glaubt sich nemlich überzeugt zu haben, dass das Blut auf zwei Wegen aus den Arterien in die Venen gelangen könne; einmal durch Capillaren, welche auf den Wänden der Cavernen verlaufend in die Venen einmünden und dann durch Zweige, welche direkt in die Cavernen übergehen. Diese Möglichkeit wird so lange bestritten werden müssen, bis diese beiden Wege genauer darge- stellt sind. Ueber die vorübergehende Erektion der Eichel und die mannig- fachen Erregungsmittel der Erektion handeln Kobelt und Valentin ausführlich. 2. Ausstossung von Harn und Samen aus der Harnröhre. Da in die Urethra die Ausführungsgänge der Samen- und Harnbehälter mün- den, ohne dass die eine der beiden Flüssigkeiten in die Wege der an- dern eindringt, so müssen Vorrichtungen bestehen, welche den beiden Säften immer nur einen Weg anweisen. Als Schutzmittel der Samen- wege, welches den Eintritt des Harns in dieselben verhindert, ist anzu- sehen der schiefe Gang, welchen die samenausführenden Röhren durch die Wand der Urethra nehmen. Als eine Hemmung für den Weg des Samens in die Harnblase betrachtet Kobelt das caput gallinaginis, wel- ches ebenfalls, mit Schwellkörpern versehen, zur Zeit der Erektion die Blasenmündung verstopft. — Da nun aber auch bei abwesender Schwel-

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Zitationshilfe: Ludwig, Carl: Lehrbuch der Physiologie des Menschen. Bd. 2. Heidelberg und Leipzig, 1856, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ludwig_physiologie02_1856/299>, abgerufen am 29.03.2024.